Hintergrund – Wozu sind Spruchverfahren nötig?
(mehr Informationen dazu finden Sie in unserem Forum zu Bewertungsfragen)
In der Wirtschaft kommt es beinahe wöchentlich zu Übernahmen und Fusionen, an denen auch börsennotierte Unternehmen beteiligt sind. Viele davon betreffen kleine Firmen. Es gibt aber auch prominente Fälle: zum Beispiel die Übernahme der Postbank durch die Deutsche Bank, die Integration des Lkw-Bauers MAN in den Volkswagen-Konzern oder der Aufkauf des Kabelnetzbtreibers Kabel Deutschland durch Vodafone.
Nach solchen Übernahmen hat ein Großaktionär regelmäßig das Sagen über die geschluckte Gesellschaft. Für ihn macht es selten Sinn, dass die übernommene Gesellschaft weiterhin an der Börse notiert bleibt. Dies kann darin begründet liegen, dass die Finanzierung der Tochter über den Kapitalmarkt als börsennotiertes Unternehmen nicht mehr effizient ist. Auch eine doppelte Börsennotierung samt Hauptversammlungs- und Informationspflichten gegenüber den verbliebenen Minderheitsaktionären ist aus Sicht des Hauptaktionärs meistens sinnlos. Darüber hinaus kann eine Börsennotierung der Tochtergesellschaft zu Interessenkonflikten führen. So verfolgen Vorstand, Aufsichtsrat und Minderheitsaktionäre der Tochtergesellschaft nicht unbedingt dieselben strategischen und finanziellen Interessen wie die Gesellschafter des Mutterkonzerns. Bei Umstrukturierungen müssen daher auch immer konzernrechtliche Grenzen berücksichtigt werden.
Vor diesem Hintergrund streben Hauptaktionäre regelmäßig einen so genannten Squeeze-out an. Dabei werden verbleibende Minderheitsaktionäre per Zwangsabfindung aus dem Unternehmen gedrängt. Voraussetzung für die meisten Squeeze-outs ist, dass der Hauptaktionär schon mindestens 95 Prozent der Aktien kontrolliert.
Über die so gezahlte Zwangsentschädigung dieser Aktionäre wurde schon immer trefflich gestritten – besonders gerne vor Gericht. Ist doch die Festlegung der Höhe einer fairen Abfindung der zwangsenteigneten Minderheitsaktionäre eine Wissenschaft für sich. Dass der Aktienkurs des übernommenen Unternehmens dabei nicht immer die beste Referenz ist, liegt auf der Hand. So lassen sich Aktienpakete schwieriger zu marktgerechten Preisen handeln, wenn nur noch wenige Anteilsscheine im Umlauf sind. Darüber hinaus hat die Konzernmutter zum Zeitpunkt eines Beherrschungsvertrags, Squeeze-outs oder Delistings meist schon Fakten geschaffen, die ursprüngliche Produkte, Geschäftsfelder und Strategien der Tochtergesellschaft beeinflusst haben. Das kann durch Verkäufe von Geschäftsbereichen, konzerninterne Verlagerungen von Zuständigkeiten oder bedeutsame Personalwechsel geschehen sein.
Aus dieser Konstellation ergeben sich zwei Dilemmata: Zum einen wird die Höhe der angemessenen Barabfindung allein durch den Hauptaktionär bestimmt. Zum anderen können Minderheitsaktionäre sich trotz der einseitigen Preisbestimmung nicht der Rechtspflicht entziehen, ihre Aktien auf den Hauptaktionär zu übertragen. Der Hauptaktionär ist per Gesetz dazu verpflichtet, den aus der Gesellschaft gedrängten Minderheitsaktionären ihren verfassungsrechtlichen Anspruch auf „vollen“ Wertausgleich für den Verlust ihres Eigentums zu zahlen. Minderheitsaktionäre können gegen die vom Hauptaktionär festgelegte Kompensation vor Gericht ziehen, wenn sie die Abfindung als zu niedrig erachten.
So verursachen Strukturmaßnahmen das doppelte Dilemma aus vergeblicher Entschädigungspreisfindung sowie gerichtlicher Abhängigkeit der Beteiligten. Im deutschen Recht hat sich daher das so genannten Spruchverfahren etabliert, um diese Blockade aufzulösen. Die Idee des Spruchverfahrens ist es, die Feststellung einer angemessenen Kompensation für Minderheitsaktionäre von der Rechtsgültigkeit der Übernahme eines börsennotierten Unternehmens durch den Hauptaktionär zu trennen – und somit Rechtssicherheit zu schaffen.
Gesetzliche Grundlage – Wie sieht die Rechtsgrundlage für Spruchverfahren in Deutschland aus?
Das Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren wurde am 12. Juni 2003 verabschiedet. Am 1. September 2003 trat es als Spruchverfahrensgesetz (SpruchG) in Kraft. Es fasste die bis dato verschiedenen Spruchverfahrensregelungen aus dem Umwandlungsgesetz und dem Aktiengesetz zusammen. So sollten Mängel der Gesetzgebung beseitigt und die Dauer der Verfahren verkürzt werden.
Umgesetzt wurde dies durch konkrete Maßnahmen. Der Gesetzgeber verlegte alle Bewertungsfragen, die nach einer Anfechtungsklage gegen eine Strukturmaßnahme beantwortet werden müssen, in das Spruchverfahren. Um Neutralität bei der Ermittlung der Ausgleichszahlungen der Hauptaktionäre gegenüber den Minderheitsaktionären sicherzustellen, wählt zudem das zuständige Gericht die sachverständigen Prüfer aus. Um Zeit zu sparen, beurteilt der so ausgewählte Prüfer dabei nur jene Einzelfragen, die für das Verfahren und die Kompensation erheblich sind. Alle Verfahrensbeteiligten müssen sich an Fristen und Verfahrensförderungspflichten halten, um das Verfahren nicht in die Länge zu ziehen. Zuletzt novelliert wurde das Spruchverfahrensgesetz am 19. April 2007. Eine im Jahre 2012 vom Bundesjustizministerium vorgelegte Aktienrechtsnovelle, die auch die erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts (OLG) für Spruchverfahren vorsah, scheiterte.
Voraussetzungen für das Verfahren – Was sind die Bedingungen für die Aufnahme eines Spruchverfahrens?
Damit die Voraussetzung für ein Spruchverfahren erfüllt ist, muss zuvor eine so genannte Strukturmaßnahme durchgeführt worden sein. Strukturmaßnahmen sind jene im deutschen Aktien- und Umwandlungsrecht beschriebenen Maßnahmen, mit denen Aktiengesellschaften grundlegend umgestaltet werden können. Die wichtigsten Strukturmaßnahmen werden nachfolgend kurz erläutert:
• Bei einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (§§ 291 ff. AktG) verpflichtet sich eine Aktiengesellschaft, ihre Gewinne an ein anderes Unternehmen abzuführen oder sich Verluste von letzterem Unternehmen ausgleichen zu lassen.
• Die sogenannte Eingliederung (§§ 320 ff. AktG) einer Aktiengesellschaft kann vom Hauptaktionär auch gegen den Willen der Minderheitsaktionäre beschlossen werden, wenn dieser mehr als 95 Prozent des Grundkapitals hält. Die Anteile der Minderheitsaktionäre gehen auf den Hauptaktionär über, dieser wird alleiniger Gesellschafter des betroffenen Unternehmens.
• Bei einem Squeeze-out (§§ 327 a-f AktG), also dem Zwangsausschluss von Minderheitsaktionären, ist die Ausgangssituation ähnlich jener der Eingliederung. Verfügt ein Hauptaktionär über mindestens 95 Prozent des Grundkapitals der betroffenen Gesellschaft, kann er die verbleibenden Aktionäre gegen deren Willen aus der Gesellschaft ausschließen. Anders als bei der Eingliederung werden die herausgedrängten Aktionäre stets in bar abgefunden.
• Die Verschmelzung reicht über die Eingliederung hinaus. Unterschieden werden die Verschmelzung zur Neugründung (§§ 2 ff. UmwG) und die Verschmelzung zur Aufnahme (§§ 123 ff. UmwG). Bei der Verschmelzung zur Neugründung verbinden mehrere Fusionspartner ihre bisherigen Geschäfte und gründen eine neue Gesellschaft. Bei der Verschmelzung zur Aufnahme überträgt die übernommene Gesellschaft ihre Aktiva und Passiva auf die übernehmende. Diese Gesellschaft bleibt bestehen, die übernommene erlischt hingegen.
• Bei einer so genannten formwechselnden Umwandlung (§§ 190 ff. UmwG) können börsennotierte Aktiengesellschaften ihre Rechtsform ändern, beispielsweise in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) oder eine Kommanditgesellschaft (KG).
Die genannten Strukturmaßnahmen sind nur einige, die unter den Anwendungsbereich des Spruchverfahrensgesetzes fallen. Gemeinsam ist diesen Maßnahmen, dass sie sich spürbar auf die Rechtsstellung der Aktionäre auswirken.
Einleitung von Verfahren – Wie wird ein Spruchverfahren eingeleitet?
Ein Spruchverfahren findet in der Regel nach einem Squeeze-out statt. Vor einem Spruchverfahren müssen folgende Schritte vollzogen seien: Der Hauptaktionär muss sein Verlangen ausgesprochen haben, die Aktien der Minderheitsaktionäre auf ihn zu übertragen. Die Hauptversammlung muss den Squeeze-out entsprechend beschließen und der Squeeze-out muss in das Handelsregister eingetragen werden, was durchaus einige Monate Zeit beanspruchen kann.
Ein Spruchverfahren findet aber nicht automatisch statt. Nachdem eine Strukturmaßnahme beschlossen wurde, muss mindestens ein aus dem Unternehmen ausgeschiedener Aktionär einen Antrag stellen.
Zuständige Gerichte – Wo werden Spruchverfahren verhandelt?
Bislang finden Spruchverfahren in der ersten Instanz vor dem Landgericht (LG), in der zweiten Instanz vor dem Oberlandesgericht (OLG) statt. Das Spruchverfahrensgesetz sieht vor, dass Bundesländer per Rechtsverordnung bestimmen können, welche Landes- und Oberlandesgerichte für Spruchverfahren zuständig sind. Dort, wo in den vergangenen Jahren außerordentlich viele Spruchverfahren durchgeführt worden sind, haben Länder von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die meisten erstinstanzlichen Spruchverfahren finden inzwischen vor fachlich spezialisierten Gerichten statt, was Kosten und Dauer senken soll.
Folgende Bundesländer haben Zuständigkeiten festgelegt:
• Baden-Württemberg: LG Mannheim (für die Landgerichtsbezirke des OLG Karlsruhe) und LG Stuttgart (für die Landgerichtsbezirke des OLG Stuttgart)
• Bayern: LG München I (für die Landgerichtsbezirke des OLG München) und LG Nürnberg-Fürth (für die Landgerichtsbezirke des OLG Nürnberg und Bamberg)
Für Beschwerden nach § 12 SpruchG ist ausschließlich das OLG München zuständig
• Hessen: LG Frankfurt am Main
• Mecklenburg-Vorpommern: LG Rostock
• Niedersachsen: LG Hannover
• Nordrhein-Westfalen: LG Düsseldorf (für die Bezirke der LG Düsseldorf, Duisburg, Kleve, Krefeld, Mönchengladbach und Wuppertal), LG Dortmund (für die Bezirke der LG Arnsberg, Bielefeld, Bochum, Detmold, Dortmund, Essen, Hagen, Münster, Paderborn und Siegen) und LG Köln (für die Bezirke der LG Aachen, Bonn und Köln).
Für Beschwerden nach § 12 SpruchG ist ausschließlich das OLG Düsseldorf zuständig.
• Rheinland-Pfalz: LG Koblenz (für den Bezirk des OLG Koblenz) und LG Frankenthal (für den Bezirk des Pfälzischen OLG Zweibrücken)
Der Ort des Spruchverfahrens richtet sich nach dem Sitz des übernommenen Unternehmens. Seit 2003 haben die meisten Spruchverfahren in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen stattgefunden.
Beteiligte Parteien – Wer ist an einem Spruchverfahren beteiligt?
Die Beteiligten an einem Spruchverfahren lassen sich in mehrere Gruppen unterteilen:
• Richter: Bei den Gerichten gibt es in der Regel Vorsitzende Richter, die sich auf Spruchverfahren spezialisiert haben.
• Antragsteller: Für die meisten Spruchverfahren stellen im Schnitt mehr als zwanzig Minderheitsaktionäre Anträge. Dies gilt vor allem dann, wenn Unternehmen im Rampenlicht der Medien stehen und der Streubesitz der Aktien groß ist.
• Gemeinsamer Vertreter: Für Antragsberechtigte, die nicht selbst Antragsteller sind, bestimmt das Gericht einen gemeinsamen Vertreter. Der gemeinsame Vertreter soll die Interessen der außenstehenden Aktionäre schützen, ohne dabei an Weisungen durch die Minderheitsaktionäre gebunden zu sein. Wenn dies vereinbart wird, kann der gemeinsame Vertreter auch als Beauftragter der übrigen Antragsteller mit dem Hauptaktionär Vergleichsgespräche zur Beendigung des Spruchverfahrens führen oder stellvertretend Unterlagen einsehen.
• Sachverständiger: In vielen Spruchverfahren beauftragen Gerichte einen Sachverständigen, ein umfassendes Gutachten über die Bewertung des Unternehmens zu erstellen.
• Berater der Hauptaktionäre: Hauptaktionäre lassen sich während eines Spruchverfahrens in der Regel von spezialisierten Wirtschaftsprüfern und Anwälten beraten.
• Berater der Minderheitsaktionäre: Auf Seiten der Minderheitsaktionäre treten vor allem Aktionärsschutzvereine als Berater und Unterstützer auf. Dazu zählen in Deutschland zum Beispiel die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) und die Verbraucherzentrale für Kapitalanleger (VzfK).
Verhandlungsgegenstand – Was wird bei einem Spruchverfahren verhandelt?
In einem Spruchverfahren – in der Regel nach einem Squeeze-out – wird die von der Hauptversammlung beschlossene Kompensation für die herausgedrängten Minderheitsaktionäre geprüft. Sollte sich die Ausgleichzahlung als zu niedrig erweisen, wird sie angehoben. Eine Herabsetzung kommt dagegen rechtlich nicht in Betracht.
Die Aktionäre, die einen Antrag gestellt haben, müssen ihre Einwände gegen die beschlossene Kompensation anhand des Übertragungs- und Prüfungsberichts erheben. Denn dort wird die vom Hauptaktionär festgelegte Kompensation begründet.
Inhaltlich wird regelmäßig über Verfahrensfragen gestritten. Dabei kann es zum Beispiel um die Zulässigkeit eines Verfahrens, die Anforderungen an Anträge oder die örtliche Zuständigkeit gehen. Auch die Zulässigkeit der so genannten Parallelprüfung der bisherigen Gutachten durch Bewertungsgutachter und sachverständige Prüfer kann ein Thema sein.
Darüber hinaus wird zwischen Antragstellern und Antragsgegnern immer wieder über rechtlich zulässige Bewertungsmethoden gestritten. Hier stehen unter anderem die vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) empfohlenen Ertragswert- oder Discounted Cash Flow-Verfahren weiteren marktüblichen Methoden gegenüber, wie zum Beispiel die von der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) empfohlenen Ansätze. Nicht zuletzt können in Spruchverfahren auch Bewertungsmethoden thematisiert werden, die in der Rechtspraxis sonst eher eine geringere Rolle spielen. Ein Beispiel dafür sind Verbundeffekte, die oft bei Übernahmen eine bedeutsame Rolle spielen.
Darüber hinaus ist auch der für die Kompensation zugrunde gelegte Börsenkurs immer wieder ein Streitpunkt.
Schwerpunkt beinahe jedes Spruchverfahrens ist schließlich die Bestimmung einzelner für die Barabfindung bedeutsamer Berechnungsparameter, allen voran des erforderlichen Kapitalisierungszinssatzes und dessen Einzelkomponenten: unter anderem der Basiszinssatz, Risikozuschlag und Wachstumsabschlag.
Bewertung – Welche Bewertungsparameter sind grundlegend für die Barabfindung der Minderheitsaktionäre?
Jedes Spruchverfahren dient dem Ziel, den Verkehrswert eines Unternehmens zu bestimmen, um die Minderheitsaktionäre angemessen abzufinden. Gesetzgeber und Gerichte haben zwar bislang offen gelassen, wie bei einer Unternehmensbewertung vorzugehen ist. In der Praxis wird allerdings so gut wie immer auch der Ertragswert des Unternehmens berechnet und der Berechnung der Barabfindung für Minderheitsaktionäre zugrunde gelegt. Er reflektiert die in die Zukunft fortgeschriebenen finanziellen Überschüsse, die ein Unternehmen voraussichtlich erwirtschaftet. Diese Überschüsse werden auf den Bewertungsstichtag abgezinst.
• Kapitalisierungszinssatz: Dieser Parameter repräsentiert die Rendite aus einer zur Investition in das zu bewertende Unternehmen adäquaten Alternativanlage. Grundsätzlich gilt: Je höher der Kapitalisierungszinssatz, umso niedriger der Unternehmenswert, welcher der Ermittlung der Barabfindung zugrunde zu legen ist. Die Folge: Hauptaktionäre zielen darauf ab, bei der Berechnung der Barabfindung einen möglichst hohen Kapitalisierungszinssatz zugrunde zu legen, Minderheitsaktionäre sind an einem niedrigen Kapitalisierungszinssatz interessiert.
• Basiszins: Der Basiszins stellt jene Rendite dar, die ein Investor zum Bewertungszeitpunkt bei alternativer, zeitlich nicht begrenzter Anlage in risikolose Wertpapiere erzielen könnte. Das Problem: Am deutschen Kapitalmarkt existieren weder Anleihen ohne Risiko noch solche mit unendlicher Laufzeit. Das bedeutet, der Basiszins muss hergeleitet werden. Ob dies vergangenheitsorientiert, zukunftsorientiert oder zum Beispiel anhand der Zinsstrukturkurve von Bundeswertpapieren passiert, ist regelmäßig Streitpunkt in Spruchverfahren. Beim Basiszinssatz gilt wie beim Kapitalisierungszinssatz: Hauptaktionäre sind an einem möglichst hoch angesetzten Basiszinssatz interessiert, um zu einem möglichst niedrigen Unternehmenswert zu gelangen. Für Minderheitsaktionäre gilt das Gegenteil.
• Risikozuschlag: Dieser Bewertungsparameter beziffert das unternehmerische Risiko, welches jeder Prognose zukünftiger Gewinne eines Unternehmens zugrunde liegt. Dieses Unternehmerrisiko und die damit verbundene Risikoprämie will der Hauptaktionär in einem Spruchverfahren möglichst hoch angesetzt wissen, um den Minderheitsaktionären eine möglichst geringe Barabfindung für ihre Unternehmensanteile zahlen zu müssen. In der Praxis wird die Risikoprämie manchmal als Abschlag auf die erwarteten Gewinne, meist aber als Zuschlag auf den Kapitalisierungszinssatz in die Berechnung der Barabfindung für Minderheitsaktionäre eingerechnet.
• Wachstumsabschlag: Diese Kennziffer bezieht sich vor allem auf langfristig zu erwartende allgemeine wirtschaftliche Wachstumstrends, die sich ebenfalls in der Unternehmensbewertung niederschlagen. So wirken sich zum Beispiel die erwartete Entwicklung des Bruttoinlandsprodukt, der Inflationsrate und der durchschnittlichen Unternehmensgewinne in einer Volkswirtschaft auf die prognostizierten finanziellen Überschüsse eines Unternehmens aus. Mit anderen Worten: Der Wachstumsabschlag soll festlegen, um wieviel Prozent ein Unternehmen wachsen muss, um nicht relativ an Größe und Wert zu verlieren. Hier gilt: Minderheitsaktionäre profitieren bei der Festlegung ihrer Barabfindung von einem hohen Wachstumsabschlag, weil dieser den gegenwärtigen Unternehmenswert erhöht. Hauptaktionäre sind im Gegenteil an einem niedrigen Wachstumsabschlag interessiert.
• Börsenkurs: Der Börsenkurs stellt im Regelfall die Wertuntergrenze dar, wenn es nach einem Squeeze-out um die Ermittlung einer angemessenen Barabfindung geht. Zugrunde gelegt wird dabei allerdings nicht der Tageskurs der Aktie zum Bewertungsstichtag, sondern ein Referenzkurs, der sich aus dem gewichteten Durchschnitt der Börsenkurse aus einem Zeitraum von drei Monaten errechnet. Wann dieser Referenzzeitraum beginnt, ist regelmäßig Streitpunkt im Spruchverfahren. Zwar hatte der Bundesgerichtshof ursprünglich entschieden, dass der gesetzliche Bewertungsstichtag (Tag der Hauptversammlung) maßgeblich ist. In der Praxis haben Bewertungsgutachter und sachverständige Prüfer aber auch andere Bewertungsstichtage zugrunde gelegt, wie zum Beispiel die Bekanntgabe der Strukturmaßnahme durch den Hauptaktionär.