Az.: 3-5 O 328/08
ISIN: DE0005121701 / WKN: 512170
Antragsgegnerin: ING Direct N.V.
Die I AG ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit Sitz in München, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter der Registernummer HRB XXXX . Das Grundkapital beträgt derzeit EUR 6.593.525 und ist in 6.593.525 nennwertlose, stimmberechtigte Namensaktien eingeteilt.
Die Antragstellerin ist Aktiengesellschaft niederländischen Rechts und in das Handelsregister der Handelskammer in Amsterdam unter der Dossiernummer XXXX eingetragen. Die Antragstellerin ist Holding Gesellschaft der I und unterhält Niederlassungen in mehreren europäischen Ländern.
Am 20.06.2008 veröffentlichte die Antragstellerin ein Übernahmeangebot an die Aktionäre der I AG zum Preis von EUR 64,00 je Ihypaktie, nachdem die BaFin am 19.6.2008 die Veröffentlichung des Angebots gestattet hatte. Die Frist für die Annahme des endete am 24.07.2008, 24.00 Uhr MEZ. Wegen der Einzelheiten des Übernahmeangebots wird auf die zu der Akte gereichte Kopie (Sonderband Anlagen) verwiesen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Angebots hielt die Antragstellerin weder unmittelbar noch über Zurechnung Aktien der I AG. Allerdings hatte die Antragstellerin am 19.5.2008 mit den Herren Ha und Wo eine Vereinbarung getroffen, wonach sich diese verpflichtet hatten, ihren Anteil von zusammen 32,3 % and der I AG der Antragstellerin anzudienen. Bis zum Ende der Annahmefrist am 24.7.2008, 24:00 Uhr (MEZ) wurde das Übernahmeangebot für insgesamt 5.824.351 I Aktien angenommen. Dies entspricht einem Anteil von rund 89,55 % des Grundkapitals und der Stimmrechte an der I AG. Der Erwerb dieser Aktien fand am 31.7.2008 statt. Weiterhin erwarb die Antragstellerin an diesem Tag außerhalb des Angebotsverfahrens außerbörslich zu einem Kaufpreis von EUR 64,00 weitere 70.775 Iaktien, d.h. am 31.7.2008 hielt die Antragsteller 5.895.126 Iaktien. Innerhalb der gesetzlichen weiteren Annahmefrist gem. § 16 Abs. 2 WpÜG bis 16.8.2008 erwarb die Antragstellerin insgesamt weitere 118.757 Iaktien zum Angebotspreis. Das Übernahmeangebot wurde danach innerhalb der Angebotsfristen für insgesamt 5.943.108 Aktien der I AG angenommen, was 90,14 % des Grundkapitals und der Stimmrechte entspricht; zuzüglich den außerhalb des Angebots erworbenen 70.775 Aktien hielt die Antragstellerin nach Ablauf der weiteren Annahmefrist und Abwicklung insgesamt 6.013883 Aktien der I AG, d.h. 91,21 % des Grundkapitals und der Stimmrechte.
Am 10.10.2008 erwarb die Antragstellerin jeweils außerhalb des Angebots außerbörslich insgesamt weitere 170.404 und am 13. 10.2008 insgesamt weitere 208.294 Aktien der I AG.
Die Antragstellerin gab am 13.10.2008 gemäß § 23 As. 1 Satz 1 Nr. 4 WpÜG bekannt, dass sie nunmehr 6.392581 Aktien der I AG halte, d.h. ca. 96,95 % des Grundkapitals und de Stimmrechte der I AG. Wegen der Einzelheiten dieser Bekanntmachung wird auch die zu der Akte gereichte Ablichtung (Sonderband Anlagen) verwiesen.
Weitere 10.085 Iaktien erwarb die Antragstellerin am 14.10.2008 außerhalb des Angebots.
Mit Antragsschrift vom 24.10.2008 – eingegangen bei Gericht am 24.10.2008 – hat die Antragstellerin beantragt, die stimmberechtigten Aktien der I AG, die nicht bereits der I N.V. gehören, werden gegen Gewährung einer Abfindung in Höhe von EUR 64,00 je Stückaktie auf die I N.V. übertragen
Zu diesem Zeitpunkt hielt die Antragstellerin 6.402.666 Aktien der I AG, d.h. 190.859 Aktien dieser Gesellschaft wurden von der Antragstellerin nicht gehalten.
Das Gericht hat den Antrag im elektronischen Bundesanzeiger vom 7.11.2008 – dem satzungsmäßig einzigem Gesellschaftsblatt der I AG – gem. § 39b WpÜG bekannt gemacht.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 39a Abs. 1, Abs. 3 WpÜG vorlägen. Sie sei Inhaber von (über) 95 % des stimmberechtigten Grundkapitals der I AG und sie habe aufgrund des Angebots über 90 % des von Angebot betroffenen Grundkapitals erworben, wobei auch die Erwerbe von den Herren Ha und Wo einzubeziehen seien. Die Vermutung des § 39a Abs. 3 WpÜG sei daher eingetreten, wonach der Angebotspreis von 64,00 EUR eine angemessene Abfindung sei. Diese Vermutung sei auch unwiderleglich. Selbst wenn man von einer widerleglichen Vermutung ausgehen wollte, ergäbe sich durch den sehr hohen Angebotserfolg, dass die im Angebot angebotene Gegenleistung der volle Ausgleich für die Aktien darstelle.
Die Antragsteller sei auch zur Antragsstellung befugt, da sie die 95 % Schwelle des Aktienbesitzes innerhalb der der 3 Monatsfrist des § 39a Abs. 4 WpÜG nach Ablauf der Antragsfrist erreicht habe. Weiteres werde vom Gesetz nicht verlangt. Es sei daher nicht erforderlich, die 95 % innerhalb der Angebotsfrist oder in engen zeitlichen Zusammenhang damit zu erlagen. Zudem sei dieser hier gegeben. Ein Rechtsverlust nach § 59 WpÜG sei nicht eingetreten. Eine Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebots habe zu keinem Zeitpunkt bestanden, zwischen der Antragstellerin und den Herren Ha und Wo habe es nur eine schuldrechtliche Vereinbarung gegeben. Die Übertragung der Aktien sei erst im Rahmen des Angebots erfolgt. Ein Rechtsverlust nach § 28 WpHG sei ebenfalls nicht eingetreten. Die Antragstellerin sei ihren Mitteilungspflichten nach § 28 WpHG nachgekommen. Nebenabreden bei den Erwerben außerhalb des Angebots habe es nicht gegeben, die Aktien seien zu dem Preis von EUR 64,00 je Aktie erworben worden.
Die Antragsgegner haben sich nach Bekanntmachung der Anträge im Bundesanzeiger an Verfahren beteiligt und sind dem Antrag entgegen getreten.
Das LG Frankfurt am Main sei nicht zur Entscheidung zuständig.
Die Antragstellerin sei nicht zur Antragstellung nach § 39a WpÜG befugt, da sie die 95 % Schwelle erst im Oktober 2008, d.h. nicht während des Angebots oder in unmittelbarem engem zeitlichem Zusammenhang damit erreicht habe. Bei der Antragstellerin seien auch ein Rechtsverlust nach § 59 WpÜG und nach § 28 WpHG eingetreten.
Zudem seien die Erwerbe von den Herren Ha und Wo aufgrund der Vorabvereinbarungen bei der Ermittlung, ob 90 % das Übernahmeangebot angenommen hätten, nicht zu berücksichtigen. Es werde bestritten, dass es zu den Erwerben außerhalb der Angebotsfrist keine Nebenabsprachen gebe, bzw. nur ein Preis von EUR 64,00 gezahlt worden sein Die §§ 39a, 39b WpÜG entsprächen nicht der Übernahmerichtlinie. Diese verlange keine unwiderlegliche Vermutung. Es fehlten Schutzmechanismen zugunsten der Minderheitsaktionäre im Gesetz. Die Vermutung des § 39a Abs. 3 WpÜG könne nicht unwiderleglich sein, da eine unwiderlegliche Vermutung verfassungswidrig wäre, da dann kein voller Wertersatz geleistet werden müsse.
Das Gericht sei daher gehalten das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof oder dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Zur Angemessenheit sei ein Sachverständigengutachten einzuholen. Es bestehe ein Informationsgefälle zwischen der Antragstellerin, die eine due diligence bei der I durchgeführt habe und den übrigen Aktionären.
Die übrigen Aktionäre hätten keinen aussagekräftigen Informationen über den Wert der I AG. Jedenfalls sei eine Abfindung in Höhe von EUR 64,00 nicht angemessen. Dies ergebe sich aus überschlägigen Unternehmensbewertungen nach der Ertragswertmethode Die Erfahrungen aus anderen Übernahmen zeigten, dass Preise aufgrund von WpÜG Angeboten unter den tatsächlichen Werten lägen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Das Landgericht Frankfurt am Main ist zunächst gem. § 39a Abs. 5 WpÜG zur Entscheidung über den Antrag berufen. Soweit sich einzelne Antragsgegner darauf beziehen, dass die vom Bundesgesetzgeber hier gewählte bundesweite Zuständigkeitskonzentration gegen die Länderautonomie verstoße und es nur den Ländern möglich sei, mittels Staatsvertrag eine solche länderübergreifende Zuständigkeit zu schaffen, so wird übersehen, dass gem. Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 GG dem Bund u . a. für den Bereich der Gerichtsverfassung und gerichtliches Verfahren die konkurrierende Gesetzgebung zukommt, d. h. er ggf. die Maßstäbe der sachlichen, funktionellen und örtlichen Zuständigkeit definieren kann. Macht er wie vorliegend von diesem Recht durch die Bestimmung eines bundeseinheitlichen Gerichtsstandes für Verfahren nach §§ 39a, 39b WpÜG Gebrauch, so kommt es auf Ländervereinbarungen im Wege eines Staatsvertrages nicht mehr an (so auch OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 9.12.2008 – WpÜG 2/08 – NJW 2009, 375 = NZG 2009, 74).
Der Antrag auf Übertragung der übrigen stimmberechtigten Aktien der I AG gegen Gewährung einer Abfindung in Höhe von EUR 64,00 auf die Antragstellerin ist zunächst zulässig.
Die Antragstellerin ist gem. § 39a Abs. 1 WpÜG antragsbefugt.
Der Antragstellerin gehören nach Durchführung eines Übernahmeangebots mindestens 95 % des stimmberechtigten Grundkapitals der I AG.
Die Antragstellerin hat durch Vorlage einer Bestätigung glaubhaft gemacht, dass sie zum Zeitpunkt der Antragsstellung am 24.10.2008 mit 6.402.666 Aktien in das Aktienregister der I AG eingetragen ist, § 67 AktG, d.h. sie hielt zu diesem Zeitpunkt 97,1 % der Aktien dieser Gesellschaft, nachdem sie zum Zeitpunkt der Bekanntmachung gem. § 23 Abs. 1Satz 1 Nr. 4 WpÜG am 13.10.2008 bereits 6.392.581 Aktien, d.h. 96,95 % gehalten hatte. Die Antragstellerin hat den Antrag am 24.10.2008 auch gem. § 39a Abs. 3 WpÜG innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf des Annahmefrist am 24.7.2008 gestellt, wobei hier dahingestellt bleiben kann, ob für den Fristbeginn der Antragsfrist nicht auf das Ende der weiteren Annahmefrist nach § 16 Abs. 2 WpÜG (so: Geibel/Süßmann WpÜG, 2. Aufl. § 39a Rz. 20 m.w.Nachw.; kritisch: Stöwe, Der übernahmerechtliche Squeeze-out, S. 106)) abzustellen ist. Entgegen der Auffassung einiger Antragsgegner und Stimmen in der Literatur verlangt die gesetzliche Regelung des § 39a WpÜG weder dass die 95 % innerhalb der Angebotsfrist (so Geibel/Süßmann WpÜG, 2. Aufl. § 39a Rz. 8) noch in einem engen und zeitlichen Zusammenhang damit (so Santelmann in Steinmeyer/Häger, WpÜG, 2. Aufl. § 39a Rz. 15; Kießling, Der übernahmenrechtliche Squeeze-out gemäß §§ 39a, 39bWpÜG,S. 50 f;; Deilmann NZG 2007, 721, 722; Meyer WM 2006, 1142;) erreicht sein müssen. Zwar findet sich eine derartige Formulierung des engen zeitlichen Zusammenhangs auch in den Gesetzesmaterialien zu § 39a WpÜG (Begr. RegE BT-Drucks 16/1003 S. 21) doch hat dies im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden. An einen derartigen, im Gesetzestext nicht manifestierten Willen des Gesetzgebers sind die Gerichte nicht nach Art. 20 Abs. 3 und 97 GG gebunden (vgl. BGH, Beschl. v. 26.5.2008 – II ZB 23/07 -; BGH AG 2007, 629-631 = NZG 2007, 675 zur Zulässigkeit von Nebeninterventionen bei der aktienrechtlichen Anfechtungsklage) und es gebietet auch der Respekt vor dem Gesetzgeber nicht die Berücksichtigung dieser im Gesetzgebungsverfahren gemachten Äußerung. Vielmehr bestimmt der Gesetzgeber durch den normativen Gesetzestext unter welchen Voraussetzungen dem Bürger ein Recht zusteht und welchen Inhalt es haben soll (vgl. BVerfG NJW 1989, 666). Die gesetzliche Bestimmung des § 39a WPÜG verlangt aber allein, dass der Antragsteller in einer Frist von 3 Monaten nach Ende der Angebotsfrist den Antrag auf Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre stellen kann, wenn ihm mindestens 95 % des stimmberechtigten Grundkapitals gehören. Auf welcher Grundlage der Antragsteller bis zur Antragsstellung diese Schwelle erreicht, gibt das Gesetz nicht vor (so auch Paefgen WM 2007, 765, 766 m.w.Nachw.). Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus § 39c WpÜG, vielmehr bestätigt dies die Ansicht des Gerichts. Zwar knüpft das dort geregelte Recht des „sell-out“ binnen 3 Monaten zunächst an das Ende der Annahmefrist an, doch wird deutlich, dass auch der Gesetzgeber selbst davon ausgeht, dass innerhalb der Angebotsfrist das Erreichen der 95 % Schwelle nicht zwingend ist, da er die Frist für ein „sell-out“ nach § 39c WpÜG nicht vor der Mitteilung nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 oder Satz 2 WpÜG beginnen lässt. Dies wäre überflüssig, wenn der Bieter die 95 % Schwelle in der Angebotsfrist erreichen müsste.
Für dass Erreichen der 95 % Schwelle ist auch unbeachtlich, ob die Erwerbe nach der Angebotsfrist zu dem Preis des Angebots erfolgten, oder der Bieter hier eine höhere Gegenleistung gewährt hat, so dass das entsprechende Bestreiten einiger Antragsgegner hier unbeachtlich ist. Die hätte zwar Bedeutung für die Frage, ob hier nicht Ansprüche nach § 31 Abs. 4 WpÜG entstanden sind, für die Frage des Erreichens der 95 % Schwelle ist dies jedoch unbeachtlich.
Der Antrag ist auch begründet.
Entgegen der Auffassung einiger Antragsgegner hat die Antragstellerin durch ihr Übernahmeangebot mehr als 90 % des vom Angebot betroffenen Grundkapitals i. S. d. § 39a Abs. 3 WpÜG erworben. Die vorliegend aufgrund der sog. „irrevocable undertakings“ erworbenen Aktien von den Herren Ha und Wo sind in die 90 % Schwelle einzubeziehen. Es kommt hier nicht darauf an, dass die dem Erwerb der Aktien zugrunde liegende Vereinbarung außerhalb des Angebotverfahrens geschlossen wurde. Nach dem Wortlaut des § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG sind solche Aktien zu berücksichtigen, die der Bieter „aufgrund des Angebots“ erworben hat. Dies ist bei den sog. „irrevocable undertakings“ hier der Fall, weil hier erst die Aktien aufgrund des formellen Angebotverfahrens an die Antragstellerin veräußert und übertragen wurden (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 9.12.2008 – WpÜG 2/08a.a.O.; Kammerbeschluss vom 5.8.2008 – 3-05 O 15/08 – NZG 2008, 665). Der Kaufpreis richtet sich nach dem Gegenwert, der auch für die übrigen Aktionäre gilt (vgl. Paefgen WM 2007, 765; Ott WM 2008, 384, 389). Es ist auch nicht ersichtlich und wird von den Antragsgegnern auch nicht substantiiert dargetan, dass weitere Gegenleistungen über Nebenabreden vereinbart und geflossen sind.
Dem Antrag steht weder ein Rechtsverlust nach § 59WpÜG noch nach § 28WpHG entgegen. Derartige Rechtsverluste sind bei der der Antragstellerin nicht erkennbar.
Die Vereinbarung mit den Herren Ha und Wo hat nicht zu einem Kontrollerwerb geführt, der ein Pflichtangebot nach § 35 WpÜG erforderlich gemacht hätte. Dies ist erst gem. § 35 Abs. 1 WpÜG erst erforderlich, wenn ein Kontrollerwerb i.S.d. § 29 Abs. 2 WpÜG stattgefunden hat, d.h. der 30 % der stimmrechte an der Zielgesellschaft gehalten werden. Ein „Halten“ der Stimmrechte bedingt aber, dass der Bieter Eigentümer der fraglichen Aktien geworden ist (vgl. Holst in Heidel Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 29 WpÜG Rz. 2 m.w.Nachw.). Eigentum geht aber erst im Rahmen eines dinglichen Vollzugs über, nicht bereits mit einer schuldrechtlichen Übertragungsverpflichtung. Die dingliche Übertragung der Aktien der Herren Ha und Wo fand hier aber erst im Rahmen des Vollzugs des Übernahmeangebots statt. Ein Pflichtangebot war daher nach § 35 Abs. 3 WpÜG nichterforderlich.
Auch in Verstoß gegen Meldepflichten nach §§ 21, 22 WpHG ist nicht feststellbar.
Gemäß § 28 WpHG verliert der Meldepflichtige die aus der Aktie resultierenden Mitverwaltungs- und Vermögensrechte dann, wenn die Meldepflicht gemäß §§ 21, 22 WpHG nicht erfüllt wird. Soweit Antragsgegner einen Verstoß gegen Meldepflichten durch Bezugnahme auf der von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im Internet veröffentlichten Meldelage begründen wollen, hat dies schon deshalb keinen Erfolg, weil diese Internetveröffentlichungen keinen Rückschluss auf die Meldungen erlauben, worauf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht selbst hinweist.
Die Antragstellerin hat dargelegt und durch entsprechende Unterlagen (Anlage 11 Bl. 337 f d. A.) belegt, dass die Meldepflichten erfüllt worden sind. Dem sind die Antragsgegner auch nicht mehr substantiiert entgegen getreten.
Soweit aus dem Internetauftritt der BaFin sich ggf. für bestimmte Zeitpunkte noch von den vorgelegten Meldungen abweichende Beteiligungsquoten ergeben haben sollte kommt es hierauf nicht an (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 5.11.2007 – 5 W 22/07 -; Kammerurteil v. 18.3.2008 – 3-05 O 211/07 -), die BaFin weist selbst in ihrem Internetauftritt darauf hin, dass es regelmäßig bei der Veröffentlichung der gemeldeten Stimmrechtsanteile in der Stimmrechtsdatenbank zu Verzögerungen komme, und die Datenbank daher in keinen Fall als Nachweis dafür dienen kann, dass die Mitteilungspflichten erfüllt oder nicht erfüllt worden sind.
Bei der beantragten Übertragung für die Angemessenheit der Abfindung kann sich die Antragstellerin auf die gesetzliche Vermutung berufen, dass der Preis des Angebots von EUR 64,00 je Stückaktie auch im Rahmen der Aktienübertragung nach § 39a Abs. 1 WpÜG durch Gerichtsbeschluss ein angemessener Preis ist, wobei grundsätzlich die Vermutung einer marktpreisorientierten Angemessenheitsvermutung nicht zu beanstanden ist (vgl. hier im Einzelnen: Stöwe – Der Übernahmerechtliche Squeeze-out -, Europ. Hochschulschriften Bd./Vol. 4628, S. 63 ff, 97 ff m.w.Nachw.).
Nach § 39a Abs. 3 WpÜG ist die im Rahmen des Übernahme- oder Pflichtangebots gewährte Abfindung als angemessene Abfindung anzusehen, wenn der Bieter auf Grund des Angebots Aktien in Höhe von mindestens 90 % des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erworben hat. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob es sich hier um eine unwiderlegliche Vermutung (so: Steinmeyer in Häger/Santelmann WpÜG 2. Aufl. § 39a Rz. 25; Hörmann/Feldhaus BB 2008, 2035; Dieckmann NJW 2007, 17, 20; Holzborn BKR 2007, 101, 106) handelt. Selbst wenn man es als eine widerlegliche Vermutung ansehen wollte (so: Kammerbeschluss vom 5.8.2008 – 3-05 O 15/08 – a.a.O., offen gelassen in der Beschwerdeentscheidung hierzu durch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschl. v. 9.12.2008 – WpÜG 2/08 – a.a.O.) wäre die Vermutung hier nicht entkräftet.
Die gegebene vermutete Angemessenheit der Abfindung wegen Erreichens des Quorums nach § 39a Abs. 3 S. 3 WpÜG ist aufgrund des Vorbringens der Antragsgegner nicht erschüttert. Es sind von ihnen keine konkreten Anhaltspunkte vorgebracht worden, wonach EUR 64,00 je Stückaktie keine angemessene Abfindung sind. Diese Anhaltspunkte ergeben sich zunächst nicht aus den Überlegungen und Darlegungen einiger Antragsgegner, dass in einer Vielzahl von aktienrechtlichen Ausschlussverfahren, denen ein Übernahmeangebot voraus ging, eine höhere Abfindung festgelegt wurde, als es dem Übernahmeangebot entsprach. Derartige behauptete allgemeine Erfahrungen können eine konkrete Vermutung nicht erschüttern. Vielmehr ist für eine derartige Erschütterung auf konkrete, die Zielgesellschaft betreffende Umstände abzustellen, aus denen sich der die fehlende Angemessenheit der Abfindung aufdrängt. Unabhängig davon, ob hier betriebswirtschaftliche Bewertungsmodelle überhaupt geeignet sind, die Vermutung des § 39a Abs. 3 S. 3 WpÜG zu erschüttern (ablehnend OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 9.12.2008 – WpÜG 2/08 – a.a.O.) sind die von einigen Antragsgegnern vorgebrachten (überschlägigen) Bewertungsannahmen, die auf der Ertragswertmethode beruhen, nicht geeignet, konkrete Anhaltspunkte für die Unangemessenheit der Bewertung zu erbringen. Diese Überlegungen blenden völlig die derzeitige wirtschaftliche Situation im Bankensektor aus, indem sie von den Erträgen der Vergangenheit (bis 2007) ein ständiges Wachstum der ausschüttbaren Erträge der I AG unterstellen. Die absehbare künftige Ertragslage der Banken allgemein und der I ist jedoch allgemeinkundig eine andere. Wie der sich z. B. aus einer Pressemitteilung der I AG zum 3. Quartal 2008 vom November 2008 ergibt, lag das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT bei 5,0 Millionen Euro (Q3 2007: 5,4 Mio. EUR) und der Nettogewinn erreichte 2,8 Millionen Euro (Q3 2007: 3,4 Mio. EUR), d. h. ist rückläufig.
Diese Vermutung wird auch nicht dadurch entkräftet, indem einzelne Antragsgegner geltend machen, dass weitere Gegenleistungen über Nebenabreden für die Erwerbe von den Herren Ha und Wo vereinbart und geflossen seien, bzw. bestritten wird, dass die erwerbe der Antragsteller nach Ende der Angebotfrist zu EUR 64,–je Aktien erfolgten. Das entsprechende Vorbringen einzelner Antragsgegner ist nicht durch tatsächliche Anhaltspunkte belegt, erscheint vielmehr aus der Luft gegriffen und ins Blaue hinein erfolgt. Ein solches dem Ausforschungsbeweis dienendes Vorbringen ist auch im echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit unbeachtlich und zwingt das Gericht nicht im Wege der Amtsermittlung diese Umstände aufzuklären, zumal grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin sich rechtstreu verhalten hat und ihrer gesetzlichen Verpflichtung aus § 23 Abs. 2 WpÜG zutreffend nachgekommen ist. Es bleibt daher bei der gesetzlichen Vermutung der Angemessenheit, ohne dass es darauf ankommt, ob im Verfahren nach §§ 39a, 39b WpÜG überhaupt eine Beweiserhebung zum Wert der Zielgesellschaft statthaft wäre (verneinend: Kammerbeschluss vom 5.8.2008 – 3-05 O 15/08 – a.a.O.).
Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof oder und das Bundesverfassungsgericht scheidet mangels Entscheidungserheblichkeit aus. Mangels dargelegter oder sonst erkennbarer Umstände, dass die gesetzliche Vermutung der Angemessenheit der Preises durch den Markttest im Rahmen des Übernahmeangebots (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.) nicht eine angemessen Abfindung darstellt, ist nicht feststellbar, dass hier die Minderheitsaktionäre in ihrem Eigentumsrecht unstatthaft beeinträchtigt würden, d.h. es fehlt hier eine Entscheidungserheblichkeit. Auch aus Art. 15 der Übernahmerichtlinie (R 04/25), die mit den §§ 39a f WpÜG umgesetzt werden sollte, folgt nicht, dass es dem Gesetzgeber verwehrt wäre, hier eine gesetzliche Vermutung anzunehmen, vielmehr wird dies in dieser Richtlinie geradezu vorgegeben. Für das Gericht ist auch nicht ersichtlich, dass bei der Frage, ob der Antragsteller in der Angebotsfrist die 95 % Schwelle erreichen muss oder es genügt, wenn diese in der 3 Monatsfrist zur Antragstellung erfolgt, verfassungsrechtliche oder europarechtliche Fragen tangiert würden. Es handelt sich hierbei nur um die verfahrensrechtliche Frage der Zulässigkeit des Antrags. Für die Frage, ob die Minderheitsaktionäre in ihrer Eigentumsstellung unangemessen beeinträchtigt werden, ist dieser verfahrensrechtliche Aspekt ohne Bedeutung. Auch aus den Art. 15 und 16 der Übernahmerichtlinie (R 04/25) ergibt sich nichts zu der Frage des Verfahrens, diese regeln nur materielle Voraussetzungen (vgl. hierzu Kießling a.a.O. S. 165 m.w.Nachw.).
Ergänzend zum Antrag hat das Gericht ausdrücklich eine Zug um Zug Übertragung gegen Zahlung der Abfindung ausgesprochen. Wenn sich auch nach Ansicht des Gerichts zwar schon diese Zug um Zug Übertagung aus dem entsprechenden gerichtlichen Ausspruch „der Übertragung gegen Abfindung“ ergibt hält die Kammer jedoch zur Klarstellung einen ausdrücklichen Ausspruch zur Sicherung des Art. 15 V Übernahmerichtlinie (R 04/25), dass die Mitgliedstaaten sicherstellen „dass eine angemessene Abfindung garantiert wird“ für geboten (vgl. hierzu Heidel/Lochner in Heidel Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. § 39 WpÜG Rz. 27), zumal die Antragstellerin ihren Sitz im Ausland hat und es den Minderheitsaktionären nicht zumutbar ist nach erfolgter Übertragung ggf. die Abfindung vor ausländischen Gerichten geltend zu machen. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist auch das Gericht nicht zwingend an den gestellten Antrag gebunden (vgl. BGH NJW 1983, 173)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 39b Abs. 6 Satz 7 und 8 WpÜG. Danach ist in allen Fällen der Antragsteller Schuldner der Gerichtskosten.
Weiter findet danach eine Kostenerstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner durch den Antragsteller grundsätzlich nicht statt, es sei denn, die Billigkeit gebietet eine andere Entscheidung. Dies ist hier nicht der Fall, zumal die Antragsgegner in der Sache ohne Erfolg blieben.
Die Bestimmung des Geschäftswerts für das Gericht ergibt sich aus § 39b Abs. 6 Satz 5 WpÜG. Danach richtet sich der Geschäftswert nach dem Betrag, der dem Wert aller Aktien entspricht, auf den sich der Ausschluss beziehen, mindestens jedoch 200.000,– EUR und höchstens 7,5 Mio. EUR. Es sind von dem beantragten Ausschluss der Minderheitsaktionäre 190.859 Stückaktien zu je EUR 64,00 betroffen, wodurch sich der Höchstgeschäftswert von EUR 7,5 Mio. ergibt. Die Bestimmung des Geschäftswertes für die anwaltlich vertretenen Antragsgegner gem. § 31a RVG konnte mangels Antrags nach § 33 RVG nicht erfolgen.