Az.: 39 O 129/06 AktE
ISIN: DE0005873004 / WKN: 587300
Hauptversammlung: 13.05.2003
Antragsgegnerin: Gerresheimer Glas GmbH
Tenor
Die angemessene Barabfindung für die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der Aaaaaa auf die Hauptaktionärin wird auf 19,40 € je Stückaktie festgesetzt. Der Betrag ist ab dem 12.06.2003 mit 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Die Anträge gegen die Antragsgegnerin zu 1) werden zurückgewiesen.
Die Anträge der Antragsteller zu 2), 3), 5), 7), 12), 28), 29), 31) werden als unzulässig zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin zu 2) trägt die Gerichtskosten, die Kosten des gemeinsamen Vertreters sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller 2), 3), 5), 7), 12), 28), 29), 31) die ihre Kosten selbst zu tragen haben.
Die Antragsgegnerin zu 1) trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über die Angemessenheit der Barabfindung nach einem Squeeze out.
Die Antragsteller waren – jedenfalls überwiegend – Aktionäre der Antragsgegnerin zu 1). Gegenstand des Unternehmens der Antragsgegnerin zu 1) ist die Herstellung und der Verkauf von Glaswaren aller Art und dazugehöriger Nebenprodukte, die Herstellung und die Ver- und Bearbeitung von Kunststoffen und der Verkauf daraus hergestellter Erzeugnisse sowie die Herstellung und der Verkauf von sonstigen Verpackungsmitteln. Das Grundkapital der Antragsgegnerin zu 1) beträgt 58.031.628,52 € und ist eingeteilt in 22.700.000 Stückaktien. Die Antragsgegnerin zu 2) war zuletzt Mehrheitsaktionärin der Antragsgegnerin zu 1) und hielt 2003 98,56 % der Aktien.
Am 14.09.2000 stimmte die Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1) dem Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit der Antragsgegnerin zu 2) zu, der eine Barabfindung der Minderheitsaktionäre von 14,75 € und einen Ausgleich von 0,84 € jährlich je Stückaktie vorsah. Die Überprüfung dieser Entschädigungen ist Gegenstand des Verfahrens 39 O 132/06 AktE.
Mit Pressemitteilung vom 27.02.2003 gaben die Antragsgegnerinnen ihre Absicht bekannt, die Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin, d. h. die Antragsgegnerin zu 2), zu übertragen. In der Hauptversammlung vom 13.05.2003 wurde die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre gegen Barabfindung von 16,12 € je Stückaktie auf die Hauptaktionärin beschlossen. Der Beschluss wurde am 04.06.2003 im Handelsregister der Antragsgegnerin zu 1) eingetragen und am 11.06.2003 im elektronischen Bundesanzeiger sowie am 12.06.2003 im Bundesanzeiger, dem Gesellschaftsblatt der Antragsgegnerin zu 1) bekannt gemacht.
Die festgesetzte Barabfindung war durch die Bbbbb Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden: Cccccc) ermittelt und von der gerichtlich bestellten Ddddd Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden: Eeeee) bestätigt worden.
Die Antragsteller und der gemeinsame Vertreter halten die festgesetzte Barabfindung für zu gering und erstreben die Festsetzung einer höheren Barabfindung. Unter anderem machen sie geltend, der Bewertung sei die Fassung des IDW S 1 zur Zeit des Bewertungsanlasses und nicht eine spätere Fassung zugrunde zu legen. Eine Plananpassung des Managements, durch die das Konzernergebnis um 8 Millionen jährlich verringert worden sei, sei rückgängig zu machen. Die Plananpassungen seien zur Reduzierung der Abfindung an die Minderheitsaktionäre erfolgt. Die Pensionsrückstellungen seien fehlerhaft behandelt worden. Die Abschreibung auf den Firmenwert bei der Tochtergesellschaft Fffff sei bei der Unternehmensbewertung nicht zu berücksichtigen gewesen. Bei dem nicht betriebsnotwendigen Vermögen seien die Erbpachtgrundstücke zu gering bewertet worden. Weiterhin erheben die Antragsteller Einwendungen gegen alle Faktoren des Kapitalisierungszinssatzes. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Antragsteller und des gemeinsamen Vertreters Bezug genommen.
Die Antragsteller und der gemeinsame Vertreter beantragen,
die Festsetzung einer (höheren) angemessenen Barabfindung.
Die Antragsgegnerinnen beantragen,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerinnen bestreiten die Antragsberechtigung zahlreicher Antragsteller und machen geltend, die Bewertung durch die Wirtschaftsprüfungsunternehmen Cccccc und Eeeee seien zutreffend gewesen. Der Ertragswert sei auf der Basis des IDW S 1 neuester Fassung zu ermitteln. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Antragserwiderung sowie die weiteren Schriftsätze der Antragsgegnerinnen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten und Anhörung des Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten vom 31.05.2012 und 02.10.2015 (Bl. 372 ff., 858 ff. d. A.) sowie die Sitzungsniederschrift zur Anhörung des Sachverständigen Ggggg vom 06.11.2015 (Bl. 939 ff. d. A.) verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
Die Rechtslage richtet sich nach den vor dem 01.09.2003 geltenden Gesetzen.
Die Anträge haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
I.
Die Anträge sind mit den im Tenor aufgeführten Ausnahmen zulässig.
1.
Die Anträge der Antragsteller 12), 28), 29), 31) sind unzulässig, weil sie ihre Antragsberechtigung nicht nachgewiesen haben. Die Antragsberechtigung setzt voraus, dass die Antragsteller zur Zeit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses im Handelsregister, d. h. am 04.06.2015, Inhaber von Aktien der Antragsgegnerin zu 1) waren.
Die vorgenannten Antragsteller haben keinen Beleg dafür, dass sie an diesem Zeitpunkt Aktionäre der Antragsgegnerin zu 1) waren, vorgelegt, obwohl die Antragsgegnerinnen ihre Antragsberechtigung bereits in der Antragserwiderung vom 05.07.2004 bestritten haben (Bl. 73 ff. d. A.) und sie vom Gericht in den Beschlüssen vom 14.07.2015 und 26.11.2015 (Bl. 832 ff. d. A., 1001 ff. d. A.) auf den fehlenden Nachweis der Antragsberechtigung hingewiesen wurden.
Dass die Antragstellerin hhhhh wegen Ablaufs der Aufbewahrungsfrist keine Nachweise mehr vorlegen kann, ist unerheblich, denn sie hatte bereits seit dem Bestreiten ihrer Antragsberechtigung in der Antragserwiderung hinreichend Anlass und Zeit, Unterlagen zu beschaffen.
2.
Die übrigen Antragsteller haben ihre Antragsberechtigung nachgewiesen.
Die im Beschluss vom 14.07.2015 erwähnten Antragsteller zu 8) bis 11) und Ppppp haben nach Zugang des Beschlusses Nachweise vorgelegt (Bl. 845 ff. d. A.). Die weiteren Antragsteller, deren Antragsberechtigung die Antragsgegnerinnen in der Antragserwiderung bestritten haben, haben ebenfalls bei Antragstellung oder später nachgewiesen, dass sie im maßgeblichen Zeitpunkt Aktionäre der Antragsgegnerin zu 1) waren:
Die Antragsteller zu 1, 17, 22, 34 und 39 haben Bankbescheinigungen vorgelegt, in denen bescheinigt wurde, dass sie am 04.06.2003 Aktien der Antragsgegnerin zu 1) hielten.
Die übrigen Antragsteller haben die Bankabrechnungen nach Vollzug des Squeeze out vorgelegt. Daraus ergibt sich zwar nicht, dass sie die Aktien am Tage der Eintragung im Handelsregister (04.06.2003) hielten, sondern dass sie bei Vollzug des Squeeze out (in der Regel am 11.06.2003) Aktionäre waren. Diese Abrechnungen genügen dennoch ausnahmsweise zum Nachweis der Antragsberechtigung. Zum einen ist es wenig wahrscheinlich, dass die Aktionäre die Aktien erst im Zeitraum zwischen Eintragung und Vollzug des Squeeze out erworben haben, weil der Zeitraum nur kurz war. Zum anderen haben die Antragsgegnerinnen bei anderen Antragstellern, die ihre Antragsberechtigung ebenfalls mit den Verkaufsabrechnungen belegt haben, zum Beispiel bei den Antragstellern 4, 6 und 15 die Aktionärseigenschaft nicht bestritten, sondern die Verkaufsabrechnung offenbar als ausreichenden Nachweis angesehen. Ein Grund, die anderen Aktionäre abweichend zu behandeln, ist nicht erkennbar.
II.
Die Anträge gegen die Antragsgegnerin zu 1) waren zurückzuweisen, weil diese Antragsgegnerin nicht am Verfahren zu beteiligen war. Nach § 327a AktG schuldet nämlich der Hauptaktionär, also die Antragsgegnerin zu 2), die Abfindung und nicht die Gesellschaft, deren Aktien auf den Hauptaktionär übertragen werden, also die Antragsgegnerin zu 1). Soweit nach § 306 Abs. 4, Abs. 5 und Abs. 7 AktG a.F. beide Vertragsteile des Unternehmervertrages am Spruchverfahren zu beteiligen sind, gilt das nicht für die Übertragung der Aktien nach einem Squeeze out. Während nämlich bei der Bestimmung der Abfindung nach einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der Entscheidung des Gerichts eine vertragliche Abfindungsvereinbarung geändert wird, von der beide Vertragsteile betroffen sind, wird im Spruchverfahren nach einem Squeeze out nur über die Abfindungsverpflichtung des Hauptaktionärs entschieden, die von diesem vorgegeben ist und mit der Gesellschaft nicht vereinbart war (BGH AG 2016, 135, 139).
III.
Die Anträge haben Erfolg, weil die Barabfindung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu erhöhen ist. Die angemessene Barabfindung beträgt nämlich 19,40 €.
Nach § 327 a Abs. 1 Satz 1 AktG kann die Hauptversammlung einer Gesellschaft die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung beschließen. Angemessen ist eine Abfindung, die dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung für den Wert seiner Beteiligung am Unternehmen verschafft. Die Angemessenheit ist unter Berücksichtigung des Unternehmenswerts und – je nach Umständen – des Börsenwerts zu ermitteln. Im vorliegenden Fall ist als Unternehmenswert der Ertragswert (19,40 €) zugrunde zu legen, weil er den Börsenwert (15,74 €) übersteigt.
Das Gericht geht – weitgehend in Übereinstimmung mit den gerichtlich bestellten Sachverständigen – von einem Ertragswert von 19,40 € aus. Das Gericht hat ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Iiiiii eingeholt und nach deren Umstrukturierung den seinerzeit bei dieser tätigen Wirtschaftsprüfer Ggggg angehört, der hierbei auf die von Iiiiii genutzten Unterlagen zurückgreifen konnte. Die Sachverständigen haben sich bereits im schriftlichen Gutachten ausführlich mit den Einwendungen der Antragsteller gegen den Unternehmenswert befasst und die Ableitung des Unternehmenswerts ausführlich und überzeugend begründet. Der Sachverständige Ggggg hat in seiner Anhörung zu den Einwendungen der Beteiligten Stellung genommen, so dass Unklarheiten in der Anhörung geklärt wurden. Alle Beteiligten hatten auch Gelegenheit, diese durch Rückfragen beim Sachverständigen zu klären.
1.
Die von den Sachverständigen angewendete Ertragswertmethode ist ein zur Ermittlung des Unternehmenswerts allgemein anerkanntes Bewertungsverfahren (zum Beispiel OLG Düsseldorf NZG 2004, 622, 623).
Der Wert ist, wie von den Sachverständigen vorgeschlagen, nach dem IDW S 1 in der Fassung 2005 zu ermitteln; weitere Änderungen des IDW wirken sich nach den Ausführungen der Sachverständigen im vorliegenden Fall nicht aus.
Die lange Zeit streitige Frage, ob die Ermittlung des Ertragswerts nach der zur Zeit des Bewertungsanlasses geltenden Fassung des IDW oder der zur Zeit der Entscheidung geltenden Fassung durchzuführen ist, hat der BGH im Beschluss vom 29.09.2015 (AG 2016, 135 ff.) dahin entschieden, dass jeweils die neueste Fassung anzuwenden ist. Das Gericht geht daher in Übereinstimmung mit den Sachverständigen davon aus, dass der Wert auf der Basis des IDW Fassung 2005 zu ermitteln ist.
2.
Die Einwendungen der Beteiligten gegen die Unternehmensbewertung der gerichtlich bestellten Sachverständigen greifen überwiegend nicht durch. Die Sachverständigen haben vielmehr ihre Wertansätze überzeugend begründet. Das Gericht folgt daher mit der nachfolgend beschriebenen Ausnahme den Gutachten.
a) Planungen
Die Sachverständigen haben bei der Ableitung der zu kapitalisierenden Ertragsüberschüsse die Planung der Antragsgegnerin zu 1) übernommen, bei der das Management das Konzernergebnis, das sich aus den Einzelplanungen der Konzerngesellschaften ergab, um 8 Millionen Euro verringert hat (Seite 131 des Gutachtens, Blatt 512 d. A.). Die Antragsteller wenden sich gegen diese Plananpassung zu ihren Lasten, weil sie zu pessimistisch sei, nicht zum Stichtag angelegt sei und zur Verminderung ihrer Abfindung erfolgt sei.
Die Sachverständigen haben die Plananpassungen durch das Management zu Recht bei der Begutachtung übernommen. Es haben sich, wie der Sachverständige bei der Anhörung nochmals betont hat, keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Anpassungen alleine zur Verminderung der Abfindung erfolgt sind. Mit den Sachverständigen ist vielmehr davon auszugehen, dass diese Anpassung plausibel ist, denn die Ist-Ergebnisse der Jahre 2000/2001 und 2001/2002 lagen noch unter den Planergebnissen. Schon das spricht dafür, dass die Plananpassungen des Managements auf zutreffenden Grundlagen und realistischen Annahmen beruhten. Der Sachverständige hat in der Anhörung nochmals verdeutlicht, dass die Planungen in einem regelmäßigen Prozess erstellt wurden und die Plananpassungen u. a. durch Ergebnisverfehlungen in dieser Größenordnung in der Vergangenheit belegt waren.
Soweit Rechtsanwalt Jjjjjj in der Anhörung des Sachverständigen die Frage aufgeworfen hat, auf wen Plananpassungen zurückzuführen sind, ergibt sich aus Seite 131 des Gutachtens (Bl. 112 d. A.), dass die Korrektur um 8 Millionen Euro vom Management ausging. Soweit die Sachverständigen nicht mehr feststellen konnten, ob weitere Plananpassungen auf die Antragsgegnerin zu 1) oder den Bewertungsgutachter zurückzuführen waren (Seite 95 d. Gutachtens, Bl. 476 d. A.) kann in dem Umfang, in dem die gerichtlich bestellten Sachverständigen die Planungsänderungen für plausibel gehalten haben, dahinstehen, ob die Änderungen vom Vorstand oder vom Bewertungsgutachter veranlasst worden sind. Zwar ist der Bewerter gemäß Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12.11.2015 (AG 2016, 329 ff.) gehalten, eine unplausible Planung durch den Vorstand korrigieren zu lassen, bevor er seine eigene Planung der Bewertung zugrunde legt. Wie in der Anhörung jedoch deutlich wurde, waren die Planungen der Gesellschaft teilweise überholt und bedurften der Anpassung. Eine Beteiligung des Vorstands war bei der gerichtlichen Begutachtung wegen des Zeitablaufs und der Umstrukturierungen nicht mehr möglich. Die Sachverständigen haben in den ihnen zur Verfügung gestellten Informationen ausreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Anpassung gefunden. Insgesamt haben sich die Sachverständigen, wie auch in der Anhörung deutlich wurde, ausführlich mit den Planungen der Antragsgegnerin zu 1) sowie den nachfolgenden Plananpassungen befasst, so keine Veranlassung besteht, von ihrem ausführlichen und sorgfältig begründeten Ergebnis abzuweichen.
b) Pensionsrückstellungen
Die Pensionsrückstellungen der Antragsgegnerin zu 1) sind bei der Ermittlung des Unternehmenswertes zutreffend berücksichtigt worden.
Die Sachverständigen sind dem Bewertungsgutachter gefolgt, der bei einem Teil der Gesellschaften von einer Verminderung der Pensionsrückstellungen und einer wachsenden Finanzierungslücke, die durch Aufnahme von Fremdkapital zu schließen war und im Übrigen von einem Gleichgewichtszustand von Aufwendungen für Altersversorgung und Pensionszahlungen ausging. Rechtsanwalt Kkkkk wendet dagegen ein, dass diese Aufwendungen in den Planansätzen der Personalaufwendungen enthalten seien. Rechtsanwalt Llllll hat moniert, dass die Pensionsrückstellungen wie Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten behandelt worden seien, was falsch sei, weil diese reduziert werden könnten, wenn die Gesellschaft in finanzielle Schwierigkeiten gerate; das sei bei der Berechnung des Kapitalstrukturrisikos zu berücksichtigen. Der Sachverständige Ggggg hat in seiner Anhörung überzeugend ausgeführt, dass die Abbildung des Altersversorgungsaufwands im Bewertungsmodell durch zahlreiche Unterlagen belegt worden sei und die Bewertung der üblichen Bewertungspraxis folge (Seite 8 ff., 32 des Protokolls, Blatt 945 ff., 970 ff. d. A.).
c) Abschreibung auf den Firmenwert fffff
Die Sachverständigen haben den Einzelabschluss der Fffff berücksichtigt, der eine Abschreibung auf den Firmenwert der Betriebsstätte Mmmm enthält (Seite 103 d. Gutachtens, Bl. 484 d. A.). Mehrere Antragsgegner halten die Berücksichtigung der Abschreibung bei der Unternehmensbewertung für fehlerhaft. Der Sachverständige Ggggg hat in seiner Anhörung dazu erläutert, dass bei der Unternehmensbewertung berücksichtigt wurde, dass Abschreibungen wie die vorliegende nicht zahlungswirksam sind (Seite 9 des Protokolls, Blatt 947 d. A.).
d) Nicht betriebsnotwendige Immobilien
Die Sachverständigen sind bei der Ermittlung des Werts der Erbpachtgrundstücke dem Bewertungsgutachter gefolgt, der einen Marktgängigkeitsabschlag von 50 % auf den Verkehrswert der Erbbaugrundstücke vorgenommen hat. Mehrere Antragsteller halten den Marktgängigkeitsabschlag für nicht nachvollziehbar.
Das Gericht hält diesen Einwand für berechtigt. Die Sachverständigen haben zwar ausgeführt, dass Erbbaugrundstücke in der Regel mit erheblichen Abschlägen gehandelt werden. Daraus folgt jedoch nicht, dass im vorliegenden Fall ein Abschlag berechtigt ist, denn bei der Ermittlung des Verkehrswerts wurde nach den Angaben des Sachverständigen das Erbpachtrecht bereits berücksichtigt (Seite 30 des Protokolls, Blatt 968 d. A.). Ein weiterer Abzug leuchtet daher nicht ein. Nach den Berechnungen des Sachverständigen Ggggg im Gutachten vom 02.10.2015 erhöht sich die Abfindung um 5 Cent je Stückaktie, wenn der Abzug unterbleibt.
Anders als im Parallelverfahren ist im vorliegenden Fall keine Rücklage mehr zu berücksichtigen, so dass sich der Unternehmenswert um 5 Cent erhöht.
e) Kapitalisierungszinsen
Das Gericht folgt den Annahmen der Sachverständigen bei der Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes. Die Sachverständigen gehen von einem Basiszinssatz von 5,0 % vor und 3,25 % nach Abzug von Ertragssteuern, einer Marktrisikoprämie von 4,5 % und einem Betafaktor zwischen 0,58 im Geschäftsjahr 2004/2005 und 0,64 im Geschäftsjahr 2002/2003 sowie einem Wachstumsabschlag von 1 % aus.
Die Einwendungen der Parteien gegen die Ermittlung der Kapitalisierungszinsen greifen nicht durch. Im schriftlichen Gutachten haben die vom Gericht bestellten Sachverständigen ausführlich begründet, wie sie die einzelnen Elemente des Kapitalisierungszinssatzes ermittelt haben. Dass die Verfahrensbeteiligten andere, ihrem jeweiligen Standpunkt günstigere Werte bevorzugen, macht die Ergebnisse der Sachverständigen nicht falsch.
Im Einzelnen:
Die Sachverständigen haben nach umfassender Auswertung von Marktdaten einen Basiszins von 5,0 % gegenüber 5,5 % im Bewertungsgutachten von Cccccc ermittelt. Dabei haben sie aus der Marktanalyse eine Tendenz zu sinkenden Zinsen ermittelt.
Entgegen der Annahme der Antragsgegnerinnen sind die Sachverständigen nicht an den in den Bewertungsgutachten ermittelten Basiszinssatz gebunden, sondern haben den objektiv zutreffenden Basiszinssatz zu ermitteln.
Die Sachverständigen sind bei der Marktanalyse von zutreffenden Annahmen ausgegangen.
Die Antragsgegnerinnen monieren, dass die Sachverständigen für die Ermittlung monatsdurchschnittlicher Renditen von öffentlichen Anleihen mit Restlaufzeiten von über 9 bis zu 10 Jahren sowie von über 15 Jahren unterschiedliche Zeiträume (Januar 1977 bis Mai 2003 bzw. 1988 bis Juni 2006) zugrunde gelegt haben und der zuletzt genannte Zeitraum 3 Jahre über den Bewertungsstichtag hinausgeht. Der Sachverständige Ggggg hat in seiner Anhörung klargestellt, dass nur der Bewertungszeitraum bis zum Stichtag berücksichtigt wurde; soweit sich aus dem Gutachten etwas anderes ergebe, handele es sich um ein Redaktionsversehen. Die Auswahl unterschiedlicher Zeiträume hat er überzeugend damit erklärt, dass Anleihen über einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren erst in dem von den Sachverständigen zugrunde gelegten Zeitraum ausgegeben wurden, während es Anleihen mit einer geringeren Laufzeit schon vorher gegeben hat (Seite 11 ff. d. Protokolls, Blatt 949 ff. d. A.).
Die Sachverständigen haben den Basiszinssatz nach einer Gesamtschau zahlreicher denkbarer Parameter ermittelt und damit der Marktsituation Rechnung getragen. Die Kammer hat daher keine Bedenken, dem zu folgen.
Die Ermittlung des Risikozuschlags nach CAPM bzw. Tax CAPM ist nach der Rechtsprechung methodisch nicht zu beanstanden (zum Beispiel OLG Düsseldorf AG 2016, 329, zitiert nach Juris Rdnr. 52). Die Sachverständigen haben nach Auswertung der vorhandenen Erkenntnisse eine Marktrisikoprämie von 4,5 % nach und von 3,5 % vor Steuern ermittelt. Die Höhe haben die Sachverständigen aus den von ihnen herangezogenen Kapitalmarktdaten nachvollziehbar abgeleitet. In der Anhörung (Seite 35 ff. d. Sitzungsniederschrift, Blatt 973 ff. d. A.) hat der Sachverständige die Ermittlung nochmals überzeugend erläutert.
Soweit die Antragsgegnerinnen die Frage aufgeworfen haben (Seite 39 d. Protokolls, Bl. 977 d. A.), ob das Ergebnis dadurch verfälscht werde, dass bei den von den Sachverständigen unter anderem genutzten DAI-Studien bestimmte Zeiträume über- oder untergewichtet wurden, rechtfertigt das keine Zweifel an der Ableitung der Sachverständigen. Sie haben das Ergebnis aus einer Vielzahl von Studien unterschiedlicher Herkunft ermittelt und das Ergebnis nicht mathematisch abgeleitet, so dass sich etwaige Über- oder Untergewichtungen relativiert haben müssen.
Das Gericht folgt den Sachverständigen auch bei der Bemessung des Beta-Faktors. Die Sachverständigen haben zu Recht den Betafaktor der Antragsgegnerin zu 1) nicht berücksichtigt. Dieser Betafaktor ist nicht aussagekräftig, weil die Kursentwicklung allein von den Strukturmaßnahmen und den vorbereitenden Aktienkäufen und nicht vom systemischen Risiko der Antragsgegnerin zu 1) beeinflusst war.
Die Sachverständigen haben den Betafaktor anhand einer Peer Group ermittelt, deren Zusammensetzung und Vergleichbarkeit sie im schriftlichen Gutachten (Seite 177 ff., Bl. 558 ff. d. A.) und in der Anhörung (Seite 49 ff. d. Protokolls, Bl. 987 ff. d. A.) ausführlich erläutert haben. Unerheblich ist, dass diese Gesellschaften ihren Sitz nicht in Deutschland haben, denn nach den Ausführungen des Sachverständigen Ggggg wird die im Betafaktor bewertete Risikolage dadurch nicht beeinflusst.
Die Antragsgegnerinnen halten allenfalls die Firma Nnnnn für vergleichbar und geben deren verschuldeten Betafaktor mit 0,729 und den adjustierten Betafaktor mit 0,52 an. Nach den Berechnungen des Sachverständigen ergibt sich aus dem verschuldeten Betafaktor ein raw Betafaktor von 0,59 und ein unverschuldeter nicht adjustierter Betafaktor von 0,28, so dass auch diese Betafaktoren im Ergebnis die von den Sachverständigen ermittelte Größenordnung bestätigen.
Schließlich ist in Übereinstimmung mit den Sachverständigen von einem Wachstumsabschlag von 1 % auszugehen. Zur Vermeidung von bloßen Wiederholungen wird auf die ausführliche Darstellung auf Seite 182 ff. d. Gutachtens, Bl. 563 ff. d. A. verwiesen. Die Sachverständigen haben sich darin ausführlich mit den Einwendungen der Antragsteller, die einen höheren Wachstumsabschlag fordern, befasst und den Wachstumsabschlag von 1 % begründet.
f) Ausschüttungsverhalten
Die Sachverständigen haben der Unternehmensbewertung eine Ausschüttung von 50 % des Jahresüberschusses zugrunde gelegt. Nach dem IDW S 1 in der Fassung 2005 ist von der Ausschüttung derjenigen finanziellen Überschüsse auszugehen, die nach Berücksichtigung des zum Bewertungsstichtag dokumentierten Unternehmenskonzepts und rechtlicher Restriktionen zur Ausschüttung zur Verfügung stehen. Da wegen des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags keine Ausschüttungsplanungen vorlagen, mussten die Sachverständigen zum Zwecke der Unternehmensbewertung das potentielle Ausschüttungsverhalten der Antragsgegnerin zu 1) prognostizieren. Die Sachverständigen haben hierzu das Ausschüttungsverhalten der Unternehmen der Peer Group sowie die Ausschüttungsquoten für deutsche börsennotierte Unternehmen herangezogen.
Die Antragsgegnerinnen halten es für nicht sachgerecht, auf ein am Markt beobachtbares Ausschüttungsverhalten abzustellen, weil dieses wegen der Übernahme der Antragsgegnerin durch Finanzinvestoren nicht repräsentativ sei. Das Gericht hält es jedoch für sachnäher, die Ausschüttungsquote anhand von Marktuntersuchungen anstatt der mutmaßlichen Interessen der Finanzinvestoren abzustellen, weil letzteres noch spekulativer ist.
3.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass der Wert des Unternehmens nach dem IDW S 1 Stand 2005 zu ermitteln ist, wobei die von den gerichtlichen Sachverständigen gewählten Wertansätze mit Ausnahme beim Wert der Immobilien anzusetzen sind. Ausgangspunkt für die Wertermittlung ist damit der von den Sachverständigen ermittelte Wert zum Stichtag von 19,35 € je Stückaktie. Wie an anderer Stelle schon ausgeführt ist, ist dieser wegen des rückgängig zu machenden Abzuges von 50 % wegen fehlender Marktgängigkeit der Erbpachtgrundstücke um 0,05 € auf 19,40 € zu erhöhen.
Die Börsenkurse liegen unter diesem Wert. Die Sachverständigen haben als Börsenkurs im 3-Monats-Zeitraum vor Bekanntgabe des beabsichtigten Squeeze out einen gewichteten Durchschnittskurs von 15,74 € je Stückaktie ermittelt.
Für die Höhe der Barabfindung kommt es nicht auf den Ausgleich aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag an. Die Höhe der Barabfindung berechnet sich nämlich auch in den Fällen, in denen ein Squeeze out einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nachfolgt, regelmäßig nicht auf der Basis des Barwerts des Ausgleichs aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.05.2015 – I – 26 W 2/13, zitiert nach Juris, Rdnr. 37). Nach den Berechnungen der Sachverständigen, die allerdings noch von dem im Unternehmensvertrag festgeschriebenen Ausgleich von 0,84 € je Stückaktie ausgehen, läge die Barabfindung nach der kapitalisierten Ausgleichszahlung bei 14,72 € je Stückaktie und damit unter dem Ertragswert. Da nach der zitierten Rechtsprechung die kapitalisierte Ausgleichszahlung nicht relevant ist, braucht der Ausgang des Parallelverfahrens (39 O 132/06 AktE) nicht abgewartet zu werden.
IV.
Die Anträge von Rechtsanwalt Jjjjjj und des Antragstellers Ooooo in dem Termin am 06.11.2015 auf Vorlage der Planungsunterlagen (Seite 21, 34 d. Protokolls, Bl. 959, 972 d. A.) sind zurückzuweisen. Die Anträge sind unbegründet. Ein Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen besteht nicht. Den Verfahrensbeteiligten steht lediglich ein Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen zu, die dem Gericht vorliegen. Daraus folgt nicht, dass ihnen sämtliche Unterlagen vorzulegen sind, die der Sachverständige bei der Bewertung berücksichtigt hat (vgl. OLG Düsseldorf NZG 2004, 622, 624; OLG Düsseldorf NZG 2006, 911).
V.
1.
Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf § 327 b Abs. 2 AktG a. F.
2.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 306 Abs. 7 AktG a. F., § 13 a FGG a. F.
Die Gerichtskosten, die Kosten des gemeinsamen Vertreters und die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller, deren Anträge zulässig waren, sind von der Antragsgegnerin zu 2) zu tragen. Dagegen besteht keine Veranlassung, der Antragsgegnerin zu 2) die Kosten der Antragsteller, deren Anträge unzulässig sind, aufzuerlegen.
Die Kosten der Antragsgegnerin zu 1) sind nicht den Antragstellern aufzuerlegen, obwohl die Antragsgegnerin zu 1) nicht am Verfahren zu beteiligen war. Die Antragsgegnerin zu 1) wurde von den Antragstellern nicht schuldhaft einbezogen, weil die Rechtslage zur Zeit der Antragstellung noch unklar war (vgl. BGH AG 2016, 135, 142).