Az.: 3-05 O 38/18
ISIN: DE0007251803 / WKN: 725180
Hauptversammlung: 02.02.2018
Antragsgegnerin: Nidda Healthcare GmbH
Die Anträge, eine höhere Abfindung als EUR 74,40 und einen höheren Ausgleich als netto EUR 3,53 (brutto EUR 3,82) festzusetzen, werden zurückgewiesen.
Der Geschäftswert für die Gerichtskosten und der Wert für die Vergütung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre werden auf insgesamt EUR 200.000,–festgesetzt.
Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens einschließlich der Vergütung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre sowie ihre außergerichtlichen Kosten hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller findet nicht statt.
Die Beschwerde wird zugelassen auch wenn die Beschwer EUR 600,– nicht übersteigt.
Die Geschichte der S AG (im Folgenden: S AG) reicht bis 1895 zurück.
Nach vielzähligen gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen wurde 1995 die heutige Holding mit Sitz in Bad Vilbel errichtet. Im Jahr 1997 begann der Börsengang mit der Platzierung stimmrechtslosen Vorzugsaktien, der im Jahr 1998 mit der Platzierung vinkulierter Stammaktien abschloss. Die neuen finanziellen Mittel ermöglichten S AG ab dem Jahr 1999 die zunehmende Internationalisierung.
Im Jahr 2001 begann die S AG unter Einbeziehung von privatem Venture Capital mit der Entwicklung von Biogenerika (heute: Biosimilars). Darüber hinaus trieb S AG die internationale Expansion voran, sodass im Jahr 2001 erstmals die Umsatzschwelle von EUR 500 Mio. überschritten wurde. Im selben Jahr fand eine Wandlung der Vorzugsaktien in Stammaktien statt und es erfolgte die Aufnahme in das Börsensegment MDAX der Frankfurter Wertpapierbörse.
S AG ist eine deutsche Aktiengesellschaft mit Sitz in Bad Vilbel, Deutschland, eingetragen in das Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt am Main unter der Nummer HRB 71290. Das Geschäftsjahr von S AG ist das Kalenderjahr.
Der Satzungsgemäßer Unternehmensgegenstand von S AG ist
– die Entwicklung, die Herstellung und der Vertrieb von sowie der Handel mit Produkten aller Art für den weltweiten Gesundheitsmarkt, insbesondere im Bereich der pharmazeutischen, biotechnischen, chemischen und kosmetischen Industrie, der Medizin- und Labortechnik, des Klinikbedarfs sowie der diätischen Nährmittel- und Süßwarenindustrie;
– die Errichtung, der Betrieb, der Erwerb und die Veräußerung von sowie die Beteiligungen an Unternehmungen mit Aktivitäten im weltweiten Gesundheitsmarkt, insbesondere im Bereich der pharmazeutischen, biotechnischen, chemischen und kosmetischen Industrie, der Medizin- und Labortechnik sowie der diätischen Nährmittel- und Süßwarenindustrie;
– die Entwicklung und Ausführung von Dienstleistungen aller Art für den weltweiten Gesundheitsmarkt, gegen Entgelt; auch unentgeltliche Dienstleistungen können von der Gesellschaft – insbesondere für Patienten und Konsumenten sowie medizinisch-pharmazeutische Fachkreise – entwickelt und ausgeführt werden, sofern diese geeignet sind, andere Unternehmungen der Gesellschaft zu ergänzen, zu fördern oder zu unterstützen;
– das Erwirken, der Erwerb, die Lizenznahme oder Lizenzvergabe von sowie der Handel mit immateriellen Wirtschaftsgütern mit Bezug zum weltweiten Gesundheitsmarkt, insbesondere von Software und Internetapplikationen sowie von Arzneimittelzulassungen, Warenzeichen, gewerblichen Schutz-und Mitvertriebsrechten für Produkte, insbesondere im Bereich der pharmazeutischen, biotechnischen, chemischen und kosmetischen Industrie, der Medizin- und Labortechnik, des Klinikbedarfs sowie der diätischen Nährmittel- und Süßwarenindustrie; die Gesellschaft kann auch direkt oder indirekt über Tochtergesellschaften Lizenzen an Apotheken vergeben, nach denen diese für ausgewählte Produkte einzelne Herstellungsschritte selbst übernehmen können;
– die Vornahme aller Geschäfte, die zur Erreichung des Gesellschaftszwecks notwendig oder nützlich erscheinen.
Darüber hinaus ist S AG berechtigt, sich an Unternehmen gleicher oder verwandter Art im In- und Ausland in jeder Form zu beteiligen sowie Zweigniederlassungen oder Repräsentanzen zu errichten.
Das Geschäftsmodell ist schwerpunktmäßig auf den Gesundheitsmarkt mit dem Fokus auf den Pharmabereich ausgerichtet. STADA hielt zum 30. September 2017 weltweit direkt und indirekt Anteile an 112 (zum 30. Dezember 2016: 117) zum STADA Konzern gehörenden Gesellschaften.
S erbringt alle typischen Verwaltungs- und Holdingfunktionen innerhalb des S Konzerns und ist insbesondere verantwortlich für die strategische Konzernentwicklung. Somit ist bei der Bewertung des Ergebnisses von S das operative Ergebnis aus den Aktivitäten der Konzerngesellschaften in den Segmenten Generika und Markenprodukte zu berücksichtigen. Einen signifikanten Einfluss auf das Ergebnis haben die Serviceleistungen aus der Funktion von als Muttergesellschaft bzw. Holding des S Konzerns, die Warenlieferungen an andere Konzerngesellschaften mit einschließen. Diese strategischen Leistungen werden S von den in Anspruch nehmenden Konzerngesellschaften vergütet und bei S im Umsatz ausgewiesen. Der Jahresüberschuss von STADA wird darüber hinaus durch Erträge aus Beteiligungen beeinflusst.
S hält in den einzelnen Ländern, in denen der S Konzern tätig ist, regionale Gesellschaften.
Das Grundkapital der S AG betrug 2017 EUR 162.090.344,00 und war eingeteilt in 62.342.440 auf den Namen lautende Stückaktien mit einem rechnerisch anteiligen Betrag am Grundkapital von EUR 2,60 je Aktie.
Die S AG Aktien notierten mit der ISIN DE……an der Frankfurter Wertpapierbörse im Teilbereich des Regulierten Marktes mit zusätzlichen Zulassungsfolgepflichten (Prime Standard) sowie an der Düsseldorfer Börse im Regulierten Markt. Darüber hinaus wurden die S AG Aktien über das elektronische Handelssystem XETRA sowie im Freiverkehr an den Regionalbörsen Berlin, Hamburg, Hannover, München, Stuttgart sowie über Tradegate-Exchange gehandelt.
Spätestens im Frühjahr 2016 wurde die S AG – gerichtsbekannt aus den Rechtsstreiten 3-05 O 167/16 und 3-05 O 138/18 – als Übernahmeobjekt angesehen, mit der Folge dass Investoren – u.a. auch eine Sh AG und eine Sh Beteiligungen AG, sowie AOS (im Folgenden AOS) – Aktien der S AG erwarben. Ziel war es – jedenfalls von AOS – u. a. in der Hauptversammlung der S AG am 26.8.2016 eine Neubesetzung von 5 Aufsichtsratsposten durchzusetzen. Wegen der dort erfolgten Aufsichtsratswahlen war vor der Kammer ein Beschlussmängelrechtsstreit zum AZ. 3-05 O 167/16 anhängig, der erstinstanzlich mit Urteil vom 31.1.2017 endete. Im Berufungsverfahren wurde der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt (vgl. zu diesem Rechtsstreit Füchsel NZG 2018, 416).
Die Antragsgegnerin, N(bis zur Eintragung des Formwechsels am 23. Oktober 2017 firmierend unter N AG), eine Holdinggesellschaft und die unmittelbare Muttergesellschaft der N, die gemeinschaftlich durch Fonds kontrolliert wird, die von B Private Equity (Europe), LLP und C LLP beraten werden, veröffentlichte am 10. April 2017 ihre Entscheidung zur Abgabe eines freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebots an alle Aktionäre von S AG (nachfolgend die S AG Aktionäre).
Zuvor hatten B Private Equity (Europe), LLP, handelnd im Namen der von ihr und von mit ihr verbundenen Unternehmen beratenden Fonds (zusammen mit sämtlichen verbundenen Unternehmen B Capital), und C LLP, handelnd als Berater der S-Gesellschaften (zusammen mit sämtlichen verbundenen Unternehmen C) jeweils im Namen der von ihnen beratenen Fonds am 13. März 2017 einen Konsortialvertrag abgeschlossen (nachfolgend der Konsortialvertrag), in dem sie sich zu einer strategischen Partnerschaft hinsichtlich eines freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebots und dem Erwerb sämtlicher von S AG ausgegebenen Aktien zusammenschlossen. Weiterhin vereinbarten sie die Finanzierung sowie die Corporate Governance-Struktur der N Holding und ihrer unmittelbaren und mittelbaren Muttergesellschaften, sowohl vor als auch nach Vollzug eines freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebots.
Am 27. April 2017 veröffentlichte die N Holding ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot an die S AG Aktionäre zum Erwerb ihrer nennwertlosen Namensaktien (nachfolgend das Ursprüngliche Übernahmeangebot) zum Preis von EUR 66,–. Der Vollzug des Ursprünglichen Übernahmeangebots stand unter anderem unter der Vollzugsbedingung, dass eine Mindestannahmeschwelle von mindestens 75 % aller von S AG ausgegebenen Aktien erreicht wird.
Nachdem diese Mindestannahmeschwelle am 7. Juni 2017, 12:30 Uhr (einen Tag vor Ablauf der regulären Annahmefrist am 8. Juni 2017, 24:00 Uhr), nicht erreicht worden war, entschied sich die N Holding dazu, das Ursprüngliche Übernahmeangebot zu ändern und die Mindestannahmeschwelle des Ursprünglichen Übernahmeangebots von 75 % auf 67,5 % abzusenken. Am 26. Juni 2017 gab die N Holding bekannt, dass die auf 67,5 % herabgesenkte Mindestannahmeschwelle des Ursprünglichen Übernahmeangebots nicht erreicht wurde und das Ursprüngliche Übernahmeangebot damit erloschen ist.
Zwischen dem 30. Juni und 10. Juli 2017 schloss die N Holding insgesamt elf Andienungsvereinbarungen mit S AG Aktionären ab, die insgesamt 12.221.410 S AG Aktien und damit rund 19,6 % des Grundkapitals und der Stimmrechte hielten und die sich unwiderruflich dazu verpflichteten, ein neues freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot der Nidda Holding mit sämtlichen von ihnen gehaltenen sowie mit etwaig zukünftig erworbenen S AG Aktien anzunehmen.
Mit Zustimmung von S AG und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) veröffentlichte die Nidda Holding am 10. Juli 2017 die Entscheidung, ein erneutes freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot (nachfolgend das Übernahmeangebot) an die S AG Aktionäre abzugeben. Das Übernahmeangebot zu einem Preis von EUR 66,25 wurde am 19. Juli 2017 veröffentlicht und stand unter der Vollzugsbedingung, dass eine Mindestannahmeschwelle von 63 % sämtlicher von S AG ausgegebener Aktien erreicht wird.
Die Annahmefrist endete am 16. August 2017, 24:00 Uhr.
Die weitere Annahmefrist begann am 19. August 2017 und endete am 1. September 2017, 24:00 Uhr. Zum Ende der Annahmefrist wurde das Übernahmeangebot für 39.749.517 S AG Aktien und zum Ende der weiteren Annahmefrist für weitere 66.813 S AG Aktien angenommen, insgesamt entsprechend für 39.816.330 S AG Aktien, was einem Anteil von ca. 63,87 % der Stimmrechte und des Grundkapitals von S AG entspricht. Die N hat zudem im Zeitraum vom 21. bis 23. August 2017 börslich Kaufverträge über insgesamt 878.883 weitere S AG Aktien geschlossen, an denen sie am 23., 24. bzw. 25. August 2017 Eigentum erwarb.
Am 24. August 2017 gab die Nidda Holding bekannt, dass sie beabsichtige, einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der N oder einem mit ihr verbundenen Unternehmen als herrschendem sowie S AG als beherrschtem Unternehmen abzuschließen. Der Vorstand von S AG beschloss am selben Tag, mit N Holding Gespräche über den Abschluss eines solchen Vertrags aufzunehmen, und gab dies per Ad hoc-Mitteilung am 24. August 2017 bekannt.
Der von der BaFin berechnete und für gültig erklärte Dreimonatsdurchschnittskurs der S-Aktie vor diesem Datum d.h. vom 24. Mai 2017 bis zum 23. August 2017 beträgt EUR 65,41 je S Aktie.
Am Morgen des 25. August 2017 brachte die Nidda Holding sämtliche zu diesem Zeitpunkt von ihr gehaltenen 40.207.789 S AG Aktien (d.h. die 39.749.517 S AG Aktien, die bis zum Ablauf der Annahmefrist eingereicht und an Nidda Holding übereignet waren, sowie weitere 458.272 börslich erworbenen Aktien, die zu diesem Zeitpunkt schon an die N Holding übereignet waren) als Sacheinlage in ihre neugegründete 100 %ige Tochtergesellschaft, der Ni, ein. Weitere 487.424 S AG Aktien (d.h. die weiteren 420.611 börslich erworbenen S AG Aktien, die am 25. August 2017 erst nach der vorgenannten Einbringung an die Nidda Holding übereignet wurden, sowie die 66.813 bis zum Ablauf der weiteren Annahmefrist eingereichten und an N Holding übereigneten S AG Aktien) brachte die N Holding mit weiteren Einbringungsverträgen vom 28. August 2017 und vom 15. September 2017 in die N ein
Am 30.8.2017 wurde eine Vereinbarung zwischen verschiedenen Gesellschaften (im Folgenden zusammengefasst als E) die zu diesem Zeitpunkt 13,26 % der Aktien der S AG hielten und den Beklagten geschlossen worden, in der sich Elliott verpflichtete, für den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zu stimmen, wenn die Einladung zur Hauptversammlung zur Abstimmung über diesen Vertrag vor dem 31.1.2018 veröffentlicht werde, die Hauptversammlung in der von 2 Monaten nach Veröffentlichung der Einlage stattfinde und den außenstehenden Aktionären mindestens eine Abfindung nach § 305 Aktiengesetz von Euro 74,40 angeboten werde. Dies wurde am 31.8.2014 bekannt gegeben.
Am 19.12.2017 schlossen die S AG und die Antragsgegnerin unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Hauptversammlung der Antragsgegnerin einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Für die außenstehenden Aktionäre wurde ein Barabfindungsangebot gemäß § 305 AktG in Höhe von EUR 74,40 je Aktie und eine jährliche Ausgleichszahlung gemäß § 304 AktG in Höhe von netto EUR 3,53 je Aktie (brutto EUR 3,82) vereinbart.
Wegen der Einzelheiten dieses Vertrages wird auf die zu der Akte gereichte Kopie (Sonderband LO Anlage zum Vertragsbericht) Bezug genommen. Dabei hatten sich die Vertragsbeteiligten zur Ermittlung von Abfindung und Ausgleich einer von ihnen eingeholten gutachterlichen Stellungnahme von V (im Folgenden: Bewerterin) bedient. Wegen der Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Sonderband LO) verwiesen.
Auf Antrag der Vertragsbeteiligten hatte das Landgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 21.9.2017, Az.: 3-5 O 77/17 die A AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden sachverständige Prüferin A) als Prüferin gem. § 293c AktG bestellt. Unter dem 21.12.2017 erstatte diese ihren Prüfungsbericht. Wegen der Einzelheiten dieses Berichts wird auf die zu den Akten gereichte Kopie (Sonderband LO) verwiesen.
Diesem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag stimmten die Aktionäre der S AG in der Hauptversammlung am 2.2.2018 zu; die Eintragung in das Handelsregister und deren Bekanntmachung erfolgte am 20.3.2018.
Zwischenzeitlich – d.h. nach Beginn des vorliegenden Spruchverfahrens – hat die Antragsgegnerin am 11.10.2018 ein Delistigangebot für eine S Aktie von Euro 81,73 veröffentlicht. E hatte zuvor am 28. 9. 2018 eine Andienungsvereinbarung mit der Antragsgegnerin geschlossen, alle von E gehaltenen S Aktien im Rahmen des Delisting-Erwerbsangebotes anzudienen.
Das Delisting -Erwerbsangebot wurde zwischenzeitlich von mehreren Aktionären angenommen mit der Folge, dass die Antragsgegnerin nunmehr über mehr als 93 % der S Aktien verfügt.
Im vorliegenden Verfahren begehren die Antragsteller und der Vertreter der außenstehenden Aktionäre eine Erhöhung der Abfindung und des Ausgleichs aus dem Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag. Sie machen u. a. geltend, die Planzahlen seien – auch im Hinblick auf die tatsächliche Entwicklung – nicht nachvollziehbar, die Planung sei zu vorsichtig und nicht ordnungsgemäß, zudem hätte der vorhersehbare positive Ausgang eines damals anhängigen Patenrechtsstreits zugunsten der Minderheitsaktionäre berücksichtigt werden müssen. Die positiven Abweichungen sein vorhersehbar gewesen. Die Thesaurierung sei zu Lasten der Minderheitsaktionäre erfolgt. Schon allein das Delisting-Erwerbsangebot von nunmehr EUR 81,73 zeige, dass die Bewertung für den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nicht zutreffen könne.
Auch die Parameter des Kapitalisierungszinses seien unzutreffend. Die Marktrisikoprämie sei zu hoch, der Wachstumsabschlag dagegen zu niedrig. Auch der Beta Faktor sei unzutreffend über die peer-group ermittelt worden. es hätte das eigene Beta- verwendet werden können. Jedenfalls sei die Auswahl der Unternehmen der peer-group zu Lasten der Minderheitsaktionäre erfolgt. Das nicht betriebsnotwendige Vermögen sei nicht ordnungsgemäß berücksichtigt worden. Bei der Ausgleichszahlung sei ein unzutreffender Verrentungszinssatz angesetzt worden.
Zumindest hätte der höhere Börsenkurs bis zum Tag der Hauptversammlung, der dann EUR 84,64 betragen habe, als Mindestwert berücksichtigt werden müssen. Der Zeitraum vor Ankündigung am 24.8.2017 sei hier nicht anzuwenden, da die Antragsgegnerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht über die notwendige Mehrheit für die Zustimmung zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages in der Hauptversammlung verfügt habe, der Abschluss daher unbestimmt gewesen sei.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Antragsschriften, der Stellungnahme des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre vom 4.10.2018 (Bd. XLVII, Bl. 1 ff d. A.) sowie den ergänzenden Schriftsätze des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre und der Antragsteller Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin ist diesen Bewertungsrügen entgegen getreten. Es seien die Ertragsprognosen ebenso wenig zu beanstanden wie die Ansätze zum Kapitalisierungszinssatz. Auch der Verrentungszinssatz beim Ausgleich sei zutreffend. Zudem ergebe sich schon aus dem relevanten Börsenkurs, d.h. dem gewichteten 3-Monats-Durchschnitt vor Bekanntgabe am 24.8.2017, der – niedriger liege als der für die Berechnung der Abfindung und Ausgleich angesetzte Unternehmenswert, dass die vereinbarte und beschlossene Abfindung und der Ausgleich jedenfalls nicht zu Lasten der Minderheitsaktionäre unangemessen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Antragserwiderung vom 20.8.2018 (Bd. XLV, Bl. 21 ff ff d. A.) sowie die ergänzenden Schriftsätze verwiesen.
Die Anträge sind unbegründet.
Eine Erhöhung der beschlossenen Barabfindung von EUR 74,40 und des Ausgleichs von netto EUR 3,53 (brutto EUR 3,82) ist nicht vorzunehmen.
Ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag muss gem. § 305 Abs. 1 AktG die Verpflichtung des anderen Vertragsteils enthalten, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben. Die angemessene Barabfindung (§ 305 Abs. 2 Nr. 3 AktG) muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Vertrag berücksichtigen (§ 305 Abs. 3 AktG).
Angemessen ist eine Abfindung, die dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was seine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist, die also dem vollen Wert seiner Beteiligung entspricht.
Das Gericht hat aber nach nur dann eine (neue) angemessene Barabfindung zu bestimmen, wenn die angebotene Abfindung unangemessen ist.
Unangemessen ist die angebotene Abfindung, wenn sie den übrigen Aktionären keine volle Entschädigung für den Verlust ihres Aktieneigentums bietet. Die angebotene Abfindung muss deshalb dem Verkehrswert entsprechen (BVerfGE 100, 289 „DAT/Altana“). Der Verkehrswert des Aktieneigentums ist vom Gericht im Wege der Schätzung entsprechend § 287 Abs. 2 ZPO zu ermitteln (BGHZ 147, 108; „DAT/Altana“; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.11.2011 – 21 W 7/11 -). Als Grundlage für diese Schätzung stehen dem Gericht fundamentalanalytische Wertermittlungsmethoden wie das Ertragswertverfahren ebenso zur Verfügung wie marktorientierte Methoden, etwa eine Orientierung an Börsenkursen. Das (Verfassungs)recht gibt keine bestimmte Wertermittlungsmethode vor (BVerfG NZG 2011, 86; Telekom/T-Online“; BVerfGE 100, 289 „DAT/Altana“; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.11.2011 – 21 W 7/11 – ; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.10.2011 – 20 W 7/11 – BeckRS 2011, 24586; Beschl v. Beschluss vom 20.08.2018 – 20 W 2/13 – BeckRS 2018, 26698 m.w.Nachw.). Die mit den unterschiedlichen Methoden ermittelten rechnerischen Ergebnisse geben aber nicht unmittelbar den Verkehrswert des Unternehmens bzw. den auf die einzelne Aktie bezogenen Wert der Beteiligung daran wieder, sondern bieten lediglich einen Anhaltspunkt für die Schätzung des Verkehrswerts entsprechend § 287 Abs. 2 ZPO.
Daher ist der Forderung im Rahmen des Spruchverfahrens müsse die Richtigkeit und nicht lediglich die Vertretbarkeit der Wertbemessung festgestellt werden (so Lochner AG 2011, 692, 693 f.), nicht zu folgen. Denn mit dieser eingeforderten Richtigkeitskontrolle wird etwas letztlich Unmögliches verlangt. Einen wahren, allein richtigen Unternehmenswert – nach der hier von den Antragstellern und der Antragsgegnerin ursprünglich zugrunde gelegten Ertragswertmethode – gibt es bereits deshalb nicht, weil dieser von den zukünftigen Erträgen der Gesellschaft sowie einem in die Zukunft gerichteten Kapitalisierungszins abhängig ist und die zukünftige Entwicklung nicht mit Sicherheit vorhersehbar ist. Entsprechend führen die zahlreichen prognostischen Schätzungen und methodischen Einzelentscheidungen, die Grundlage jeder Unternehmensbewertung sind und zwingend sein müssen, im Ergebnis dazu, dass die Wertermittlung insgesamt keinem Richtigkeits-, sondern nur einem Vertretbarkeitsurteil zugänglich ist (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. Juli 2011 – 20 W 14/08 – AG 2011, 795).
Soweit gleichwohl in manchen – auch verfassungsgerichtlichen Entscheidungen (vgl. BVerfG Beschl v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10 – BeckRS 2012, 55224 -) – von dem „richtigen“, „wahren“ oder „wirklichen Wert“ der Beteiligung die Rede ist, ist dies im Sinne einer Wertspanne zu verstehen, weil weder verfassungsrechtlich noch höchstrichterlich etwas gefordert wird, was tatsächlich unmöglich ist, nämlich einen einzelnen Unternehmenswert als allein zutreffend zu identifizieren. Dies wird in der vorgenannten Entscheidung letztlich dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Begriffe auch dort in Anführungszeichen gesetzt sind und mithin in modalisierender Funktion verwendet werden.
Der Wert eines Unternehmens lässt sich aus dem Nutzen ableiten, den das Unternehmen insbesondere aufgrund seiner zum Bewertungsstichtag vorhandenen materiellen Substanz, seiner Innovationskraft, seiner Produkte und Stellung am Markt, seiner inneren Organisation sowie seines Managements zukünftig unter Aufrechterhaltung der Unternehmenssubstanz erbringen kann.
Diese Erkenntnis ist bei der Beurteilung der vom Gericht für die eigene Schätzung heranzuziehenden Schätzgrundlagen zu berücksichtigen. Ausgangspunkt der gerichtlichen Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO ist nämlich die zur Grundlage der unternehmerischen Maßnahme durchgeführte, der Hauptversammlung vorgelegte und sodann von einem gerichtlich bestellten Prüfer untersuchte Wertbemessung der Antragsgegnerin. Die dort enthaltenen Prognosen, Parameter und Methoden sind im Regelfall vom Gericht zur eigenen Schätzung heranzuziehen, solange sie ihrerseits vertretbar sind und insgesamt zu einem angemessenen, d.h. zugleich nicht allein richtigen Abfindung führen (ähnlich BVerfG Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10 – BeckRS 2012, 55224 -; KG WM 2011, 1705).
Jedoch führt die gerichtliche Überprüfung stets im Ergebnis zu einer eigenen Schätzung des Gerichts, die sich nicht lediglich auf die Untersuchung der Vertretbarkeit der bei der Wertermittlung der Antragsgegnerin zur Anwendung gelangten, einzelnen Wertermittlungsmethoden und Einzelwerte zu beschränken hat, sondern insgesamt die Angemessenheit der gewährten Zahlung zu untersuchen hat (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2011 – 21 W 7/11 – ). Dabei ist nicht der höchst mögliche Wert zu finden, sondern der angemessene. Den Grundsatz der Meistbegünstigung gibt es für die ausgeschiedenen abfindungsberechtigten Minderheitsaktionäre nicht (vgl. BGH NZG 2016, 139; OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2011 – 21 W 7/11 – mwN).
Zu berücksichtigen ist zudem weiter bei der Bewertung, dass sie nach ihren zu Grunde liegenden Erkenntnismöglichkeiten nicht in der Lage sein kann, mathematisch einen exakten oder „wahren“ Unternehmenswert am Stichtag festzustellen.
Nachdem auch das Ergebnis auf Grund der verschiedenen Ungenauigkeiten und subjektiver Einschätzungen der Bewerter (vgl. hierzu im Einzelnen Kammerbeschlüsse v. 13.3.2009 – 3-05 O 57/06 – ZIP 2009, 1322 – und 25.11.2014 -3-05 O 43/13 -) letztlich nur eine Schätzung des Unternehmenswerts darstellt, müssen es die Verfahrensbeteiligten hinnehmen, dass eine Bandbreite von unterschiedlichen Werten als angemessene Abfindung existiert (vgl. OLG Stuttgart ZIP 2004, 712, 714; BayObLG AG 2006, 41, 43) und das erkennende Gericht unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände (vgl. BGH NJW-RR 2002, 166, 167) hieraus einen Wert festsetzt, wie das Gericht nicht dran gebunden ist, welche Methode bislang von den Beteiligten verwendet wurde und warum diese andere Methoden verworfen haben.
Bei der Feststellung und Bewertung der erforderlichen Tatsachen, aus denen sich die Angemessenheit der Abfindung ergibt, hat sich das Gericht der ihm nach der Verfahrensordnung zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten zu bedienen, soweit das nach den Umständen des zu entscheidenden Falles geboten ist. Soweit zu umstrittenen Bewertungsfaktoren Tatsachenfeststellungen erforderlich sind, entscheidet das Gericht über Notwendigkeit, Art und Umfang einer Beweisaufnahme nach pflichtgemäßem Ermessen; hier ist außerdem § 287 Abs. 2 ZPO auch im Hinblick darauf anwendbar, dass jede Bewertung naturgemäß eine mit Unsicherheiten behaftete Schätzung – wobei zudem § 738 BGB als Grundnorm der Unternehmensbewertung selbst von Schätzung spricht – und keine punktgenaue Messung sein kann und dass deshalb Aufwand, Kosten und Dauer des Verfahrens in einem angemessenen Verhältnis zum Erkenntnisgewinn liegen müssen (OLG Stuttgart AG 2006, 423 m. w. Nachw.). Das Gericht kann im Spruchverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen und insb. nach Maßgabe des § 287 Abs. 2 ZPO auch auf sonstige Erkenntnismöglichkeiten zur Ermittlung der Angemessenheit der Abfindung zurückgreifen.
Der Schutz der Minderheitsaktionäre erfordert es daher nicht, im Spruchverfahren grundsätzlich neben dem gerichtlich bestellten Prüfer einen weiteren Sachverständigen heranzuziehen. Die Einschaltung eines vom Gericht im Vorfeld der Maßnahme bestellten Prüfers soll dem präventiven Schutz der Anteilseigner dienen, indem der Übertragungsbericht einer sachkundigen Plausibilitätskontrolle unterworfen wird. Gerade die Angemessenheit der Abfindung ist Gegenstand dieses präventiven Aktionärsschutzes.
Die Kammer ist dabei in der Auswahl der Bewertungsmethode grundsätzlich frei, solange sie eine geeignete und aussagekräftige Methode wählt und methodenkonform anwendet, die gewährleistet, dass das gefundene Bewertungsergebnis zu einer angemessenen Abfindung führt, die nicht unter dem Verkehrswert der Aktie liegt (BGH, Beschluss vom 29. September 2015 – II ZB 23/14, Rn. 34). Denn es gibt nicht „den einen exakten oder wahren Unternehmenswert“ und auch keine als „einzig richtig“ anerkannte Methode zur Ermittlung des Verkehrswerts einer Aktie. Es kann nicht einmal festgestellt werden, dass eine der gebräuchlichen Methoden in der Wirtschaftswissenschaft unumstritten wäre (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 05. Juni 2013 – 20 W 6/10, juris Rn. 138).
Die Kammer wählt im vorliegenden Fall als marktwertorientierte Bewertungsmethode zur Ermittlung des Verkehrswerts der Aktie die Heranziehung von Börsenkursen, und zur Ermittlung des Unternehmenswerts der S AG die Hochrechnung des Börsenkurses (zu dessen Verwertbarkeit und zu den folgenden Ausführungen bereits LG Stuttgart, Beschluss vom 8.5.2019 – 31 O 25/13 KfH SpruchG) mithilfe der Stückzahl der Aktien, da wie das gesamte Vorbringen der Beteiligten in diesem Verfahren zeigt, sowohl die die Plausibilität der Planung als auf die Faktoren des Kapitalisierungszinses hier sehr umstritten sind, und auch ein vom Gericht bestellter Sachverständiger und zuletzt das Gericht wiederrum nur letztlich subjektive gefärbte Annahmen so diesen Faktoren treffen müsste.
Das BVerfG (BVerfG, Beschluss vom 27. April 1999 – 1 BvR 1613/94, Rn. 54, 56 – aaO) hat im Jahr 1999 zur Frage der Relevanz des Börsenkurses ausgeführt; dass auszugleichen ist, was dem Minderheitsaktionär an Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG verloren gehe. Dabei dürfe die Verkehrsfähigkeit als Eigenschaft des Aktieneigentums bei der Wertbestimmung des Eigentumsobjekts nicht außer Betracht bleiben. Die Beteiligung an einer börsennotierten Aktiengesellschaft sei gerade durch die besondere Verkehrsfähigkeit der Aktie geprägt. Darin unterscheide sich die Beteiligung an einer Aktiengesellschaft von anderen Unternehmensbeteiligungen. Vor allem treffe das auf Beteiligungen an börsennotierten Aktiengesellschaften zu, die es dem Gesellschafter, jedenfalls in Zeiten eines funktionierenden Kapitalmarktes, praktisch jederzeit erlaubten, sein Kapital nach freiem Belieben zu investieren oder zu deinvestieren. Die Aktie sei aus der Sicht des Kleinaktionärs gerade deshalb so attraktiv, weil er sein Kapital nicht auf längere Sicht binde, sondern sie fast ständig wieder veräußern könne. Der Vermögensverlust, den der Minderheitsaktionär durch die Strukturmaßnahme erleidet, stelle sich für ihn als Verlust des Verkehrswerts der Aktie dar, und dieser Verkehrswert sei „regelmäßig mit dem Börsenkurs der Aktie identisch“. (
Der BGH (Beschluss vom 12. März 2001 – II ZB 15/00 –, juris Rn. 17, 21 „DAT/Altana“ aaO) hatte daraus zunächst abgeleitet, dem außenstehenden Aktionär müsse „grundsätzlich mindestens der Börsenwert als Barabfindung“ gezahlt werden. Wenn jedoch der Schätzwert höher sei als der Börsenwert, stehe dem Aktionär der „höhere Betrag des quotal auf die Aktie bezogenen Schätzwertes zu. Dies wurde so verstanden, dass neben dem Börsenkurs als Untergrenze der Abfindung (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 05. Dezember 2013 – 21 W 36/12 –, juris Rn. 19 aaO) stets noch ein Wert „im Wege der Schätzung“ nach der Ertragswertmethode zu ermitteln sei. Der (durchschnittliche) Börsenkurs wurde somit nicht für die Ermittlung des Verkehrswerts der Aktie, sondern nur zu Kontrollzwecken im Sinne einer Plausibilitätsbeurteilung verwendet.
Das BVerfG (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. April 2011 – 1 BvR 2658/10 – „Deutsche Telekom / T-Online“, juris Rn. 23, 24; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16. Mai 2012 – 1 BvR 96/09, 1 BvR 117/09, 1 BvR 118/09, 1 BvR 128/09 –, juris Rn. 18) hat jedoch in zwei Entscheidungen von 2011 und 2012 dagegen noch einmal betont, dass es um den Betrag gehe, den die Minderheitsaktionäre „bei einer freien Deinvestitionsentscheidung“ erhalten hätten, und klargestellt: Erstens sei die Anwendung der Ertragswertmethode verfassungsrechtlich nicht geboten. Zweitens könne „bei Einhaltung bestimmter Mindeststandards“ auch eine Bewertung allein anhand des Börsenkurses genügen. Drittens hätten die Minderheitsaktionäre keinen Anspruch darauf, dass der anteilige Wert ihres Aktieneigentums nach allen erdenklichen Methoden ermittelt und die angemessene Abfindung nach dem „Meistbegünstigungsprinzip“ festgestellt weide (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. April 2011 – 1 BvR 2658/10 – „Deutsche Telekom / T-Online“, juris Rn. 23, 24 aaO; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16. Mai 2012 – 1 BvR 96/09, 1 BvR 117/09, 1 BvR 118/09, 1 BvR 128/09 –, juris Rn. 18a aaO).
In der „Stollwerck“-Entscheidung von 2010 hat der BGH ausgeführt, dass die angemessene Abfindung im entschiedenen Fall nach dem höheren Börsenwert der Aktie zu bestimmen sei, da dieser über dem nach dem Ertragswertverfahren ermittelten Schätzwert liege und keine Marktenge bestanden habe (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2010 – II ZB 18/09 –, BGHZ 186, 229-242, Rn. 10). In der Entscheidung vom 29. September 2015 (II ZB 23/14 Rn. 33) hat der BGH schließlich die „marktorientierte Methode nach dem Börsenwert des Unternehmens“ als grundsätzlich gleichberechtigte Methode neben der Ertragswertmethode und anderen Bewertungsmethoden aufgezählt und in einer weiteren Entscheidung vom 12.1.2016 – II ZB 25/14 – BeckRS 2016, 6216) dies vertieft.
Bereits in der Entscheidung von 2001 zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages hatte der BGH ausgeführt, dass die Gleichstellung von Börsen- und Verkehrswert auf der Annahme beruht, dass „die Börse auf der Grundlage der ihr zur Verfügung gestellten Informationen und Informationsmöglichkeiten die Ertragskraft des Gesellschaftsunternehmens, um dessen Aktien es geht, zutreffend bewertet, der Erwerber von Aktien sich an dieser Einschätzung durch den Markt orientiert und sich daher Angebot und Nachfrage danach regulieren, so dass sich die Marktbewertung in dem Börsenkurs der Aktien niederschlägt. Beabsichtigt ein anderes – herrschendes – Unternehmen, sich dieses Gesellschaftsunternehmen mit seiner Ertragskraft im Rahmen eines Unternehmensvertrages zunutze zu machen, muss es bei der Verwirklichung seiner Intentionen diese Wertschätzung des Marktes akzeptieren und daran die Abfindung der außenstehenden Aktionäre ausrichten, die sich zum Ausscheiden aus der sich in die Abhängigkeit begebenden Gesellschaft entschließen“ (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 – II ZB 15/00 –, juris Rn. 19). In der Entscheidung führt der BGH in anderem Zusammenhang sinngemäß aus, dass auch spekulative Entwicklungen an der Börse die Legitimität der dort zustande gekommenen Kurse nicht generell in Frage stelle. Das gelte selbst für „Abfindungsspekulationen“, solange sie nicht auf Börsenkursmanipulationen beruhten. Ein Anstieg der Börsenpreise aufgrund der Erwartung der Marktteilnehmer, infolge des Abschlusses eines BGAV eine günstige Abfindung erreichen zu können, beruhe „auf dem Marktgesetz, das Angebot und Nachfrage die Preise bestimmen“ und zum anderen in der Markteinschätzung über die zu erwartenden unechten und echten Synergieeffekte (a.a.O. Rn. 29). Diese Überlegungen sprechen nach Auffassung der Kammer dafür, dass umgekehrt auch die anlässlich einer aktienrechtlichen Strukturmaßnahme abzufindenden Minderheitsaktionäre die „Wertschätzung des Marktes“ grundsätzlich akzeptieren, sich also in der Regel zum Börsenkurs abfinden lassen müssen (so bereits LG Stuttgart, Beschluss vom 03. April 2018 – 31 O 138/15 KfHSpruchG –, Rn. 107, juris).
Dies führt aber nicht dazu, dass bei einem ggf. höheren Ertragswert eine Bemessung der Abfindung anhand des Börsenkurses ausscheidet.
Das Ergebnis einer Ertragswertberechnung stellt nämlich nicht als solches den Verkehrswert eines Unternehmens dar, sondern lediglich „einen von mehreren möglichen Anhaltspunkten für dessen Schätzung (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. Januar 2011 – 20 W 3/09 –, Rn. 17, 18, 252, 256, 262, 265). Die Kammer hat bereits in ihrer Entscheidung vom 26.1.2012 – 3-05 O 102/05 der Börsenkursentwicklung eine entscheidende Bedeutung beigemessen wurde, da die Ertragswertmethode – wegen ihrer Ungenauigkeiten und des wissenschaftlichen Streits zu den Berechnungsparametern – der kapitalmarktorientierten Ermittlung des Werts eines Unternehmens nicht überlegen ist..
Für die im Rahmen der Ausübung des Schätzungsermessens nach § 287 Abs. 2 ZPO bestehende Freiheit, anstelle der Ertragswertmethode im geeigneten Einzelfall eine kapitalmarktorientierte Bewertung zum Börsenkurs vorzunehmen, hat sich neben dem OLG Stuttgart auch das OLG Frankfurt ausgesprochen, und zwar schon vor der BGH-Entscheidung vom 29. September 2015 (OLG Stuttgart, Beschluss vom 05. Juni 2013 – 20 W 6/10 –, juris Rn. 138 ff., 143; OLG Stuttgart, Beschluss vom 04. Mai 2011 – 20 W 11/08 –, juris Rn. 67; OLG Frankfurt, Beschluss vom 03. September 2010 – 5 W 57/09 –, juris Rn. 35 ff., 52 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – 21 W 40/11 –, Rn. 43, juris; im Grundsatz auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 05. Dezember 2013 – 21 W 36/12 –, juris Rn. 24, einschränkend jedoch bei nicht aussagekräftigem, weil im entschiedenen Fall durch öffentliche Angebote verzerrtem Börsenkurs).
In der Entscheidung vom 29. September 2015 (II ZB 23/14 Rn. 33 aaO) hat der BGH neben der Ertragswertmethode eine Wertbestimmung durch eine „marktorientierte Methode nach dem Börsenwert des Unternehmens“, durch das dem der Ertragswertmethode „ähnlichen Discounted-Cash-Flow-Verfahren“ und in besonderen Fällen die Bewertung des Liquidationswerts als denkbare Methoden aufgezählt. Der BGH hat in der Entscheidung formuliert, dass „in der Regel“ davon ausgegangen werden könne, dass der Anteilswert „dem Börsenwert der gehaltenen Aktien zu entnehmen ist“, diesem also entspricht. Wörtlich verstanden, liegt darin eine Abkehr von der früheren Rechtsprechung, wonach der Börsenkurs nur die „Untergrenze“ der angemessenen Abfindung bilde.
Im Anschluss an die weitere BGH-Entscheidung vom 12. Januar 2016(aaO) hat das OLG Düsseldorf ausgeführt, dass im Grundsatz – wie sich aus dieser BGH-Entscheidung ergebe – eine Unternehmensbewertung in Spruchverfahren auch allein anhand des Börsenkurses erfolgen könne, wenn eine „effektive Informationsbewertung“ durch die Marktteilnehmer vorliege (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Dezember 2016 – I-26 W 25/12 (AktE) –, Rn. 49, juris). Das LG Leipzig hat in einem im Dezember 2016 entschiedenen Spruchverfahren unter Verweis auf die BGH-Entscheidung vom 29. September 2015 nur geprüft, ob der (durchschnittliche) Börsenkurs eine verlässliche Aussage über den Verkehrswert erlaube, und hat dies im entschiedenen Fall mangels Vorliegens einer Marktenge unter Überprüfung der Kriterien des § 5 Abs. 4 WpÜG-AngebVO bejaht, ohne auf Fragen der Ertragswertberechnung näher einzugehen (LG Leipzig, Beschluss vom 09. Dezember 2016 – 01 HK O 2401/15, Seite 8 ff.; im Ergebnis bestätigt durch das OLG Dresden, Beschluss vom 16. August 2017, – 8 W 244/17, Seite 13 ff., freilich unter Überprüfung anhand der Ertragswertmethode).
Das Landgericht Stuttgart (LG Stuttgart, Beschluss vom 03. April 2018 – 31 O 138/15 KfHSpruchG –, Rn. 87 ff., juris; Beschluss vom 17. September 2018 – 31 O 1/15 KfH SpruchG –, Rn. 145 ff., juris) hat ausführlich begründet, dass zur Prüfung und Wahl der Bewertungsmethodik auch die tatrichterliche Beurteilung gehört, ob eine allein am Börsenkurs orientierte Abfindung im Einzelfall angemessen sei und dass das auszuübende Schätzungsermessens nach § 287 Abs. 2 ZPO auch die Freiheit umfasse, anstelle der Ertragswertmethode im geeigneten Einzelfall eine kapitalmarktorientierte Bewertung zum Börsenkurs vorzunehmen
Auch in der juristischen Literatur ist inzwischen ein Meinungsumschwung von der Einordnung des durchschnittlichen Börsenkurses als bloßer Untergrenze der Abfindung hin zur in der Regel ausschließlichen Maßgeblichkeit von Börsenkursen zu erkennen.
Katzenstein (AG 2018, 739 ff., 745 f. bei Fn. 79 f.) betont, dass das Recht Spielraum für Alternativen zum Ertragswertverfahren lasse, und spricht in diesem Zusammenhang explizit die in der jüngeren Judikatur thematisierte alleinige Heranziehung von Börsenwerten in Spruchverfahren an. Emmerich hält die Bewertung anhand „realistischer“, also aussagekräftiger Börsenkurse anstelle der Ertragswertmethode trotz verbreiteter Einwände der Betriebswirtschaftslehre für grundsätzlich vorzugswürdig. Man solle sich „wo immer möglich an Marktpreisen zu orientieren“ (Emmerich, in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 8. Aufl. 2016, § 305 Rn. 41a, 41b, 41c, 69b). Auch Krieger (Krieger, in Münchener Handbuch Gesellschaftsrecht Band 4, 4. Aufl. 2015, § 71 Rn. 139) und Veil/Preisser (Veil/Preisser, in Spindler/Stilz, 4. Aufl. 2019, AktG § 305 Rn. 55) plädieren dafür, den Unternehmenswert einer börsennotierten Gesellschaft in der Regel nach dem Börsenkurs der Aktien zu bestimmen und den Börsenwert nicht nur als „Abfindungs- bzw. Wertuntergrenze“ zu verstehen. Die Autoren können sich hier auf Vorarbeiten in der juristischen und betriebswirtschaftlichen Literatur berufen (vgl. Steinhauer, AG 1999, 299, 306 f.; Stilz ZGR 2001, 875, 892 ff.; Weber, ZGR 2004, 280; Aha, AG 1997, 26, 27 f.; Busse v. Colbe, FS Lutter, 2000, 153, 164 f.; Luttermann, ZIP 1999, 45, 47 f.; Weißhaupt, Der Konzern 2004, 474, 479 ff.; Zeidler, NZG 1998, 949 f.).
Stilz (ZGR 2001, 875 ff., 892) hat bereits im Jahr 2001 zutreffend darauf hingewiesen, dass der Mehrheitsaktionär den Minderheitsaktionären bei Durchführung einer Strukturmaßnahme als Abfindung den Verkehrswert ihrer Anteile schulde, der jedoch nicht zwangsläufig mit dem nach der Ertragswertmethode berechneten anteiligen Wert übereinstimme Steinhauer (AG 1999, 299 ff., 300, 302) führte schon 1999 aus, den Börsenkurs nur bei einer fehlerhaften Informationsvereinbarung durch den Kapitalmarkt nicht als maßgeblich heranzuziehen, und hat herausgearbeitet, dass politische Ereignisse, Gerüchte und psychologische Momente durchaus auch zu den wertbezogenen Faktoren gehören, an denen sich der Verkehrswert an der Börse orientiert (Steinhauer,). Fleischer (AG 2016, 185, 192).vertritt die These, ein „marktorientierter Methodenpluralismus“ verspreche gegenüber der Ertragswertmethode „validere Unternehmenswerte“.
Bei Unternehmen, deren Aktien an der Börse gehandelt werden, ist danach die marktorientierte Bewertung anhand des Börsenkurses eine grundsätzlich geeignete und in der Regel zu angemessenen Ergebnissen führende Bewertungsmethode. Denn die Börse ist der Ort, an dem in einer Marktwirtschaft die Aktionäre und Personen, die Aktionäre der Gesellschaft werden wollen, ihre Wertschätzung zum Ausdruck bringen. Im Börsenkurs spiegelt sich die beobachtbare Wertschätzung der Marktteilnehmer wider. Der Börsenkurs reflektiert den größtmöglichen Konsens zwischen den Marktteilnehmern über den Wert der Aktie (OLG Frankfurt, Beschluss vom 03. September 2010 – 5 W 57/09, juris Rn. 54 ff., 56), weil gewöhnliche Marktteilnehmer regelmäßig die Börse als Ort des Handelns, als Handelsplatz (vgl. § 2 Abs. 5 BörsG) nutzen (und nicht den außerbörslichen Handel), wenn die Börse den Handel mit der betroffenen Aktie möglich macht, und weil der Börsenkurs den Ausgleich von Angebot und Nachfrage reflektiert. Preise, die während der Börsenzeit an einer Börse festgestellt werden, sind Börsenpreise. Als Börsenpreise werden im Übrigen auch Preise angesehen, die während der Börsenzeit im Freiverkehr an einer Wertpapierbörse festgestellt werden (§ 24 Abs. 1 BörsG). Börsenpreise müssen ordnungsmäßig zustande kommen und „der wirklichen Marktlage des Börsenhandels entsprechen“ (so ausdrücklich § 24 Abs. 2 BörsG). Deshalb ist der Börsenkurs regelmäßig als Verkehrswert der Aktie anzusehen (BVerfG, aaO).
Der BGH spricht in der „Stollwerck“-Entscheidung von 2010 (aaO) die sich an der Börse widerspiegelnde „Markterwartung“ an, indem er formuliert, dass sich der Börsenkurs „aus Angebot und Nachfrage unter dem Gesichtspunkt des vom Markt erwarteten Unternehmenswertes bildet“, bis er durch das Bekanntwerden der bevorstehenden Strukturmaßnahme beeinflusst wird. Zu Recht geht der BGH somit davon aus, dass Börsenkurse regelmäßig einen vom Kapitalmarkt erwarteten Unternehmenswert abbilden.
Die Kammer ist bereits seit ihrem Beschluss vom 17.2.2009 – 3-05 O 56/06 (aaO)- überzeugt, dass die Ertragswertmethode der marktorientierten Bewertung anhand des Börsenkurses methodisch nicht überlegen, sondern höchstens gleichwertig ist.
Die Ertragswertmethode nimmt nämlich für sich in Anspruch, zunächst einen hypothetischen Verkehrswert für das Unternehmen insgesamt aus Sicht eines gedachten bestinformierten Käufers zu ermitteln, den es in der Realität aber nicht gibt. In einem zweiten Schritt muss bei der Ertragswertmethode aus diesem hypothetischen Unternehmenswert, der anhand diskontierter prognostizierter künftiger Erträge des Unternehmens gewonnen wurde, dann der Wert des Anteils abgeleitet werden. Existiert hingegen für Unternehmensanteile wie Aktien ein beobachtbarer Marktpreis, so wird das Bewertungsproblem „im Ansatz von den Füßen auf den Kopf“ gestellt, wenn man statt der „denkbar einfachsten und zudem naheliegenden Bewertungsmöglichkeit“ eine aufwendige (hypothetische) Ertragswertbetrachtung vornimmt und über diese indirekt einen hypothetisch fairen Wert der Aktie aus Sicht eines idealtypisch bestinformierten Aktionärs mit fiktivem Zugang zu sämtlichen bewertungsrelevanten Unternehmensdaten rechnerisch ermittelt (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 03. September 2010 – 5 W 57/09, aaO Rn. 58). Mit dem Wert, den der Aktionär im Falle einer börsennotierten Gesellschaft bei einer freien Deinvestitionsentscheidung durch Veräußerung seiner Aktien an dem ihm zur Verfügung stehenden Markt – der Börse – erzielen könnte, hat dieses theoretische Ergebnis allenfalls zufällig etwas zu tun (so schon LG Stuttgart, Beschluss vom 03. April 2018 – 31 O 138/15 KfHSpruchG –, Rn. 90, juris).
Auf einem funktionierenden Kapitalmarkt liefert der Markt – auch aus Sicht des Gesetzgebers – die richtige Unternehmensbewertung (BT-Drucks. 13/9712, S. 13). Deshalb zieht der Steuergesetzgeber zur Bewertung von Unternehmensanteilen regelmäßig den Marktpreis (d.h.: Börsenkurs) heran, wenn ein solcher existiert, und greift nur hilfsweise auf andere Bewertungsverfahren, etwa das Ertragswertverfahren, zurück (vgl. §§ 9, 11 Abs. 1 BewG).
Im Übernahmerecht gilt sowohl für freiwillige Übernahmeangebote als auch für Pflichtangebote: Die angebotene Gegenleistung muss angemessen sein, und dabei ist der Börsenkurs zu berücksichtigen (§§ 31 Abs. 1, 39a WpÜG). Im Interesse einer schnellen und für die Beteiligten möglichst rechtssicheren Abwicklung solcher öffentlicher Marktransaktionen (vgl. BT-Drucks. 14/7034, S. 27) sieht die aufgrund von § 31 Abs. 7 WpÜG erlassene WpÜG-AngebVO die Orientierung am gewichteten durchschnittlichen Börsenkurs in einem Dreimonatszeitraum vor der Veröffentlichung vor, und verlangt eine Unternehmensbewertung nur, wenn für die Aktien an weniger als einem Drittel der Börsentage Börsenkurse festgestellt worden sind und mehrere nacheinander festgestellte Börsenkurse um mehr als 5 Prozent voneinander abweichen.
Im Aktienrecht hat der Gesetzgeber geregelt, dass ein mit der Verwässerung von Anteil und Stimmrecht verbundener Ausschluss des Bezugsrechts nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG insbesondere dann zulässig ist, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen zehn vom Hundert des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis „nicht wesentlich unterschreitet.
Auch in anderen Rechtsgebieten geht der Gesetzgeber von der Angemessenheit von Marktpreisen aus, die an der Börse zustande kommen (vgl. §§ 385, 1221, 1235 Abs. 2, 1295 BGB; §§ 373 Abs. 2, 381 Abs. 1 HGB; § 821 ZPO; vgl. dazu Aha, AG 1997, 28 f.). Im ehelichen Güterrecht werden Zugewinn- und Pflichtteilsansprüche gegebenenfalls auf der Grundlage von Börsenkursen ermittelt.
Kapitalmarkteffizienz wird häufig nur in abgestufter Form zu finden sein. Ein hocheffizienter Kapitalmarkt läge nur dann vor, wenn sämtliche überhaupt existierenden, wertbeeinflussenden Informationen über die Aktie und das Unternehmen stets allen Marktteilnehmern vorlägen und dementsprechend in den Aktienkursen reflektiert wären. Davon kann in der Praxis nicht ausgegangen werden. Der Kapitalmarkt wie auch die Bewertung nach dem Ertragswertverfahren durch unternehmensexterne Wirtschaftsprüfer steht vor dem Problem des Zugangs zu allen relevanten Unternehmensdaten. Der ausscheidende Minderheitsaktionär kann eine realitätsgerechte Bewertung seiner Aktie verlangen, die sich am Verkehrswert orientieren muss. Die partielle Informationsineffizienz des Kapitalmarkts spricht aber nicht gegen die Legitimität der Heranziehung real gebildeter (Markt-)Preise für die Aktie bei der Bestimmung des Verkehrswerts. Denn man kann zumindest davon ausgehen, dass erstens in die Wertpapierkurse zwar nicht alle vorhandenen, aber doch alle der Öffentlichkeit zugänglichen Informationen potentiell Eingang finden, und dass zweitens von schlecht informierten oder irrational agierenden Marktteilnehmern aufgerufene, zu geringe Angebotspreise schnell von gut informierten, professionellen Anlegern ausgenutzt und zur eigenen Gewinnmaximierung genutzt werden mit der Folge, dass sich der Kurs nach kurzer Zeit dem Wert angleicht, den die bestinformierten Anleger der Aktie beimessen (zum Ganzen vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 03. September 2010 – 5 W 57/09, juris Rn. 63 ff.; wie hier LG Stuttgart, Beschluss vom 03. April 2018 – 31 O 138/15 KfHSpruchG –, Rn. 92, juris). Der BGH hat bereits in der Entscheidung vom 12. März 2001 (II ZB 15/00 – Rn. 19 aaO) darauf abgestellt, dass für die Legitimation zur Heranziehung der Börsenkurse maßgeblich sei, ob und dass „die Börse auf der Grundlage der ihr zur Verfügung gestellten Informationen“ zu einer zutreffenden Bewertung gelangt. Eine strenge Informationseffizienz im Sinne einer Freiheit des Marktes von Informationsasymmetrien verlangt er demnach für die Aktienbewertung nicht. In der Entscheidung vom 12. Januar 2016 (II ZB 25/14 aaO) führt der BGH aus, dass der Anteilswert „aufgrund einer Unternehmensbewertung zu ermitteln sei“, wenn „im konkreten Fall von der Möglichkeit einer solchen effektiven Informationsbewertung nicht ausgegangen werden (kann), so dass der Börsenkurs keine verlässliche Aussage über den (mindestens zu gewährenden) Verkehrswert der Unternehmensbeteiligung erlaubt. Das kann im Umkehrschluss nur bedeuten, dass die Heranziehung von Börsenkursen zur Bewertung im Spruchverfahren legitim ist und ausreicht, wenn es keine Anhaltspunkte – jedenfalls nicht zum Nachteil der Minderheitsaktionäre – für eine „ineffektive Bewertung“ der dem Kapitalmarkt zugänglich gemachten Informationen gibt ( so auch LG Stuttgart, Beschluss vom 03. April 2018 – 31 O 138/15 KfHSpruchG –, Rn. 93, juris).
Die Ertragswertmethode hat zwar gegenüber der marktorientierten Bewertung nach Börsenkursen den Vorteil, dass sie auch der Öffentlichkeit nicht zugängliche, bewertungsrelevante Informationen etwa zur Unternehmensplanung, ausschließlich unternehmensintern zur Verfügung stehende Informationen über die Konkurrenzsituation am Markt oder interne Informationen über noch nicht öffentlich bekannte Produktentwicklungen mit Ertragspotential wie auch noch nicht öffentlich bekannte, aber unternehmensintern bei der Planung berücksichtigte Ertragsrisiken berücksichtigen kann und sollte. Auf diesen besonderen Wert einer Ertragswertbegutachtung durch einen Wirtschaftsprüfer als Sachverständigen, „in das Unternehmen hineinschauen zu können“, weisen Wirtschaftsprüfer gerne hin, was jedoch im Einzelfall – wie der Kammer als der seit 2003 für Hessen allein zuständigen erstinstanzlichen Gericht immer wieder vor Augen geführt wird – nicht unproblematisch ist, aufgrund der – auch im vorliegenden Verfahren – erhobenen Beanstandungen an der Planung und aufgrund der Verfahrensdauer nachträglich zu beobachtenden tatsächlichen Entwicklung mit signifikanten Abweichungen zur Planung (in beide Richtungen) .
Leitlinie bei der Angemessenheitsdiskussion muss die verfassungsgerichtliche Vorgabe sein, den Betrag zu ermitteln, der dem Verkehrswert der Aktie zum Stichtag entspricht. Das ist der Betrag, den der außenstehende Aktionär bei einer „freien Deinvestitionsentscheidung“ bzw. einer fiktiven Veräußerung am Markt zu diesem Zeitpunkt – dem Bewertungsstichtag – bekommen hätte (auch wenn er im Falle des § 327a AktG nicht „freiwillig“ veräußern wollte und nicht freiwillig veräußert hätte; auch wenn er im Falle des §§ 304, 305 AktG lieber an einem nicht beherrschten Unternehmen beteiligt geblieben oder nach seiner Anlageplanung lieber zu einem späteren Zeitpunkt veräußert hätte). Der außenstehende Aktionär hat nämlich auch an dem nur unvollständig informierten Kapitalmarkt bei einer freien Deinvestitionsentscheidung praktisch keine Chance auf eine Realisierung potentiell werterhöhender, aber am Kapitalmarkt noch nicht bekannter Faktoren. Umgekehrt werden ihm – über bloß spekulative Erwägungen anderer Marktteilnehmer hinausgehend – bei einer freien Veräußerung über die Börse am Kapitalmarkt im Rahmen der Preisbildung auch keine öffentlich noch unbekannten unternehmensinternen Risiken „entgegengehalten“; er hat vielmehr die Chance, dann dennoch den – bei Ertragswertbetrachtung eigentlich „zu hohen“ – Börsenkurs als von der Öffentlichkeit so wahrgenommenen Verkehrswert zu realisieren. Eine „Kombinationsmethode“ dahingehend, dem Aktionär mindestens den Börsenkurs als „Untergrenze“ und zugleich einen etwaigen höheren Ertragswert zuzubilligen, ihm einen etwaigen im Vergleich zum Börsenkurs niedrigeren Ertragswert aber nicht zum Nachteil gereichen zu lassen, läuft letztlich auf eine unbillige „Rosinentheorie“ hinaus, die Chancen und Risiken ungleich verteilt und weder einfachgesetzlich legitimiert werden kann noch verfassungsrechtlich geboten ist (wie hier schon LG Stuttgart, Beschluss vom 03. April 2018 – 31 O 138/15 KfHSpruchG –, Rn. 96, juris).
Die verfassungsgerichtliche Vorgabe, zu gewähren sei das, was die Minderheitsaktionäre bei einer (fiktiven) „freien Deinvestitionsentscheidung“ bekommen hätte, hat der BGH selbst gleichgesetzt mit dem Betrag, den sie „ohne die zur Entschädigung verpflichtende Intervention des Hauptaktionärs oder die Strukturmaßnahme bei einem Verkauf des Papiers erlöst hätten“ (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2010 – II ZB 18/09 – aaO). Das ist aus der Perspektive der Minderheitsaktionäre im Regelfall nichts anderes als der Börsenkurs. Denn von Sonderfällen abgesehen („Paketaktionäre“), hätten die Minderheitsaktionäre ihre Aktien auf einem außerbörslichen Markt – außer möglicherweise an den Hauptaktionär – regelmäßig nicht, schon gar nicht zu höheren Preisen als an der Börse, verkaufen können.
Die Ertragswertmethode blendet zudem aus, dass Aktionäre individuelle Anlageentscheidungen regelmäßig nach Heranziehung ganz anderer fundamentalanalytischer Daten und nach Vergleichen mit Papieren anderer Emittenten treffen: Von Bedeutung für sie sind etwa die Dividendenrendite, das Kurs-Gewinn-Verhältnis (eine Aktie, die mit einem KGV unterhalb des langjährigen branchenspezifischen Mittelwert liegt, gilt als günstig), das Kurs-Buchwert-Verhältnis, das Kurs-Umsatz-Verhältnis, die Gesamtkapitalrendite oder die Eigenkapitalquote (insbesondere als Indikator für die finanzielle Stabilität oder Fremdkapitalabhängigkeit eines Unternehmens). Informationen und Mittel zur Ertragswertberechnung, die einem vom Gericht bestellten sachverständigen Prüfer im Vorfeld eines Spruchverfahrens zugänglich gemacht werden, stehen den Minderheitsaktionären am Markt regelmäßig nicht zur Verfügung, sie spielen am Aktienmarkt bei börsennotierten Gesellschaften für die allermeisten Aktionäre keine Rolle. „Kein rational handelnder Minderheitsaktionär wird seine Entscheidung ernsthaft davon abhängig machen, was der zum Bewertungsstichtag gültige IDW-Standard vorschreibt“ (Fleischer, AG 2016, 185, 195 unter Hinweis auf eine ökonomische Dissertation von Karami, Unternehmensbewertung im Spruchverfahren beim „Squeeze-out“, 2014, S. 252). Der mithilfe der Ertragswertmethode ermittelte „Unternehmenswert“ ist nämlich aufgrund zahlreicher dem Verfahren immanenter Unwägbarkeiten notwendigerweise nur eine Fiktion (OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. Januar 2011 – 20 W 3/09 –, Rn. 256, juris). Demgegenüber beruhen Börsenkurse regelmäßig auf einem realen Handelsgeschehen.
Wenn sich Minderheitsaktionäre auf einen (wenn auch eingeschränkt effizienten) Kapitalmarkt begeben, um dort – außerhalb der hier außer Acht zu lassenden Abfindungsspekulationen – Aktien zu erwerben, so unterwerfen sie sich auch für den Fall einer „freien Deinvestitionsentscheidung“ von vornherein den jeweiligen Marktgegebenheiten. Sie erwerben die Aktien an der Börse regelmäßig nicht in der Erwartung, später eine Abfindung auf der Grundlage eines Ertragswertgutachtens zu bekommen, sondern allenfalls in der Hoffnung, diese Aktie später gegebenenfalls an der Börse wieder zu einem mindestens gleich hohen Preis nach Vereinnahmung von Dividenden veräußern zu können. Der Markt, auf den sie sich bei der Investitionsentscheidung begeben haben, gewährt ihnen keine Sicherheit, dass ihre (Gewinn-) Erwartung zum Zeitpunkt einer „freien Deinvestitionsentscheidung“ auch eintritt (wie hier LG Stuttgart, Beschluss vom 03. April 2018 – 31 O 138/15 KfHSpruchG –, Rn. 100, juris).
Die Bewertung nach der Ertragswertmethode muss zudem mit Plausibilisierungen und Schätzungen arbeiten ist daher mit zahlreichen – teilweise subjektiv gefärbten – Unschärfen und Unwägbarkeiten behaftet (so schon Kammerbeschluss vom 13.3.2009 – 3-05 O 56/06 -). Kern des Ertragswertverfahrens ist die Diskontierung prognostizierter künftiger Erträge, deren Höhe aber nicht bekannt ist, die also nur aufgrund der bisherigen Erträge, der Unternehmensplanungen und allgemeinen Einschätzungen der Zukunft geschätzt werden können. Der Ertragswertmethode, ob nun in Gestalt des CAPM oder des Tax-CAPM, wird in der Literatur vorgeworfen, dass die gebräuchlichen Berechnungsmodelle aufgrund ihrer Bedingungen, die nur in einer idealen Modellwelt Gültigkeit hätten, eine „pseudo-mathematische Exaktheit“ vortäuschten. Die Konsequenz könne zum Schutz der außenstehenden Aktionäre nur darin liegen, „sich wo immer möglich an Marktpreisen zu orientieren“ (Emmerich, in Emmerich/Habersack, a.a.O. 8. Aufl. 2016, § 305 AktG Rn. 41a, 41b, 69b). Bei einer Ertragswertberechnung etwa nach Tax-CAPM ist bei vielen Parametern eine ganze Bandbreite von Werten (insbesondere bei der Marktrisikoprämie) vertretbar und angemessen, ohne dass ein in die Formel eingesetzter Wert als allein „richtig“ und zu einem einzig zutreffenden „wahren Unternehmenswert“ führen würde. Bereits marginale Änderungen etwa beim Basiszins oder der Marktrisikoprämie können erhebliche Auswirkungen auf das Ergebnis der Ertragswertberechnung haben.
Eine gerichtliche Prüfung des Ertragswerts ist und bleibt deshalb entbehrlich, wenn es aussagekräftige Börsenkurse gibt, die zur Bestimmung des Verkehrswerts der Aktie heranzuziehen sind. In diesem Fall bildet der Börsenkurs nicht die Untergrenze, sondern tatsächlich die angemessene Abfindung. Diese Auffassung entspricht auch dem Gebot, im Rahmen der Angemessenheitsprüfung den Aufwand für die Unternehmensbewertung – diese beruht ohnehin (auch beim Börsenkurs) auf einer Schätzung nach §§ 287 Abs. 2 ZPO, 738 Abs. 2 BGB – in verfahrensökonomisch vertretbaren Grenzen zu. Die gegenteilige Auffassung, die auch bei aussagekräftigem Börsenkurs stets (mindestens) eine Plausibilisierung durch eine Ertragswertbetrachtung fordert, ist spätestens durch die Entscheidung des BGH vom 29. September 2015 (aaO) als überholt anzusehen und läuft auf eine Bestimmung der Abfindung nach dem Meistbegünstigungsprinzip hinaus (durch Abfindung zum Ertragswert, wenn dieser im Einzelfall höher ist als der aussagekräftige Börsenkurs). Die Anwendung eines solchen Meistbegünstigungsprinzips können die Minderheitsaktionäre aber, wie bereits ausgeführt, weder nach einfachgesetzlichen Regelungen noch aufgrund von Art. 14 Abs. 1 GG verlangen. Die noch in der BGH-Entscheidung vom 12. März 2001 wohl für erforderlich angesehene Ermittlung eines „Schätzwerts“ (gemeint: Ertragswert – vgl. Stilz, ZGR 2001, 875 ff., 883), der Vergleich des Ertragswerts mit einem aussagekräftigen Börsenkurs und die Wahl des höheren der beiden Beträge zur Bestimmung der angemessenen Abfindung (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 – II ZB 15/00 –, juris Rn. 21) wird damit obsolet.
Soweit in der Literatur die Gleichsetzung von Börsenpreis und Unternehmenswert als problematisch (vgl. Castedello/Jonas/Schieszl/Lenckner, Wpg 2018, 806 ff., 819) bezeichnet wird, weil der Wert als „allgemeingültige und objektive Eigenschaft eines Unternehmens“ nicht mit dem von subjektiven Vorstellungen geprägten Preis identisch sein müsse (vgl. die Zitate bei Henselmann, in Peemöller, Praxishandbuch Unternehmensbewertung, 6. Aufl., Seite 114), ist dem zunächst entgegenzuhalten, dass an einem funktionierenden Kapitalmarkt der Markt die „richtige“ Unternehmensbewertung liefert – und zwar nicht nur aus Sicht des Gesetzgebers (BT-Drucks. 13/9712, S. 13) und aus juristischer Sicht (vgl. Steinhauer, AG 1999, 303 f.), sondern durchaus auch aus ökonomischer Sicht, was in den Überlegungen der Kapitalmarktforschung (dazu sogleich) und in der Formulierung zum Ausdruck kommt, dass zumindest ein „vollkommener Markt“ (gemeint wohl: informationseffizienter Markt) einen „eindeutigen Marktpreis“ generiere (vgl. Henselmann, in Peemöller, a.a.O. Seite 113).
Dementsprechend ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht der im Spruchverfahren „gesuchte“ Verkehrswert „regelmäßig mit dem Börsenkurs der Aktie identisch“ (BVerfG, Beschluss vom 27. April 1999 – 1 BvR 1613/94 -, juris Rn. 56, 60, 63 aaO).
Der Zugriff auf (ggf. vermeintlich) zusätzliche Informationen bei Praktizieren des Ertragswertverfahrens wird als Vorteil dieser Methode und als Nachteil einer Wertindikation über den Börsenkurs dargestellt (Ruthardt/Hachmeister, NZG 2014, 455 ff., 457). Durch die verhaltensorientierte Finanzmarkttheorie ist aber bekannt, dass die Kapitalmarktteilnehmer, die durch ihr Handeln den Verkehrswert der Aktie prägen, ohnehin regelmäßig unvollständig informiert sind und die sich hieraus ergebende Unsicherheit etwa durch Orientierung am Handeln der „Mehrheit“ der übrigen Akteure am Markt auszugleichen versuchen. Wenn sie aber in Unkenntnis nicht öffentlich bekannter Tatsachen dennoch Anlageentscheidungen treffen und dadurch Transaktionen zustande kommen, anhand derer Verkehrswerte feststellbar sind, so schießt die Ertragswertmethode mit der „Einpreisung“ nicht öffentlich bekannter Informationen zumindest aus verfassungsrechtlicher Perspektive übers Ziel hinaus (auch wenn eine zu hohe Abfindung freilich verfassungsrechtlich unbedenklich ist).
Für den Rückgriff auf Börsenkurse als Marktpreise – wo immer möglich – bei der Angemessenheitsprüfung im Spruchverfahren sprechen die Erkenntnisse aus der neoklassischen Kapitalmarkttheorie, die auf zwei sich bedingenden ökonomischen Konzepten beruhen: auf der Idee des „Gleichgewichtspreises“ und dem Konzept der „Informationseffizienz“. Dabei ergibt sich allerdings aus der verhaltensorientierten Finanzmarkttheorie, dass beide Prämissen in der Realität nicht in Reinform zu finden sind, so dass etwa eine „vollkommene Informationseffizienz“ als unrealistische Bedingung schlechterdings auch nicht gefordert werden kann, um Börsenkurse zur Bewertung heranzuziehen.
Jedoch gilt auch in der Kapitalmarkttheorie, das der Wert einer Aktie von unsicheren Erwartungen abhängt, über die einzelne Marktteilnehmer durchaus unterschiedliche Vorstellungen haben können. Diese Marktteilnehmer werden – basierend auf ihren Erwartungen – Kauf- und Verkaufsgebote abgeben. Der sich nach Ausgleich von Angebot und Nachfrage ergebende Gleichgewichtspreis (oder synonym: Gleichgewichtskurs) ist der ‚wahre Wert‘ der Aktie, er bildet die durchschnittlichen Erwartungen der Marktteilnehmer ab. Der Preis kann gemäß dieser theoretischen Denkweise gar nicht vom wahren Wert abweichen. Marktteilnehmer würden diese Abweichung erkennen und die unterbewertete (überbewertete) Aktie kaufen (verkaufen), um so erwartete Gewinne zu erzielen (Arbitrage-Argumentation)“ (Weber, ZGR 2004, 280 ff., 281 f.).
Die Theorie über die Preisanpassung auf Finanzmärkten beruht auf der Hypothese der Kapitalmarkteffizienz. Nach der von Fama entwickelten Effizienzmarkthypothese ist ein Markt dann effizient, wenn die Wertpapierkurse alle vorhandenen Informationen komplett widerspiegeln. Unkorrelierte Fehlbewertungen einiger weniger, irrational handelnder Marktteilnehmer neutralisieren sich (zusammenfassend Daxhammer/Facsar, Behavioral Finance: verhaltenswissenschaftliche Finanzmarktforschung im Lichte begrenzt rationaler Marktteilnehmer, 2018, Seite 39 ff., 42 ff.). Ist diese Bedingung in der mittelstrengen Form der Markteffizienz erfüllt, sind also alle historischen Daten und öffentlich bekannten Informationen bereits in den aktuellen Preisen berücksichtigt, dann führt die fundamentale Wertpapieranalyse auf Basis öffentlicher Informationen zu keinerlei Überrendite, und Überrenditen lassen sich allenfalls durch die Kenntnis von oder die Suche nach privaten Informationen erzielen. Einschränkend: „Effizienz fordert nicht, dass alle Kapitalmarktteilnehmer über die gesamte Information verfügen. Vielmehr kann jedem eine Teilmenge der gesamten Information zur Verfügung stehen, die jedoch im Fall effizienter Märkte aggregiert den Preis korrekt erklären muss“ (LG Stuttgart aaO; Weber, ZGR 2004, 280 ff., 282).
Eine ökonomische Erklärung für das mögliche Auseinanderfallen von Ertragswert und Preis liefern schwer schätzbare nichtmonetäre Nutzen-Erwägungen von Käufern oder Verkäufern bei der Kauf- oder Verkaufsentscheidung (Henselmann, in Peemöller a.a.O. Seite 114). An einem funktionierenden Kapitalmarkt gleichen sich jedoch unterschiedliche subjektive Wertvorstellungen der Marktteilnehmer aus, der Börsenpreis bildet deren durchschnittliche Erwartungen ab (Weber, ZGR 2004, 280 ff., 282).
Akteure am Kapitalmarkt lassen in ihre individuellen Prognosen, die sie vor Anlageentscheidungen treffen, nicht nur unternehmensindividuell erwartete Kennzahlen, sondern z.B. auch allgemeine Markterwartungen einfließen. Nichts anderes geschieht aber bei der Aufstellung unternehmerischer Planzahlen und bei deren Fortschreibung in der „ewigen Rente“ durch Wirtschaftsprüfer, wenn sie das Ertragswertverfahren als Bewertungsmethode anwenden.
Die Verhaltensökonomie (verhaltensorientierte Finanzmarkttheorie) zeigt auf: Anleger verhalten sich am Kapitalmarkt nicht rein rational, sondern nur begrenzt rational (etwa: risikofreudiges Verhalten wegen Verlustaversion; Über- und Unterreaktion; „Herdenverhalten“ aufgrund fehlender Informationen; Heuristik; Endowment-Effekt). Sie sind abweichend vom Konzept des „Homo oeconomicus“ nicht (durchweg) in der Lage, völlig rational alle relevanten Informationen fehlerlos zu verarbeiten. Bei der Informationswahrnehmung bedienen sich die Marktteilnehmer bestimmter Heuristiken, die zwar zu einem schnellen Informationsüberblick verhelfen, aber zugleich verhindern, dass sämtliche verfügbaren Informationen überhaupt in den Entscheidungsprozess einfließen. Kapitalmarktteilnehmer treffen Entscheidungen häufig nicht auf der Grundlage privater Informationen über das Entscheidungsobjekt, sondern orientieren sich am Verhalten einer bestimmten Gruppe anderer Akteure. Psychologische Kräfte haben erheblichen Einfluss auf das Anlegerverhalten, insbesondere wenn Unsicherheiten im Spiel sind. Das führt zu ständigen Über- oder Unterbewertungen. Die meisten von der Verhaltensökonomie beschriebenen Phänomene lassen sich wissenschaftlich erklären. Der Ausgangspunkt der neoklassischen Wirtschaftstheorie, der „Homo oeconomicus“ als „selten erreichtes Ideal“, das Konzept vom Gleichgewichtspreis und die Effizienzmarkthypothese ermöglichen eine zur Lösung von Einzelproblemen durchaus sinnvolle Vereinfachung der Realität auf einige wenige Annahmen und dienen der Komplexitätsreduktion der Modelle, müssten aber zur Abbildung des realen Anleger- und „Bewertungsverhaltens“ um weitere Annahmen ergänzt werden (zum Ganzen Daxhammer/Facsar, Behavioral Finance, a.a.O., Seite 20 ff., 73, 79 ff., 89 ff., 209 ff., 213; Hacker, Verhaltensökonomik und Normativität, 2017, Seite 59 ff., 78, 103 ff., 122 ff.; von Holle, Ökonomie 4.0, 2018, Seite 43 ff., 57, 81, 84). Aus der Komplexitätsreduktion folgt jedoch bereits, dass nicht jede Feststellung einer Abweichung der Realität etwa von der Effizienzmarkthypothese dazu zwingt, die Ergebnisse des Marktes zu verwerfen.
Das von der Verhaltensökonomie beschriebene Verhalten prägt vielmehr den Markt und damit auch den Verkehrswert der Aktie und ist kein Grund, Börsenwerte als Verkehrswerte generell in Frage zu stellen. Werden im Einzelfall von der Verhaltensökonomie analysierte begrenzt rationale oder „irrationale“ Verhaltensweisen der Marktteilnehmer als kursprägend festgestellt, kann eine vertiefte Prüfung zum gesetzlichen Merkmal der Angemessenheit erforderlich werden, wobei die Kammer hier dahingestellt lässt, in welchen Konstellationen die Angemessenheit der Abfindung zum Verkehrswert (umsatzgewichteten durchschnittlichen Börsenkurs) zu verneinen ist.
Soweit in der Betriebswirtschaftslehre beschrieben wird, dass der Börsenkurs „einem labilen Regelkreis folgend“ um den „fundamentalen Wert“ der Aktie schwanke (Ruthardt/Hachmeister,NZG 2014, 455 ff., 456 mwN.), könnte sich aus der verhaltensorientierten Finanzmarkttheorie eine Erklärung für diese Schwankungen ergeben. Der Rückgriff auf einen dreimonatigen Referenzzeitraum und einen umsatzgewichteten Durchschnittskurs trägt im Rahmen der richterlichen Schätzung wiederum der Nivellierung kurzfristiger „Übertreibungen“ Rechnung.
Es ist weder gesetzliches Leitbild noch Sinn und Zweck der Angemessenheitsprüfung im Spruchverfahren, subjektive Wertvorstellungen aller Minderheitsaktionäre oder des Mehrheitsaktionärs zu ermitteln oder den höchsten „Verkäufergrenzpreis“, d.h. einen subjektiven Grenzpreis zu finden, zu dem der letzte verbleibende Minderheitsaktionär bereit wäre, seine Aktien zu veräußern. Auch in der betriebswirtschaftlichen Literatur wird bestätigt, dass ein solcher Ansatz „in den meisten Fällen über die normzweckadäquate wirtschaftlich volle Entschädigung hinausgehen“ dürfte (Ruthardt, Normzweckkonforme Unternehmensbewertung und Abfindungsbemessung beim aktienrechtlichen Squeeze Out, 2014, Seite 119).
In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird teilweise darauf verwiesen, dass für die Bewertung von börsennotierten Unternehmensanteilen eine Typisierung der Anlagestrategie der abzufindenden Aktionäre erforderlich sei (Ruthardt/Hachmeister, NZG 2004, 41 ff.). Es wird argumentiert, der „Deinvestitionswert“ sei nur für Anleger mit sehr kurzem Anlagehorizont die relevante Wertkategorie. Da es jedoch auch langfristig orientierte Anleger gebe, müsse aus verfassungsrechtlichen Gründen der Wert der Aktie (auch) unter der Annahme einer dauerhaften Halteabsicht ermittelt werden. Neben dem „Deinvestitionswert“ sei auch der „Daueranlagewert“ zu ermitteln, den man bei einer Fokussierung auf den Börsenkurs vernachlässige. Wenn ein Minderheitsaktionär seine Anteile vor Ankündigung einer Strukturmaßnahme nicht zum Börsenkurs verkauft habe, müsse sein „Verkäufer“-Grenzpreis über dem Börsenkurs gelegen haben (Ruthardt, Normzweckkonforme Unternehmensbewertung a.a.O., Seite 205; Ruthardt/Hachmeister, NZG 2004, 41 ff., 44, 46).
Dieser Argumentation ist entgegenzuhalten: Glaubt ein Anleger, eine Aktie sei am Kapitalmarkt unterbewertet, so kann er die Aktie in der Absicht einer späteren Weiterveräußerung zum höheren Preis oder in der Erwartung der nachhaltigen Erzielung von Überrenditen (gegenüber dem Markt) erwerben. Glaubt er, sie sei überbewertet, wird er tendenziell verkaufen. Wie bereits dargestellt, bringt der Kapitalmarkt – unter der Prämisse der Kapitalmarkteffizienz – die unterschiedlichen subjektiven Wertvorstellungen zum Ausgleich, und der sich dabei ergebende Preis entspricht an einem informationseffizienten Kapitalmarkt genau dem im Spruchverfahren gesuchten „objektiven“ oder „wahren“ Wert des Anteils zum jeweiligen Zeitpunkt. Der Börsenkurs widerspiegelt, wie ausgeführt, an einem funktionierenden Kapitalmarkt die durchschnittlichen Ertragserwartungen der Anleger. Die von Ruthardt vorgeschlagene Differenzierung zwischen „Kurz- und Langfristanlegern“ führt eine subjektive Komponente ein, die als vermeintlicher Nachteil der marktorientierten Bewertungsmethode nach dem Börsenkurs dargestellt wird, obwohl auch bei der Ertragswertmethode versucht werden muss, unterschiedliche Erwartungshorizonte miteinander in Einklang zu bringen, was letztlich auch nur mithilfe subjektiver Einschätzungen der Bewerter erreicht werden kann; am funktionierenden Kapitalmarkt sorgen idealerweise bereits die dargestellten Marktmechanismen für den Ausgleich im Preis.
Art. 14 Abs. 1 GG gebietet im vorliegenden Kontext, dass der Minderheitsaktionär als Abfindung nicht weniger erhält, als er „bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt des Unternehmensvertrags oder der Eingliederung erlangt hätte“ (BVerfG, Beschluss vom 27. April 1999 – 1 BvR 1613/94 –, BVerfGE 100, 289-313, Rn. 56). „Bloße, in dem aktuellen Wert des konkreten Eigentums noch nicht abgebildete Gewinnerwartungen und in der Zukunft liegende Verdienstmöglichkeiten sowie Chancen und Gegebenheiten, innerhalb derer ein Unternehmen seine Tätigkeit entfaltet, liegen grundsätzlich außerhalb des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie“ (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16. Mai 2012 – 1 BvR 96/09, 1 BvR 117/09, 1 BvR 118/09, 1 BvR 128/09 –, Rn. 23 aaO; Nichtannahmebeschluss vom 23. August 2000 – 1 BvR 68/95 –, Rn. 18, juris mwN.). Die subjektive Einschätzung eines „Langfristanlegers“, der von ihm unterstellte „Daueranlagewert“ sei höher als der aktuelle Wert (regelmäßig: der Marktpreis), entspricht in Höhe der Differenz einer solchen im aktuellen Wert „nicht abgebildeten“ und deshalb verfassungsrechtlich nicht geschützten „Gewinnerwartung“ und „in Zukunft liegenden Chance“ auf Verdienstmöglichkeiten. Entgegen der Auffassung von Ruthardt besteht verfassungsrechtlich nicht die Notwendigkeit, die von diesem „Langfristanleger“ erwartete zusätzliche Gewinnchance bei der Abfindungsbemessung (in Höhe der Differenz zwischen seinem individuellen Grenzpreis und dem Börsenkurs) zwingend mitzukompensieren. Überdies schlagen sich die Erwartungen sowohl von Kurz- als auch Langfristanlegern im Marktpreis nieder, soweit sie gerade kaufen oder verkaufen. Verfassungsrechtlich geboten ist die Ermittlung eines über dem Marktpreis liegenden (subjektiven) „Daueranlagewerts“ also nicht.
Die in der betriebswirtschaftlichen Literatur thematisierte Gefahr einer möglichen Beeinflussung des Börsenkurses durch den Mehrheitsaktionär, sei es durch gezielte Handelsaktivitäten, sei es durch eine „gesteuerte“ (negative) Informationspolitik (dazu Ruthardt/Hachmeister, NZG 2014, 41 ff., 45), ist im Grundsatz nicht von der Hand zu weisen. Ob die Gefahr sich im Einzelfall realisiert hat, bleibt jedoch im Spruchverfahren fallbezogen zu prüfen. Der Gedanke der Manipulationsgefahr spricht nicht generell gegen die Heranziehung von Marktpreisen zu Bewertungszwecken und sollte juristisch eher beim Merkmal der „Angemessenheit“ als bei der Identifizierung des Verkehrswerts thematisiert werden. Soweit hier darauf abgestellt wird, die Minderheitsaktionäre könnten nur durch eine „fundamentale Wertermittlung“ unter Beachtung unternehmensinterner Informationen (also wohl: durch Praktizierung der Ertragswertmethode) vor „Manipulationsmöglichkeiten“ des Mehrheitsaktionärs geschützt werden, der bei einer alleinigen Maßgeblichkeit des Börsenkurses private Informationen zu Lasten außenstehender Aktionäre nutzen könne (Ruthardt/Hachmeister, NZG 2014, 455 ff., 457), ist dem entgegen zu halten, dass, dass auch die Ertragswertmethode in der Prägung durch den IDW S 1 die Minderheitsaktionäre nicht vollkommen vor „Manipulationsmöglichkeiten“ schützt. Denn die Unternehmensplanung lässt dem Management des zu bewertenden Unternehmens viele Spielräume, Einfluss auf die Bewertung zu nehmen.
Zudem wäre der Vorzug der Ertragswertmethode nicht stringent.
Es werden bei der Ermittlung des Ertragswerts vielfach Marktdaten heran gezogen. Die unternehmensindividuelle Risikoprämie für das Ertragswertverfahren wird regelmäßig (wie auch im vorliegenden Fall) anhand von Betafaktoren von Peer-Group-Unternehmen ermittelt, die wiederum anhand von Kapitalmarktdaten errechnet werden. Auch bei der Marktrisikoprämie verwendet die Betriebswirtschaftslehre im Rahmen des Ertragswertverfahrens nach dem Tax-CAPM in jüngster Zeit Gesamtrenditen als „implizite Kapitalkosten“ zur zusätzlichen Begründung der (subjektiven) Einschätzung. Diese impliziten Kapitalkosten leitet man wiederum aus bekannten Marktwerten (Börsenkursen) und erwarteten Cashflows her (Castedello/Jonas/Schieszl/Lenckner, Wpg 2018, 806 ff., 818 unter Hinweis auf Jäckel/Kaserer/Mühlhäuser, WPg 2013, 365 ff.; Wagner/Mackenstedt/Schieszl/ Lenckner/ Willmershausen, WPg 2013, 948 ff., 950 ff.).
Nach der Rechtsprechung des BGH ist beim Börsenkurs auf einen Durchschnittskurs über einen „relativ kurz“ zu wählenden Zeitraum von drei Monaten „in größtmöglicher Nähe zu dem Stichtag“ abzustellen.
Die ursprüngliche Auffassung, beim Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages sei auf den Durchschnittskurs in den drei Monaten vor der Hauptversammlung der beherrschten Gesellschaft abzustellen (BGH, Beschluss vom 12. März 2001 – II ZB 15/00 –, „DAT/Altana“, aaO), hat der BGH im Jahr 2010 aufgegeben. Nunmehr hat der BGH entschieden, dass es auf den nach Umsatz gewichteten Durchschnittskurs im Dreimonatszeitraum „vor der Bekanntmachung der Strukturmaßnahme“ ankomme (BGH, Beschluss vom 19. Juli 2010 – II ZB 18/09 –, BGHZ 186, 229 ff., „Stollwerck“, Rn. 21, 22; nochmals bekräftigt mit Beschluss vom 28. Juni 2011 – II ZB 2/10 -) aber eine Hochrechnung des an sich zutreffend auf den Tag der Bekanntgabe ermittelten Börsenkurses auszunehmen ist, wenn ein „längerer Zeitraum“ (vgl. hierzu Kammerbeschluss vom 4.2.2019 – 3-05 O 68/17 -) zwischen der erstmaligen Bekanntgabe der Absicht des „Squeeze-out“ und der Beschlussfassung der Hauptversammlung liege, zum Schutz von Minderheitsaktionäre und um zu verhindern, dass diese von einer positiven Börsenentwicklung ausgeschlossen werden.
Soweit vorliegend der gemeinsame Vertreter der außenstehenden Aktionäre den Börsenkurs bis zum Tag der Hauptversammlung vorliegend berücksichtigt haben will, entspricht dies daher nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Soweit der gemeinsame Vertreter der außenstehenden Aktionäre hier darauf abstellt, dass zum Zeitpunkt der Bekanntgabe bis zur Hauptversammlung nicht feststand, ob diese den entsprechenden Beschluss mangels entsprechender Mehrheit des Hauptaktionärs überhaupt fassen würde, kann dies nicht zur Berücksichtigung des konkreten Börsenkurses der St AG in diesem Zeitraum führen. Gerade der Kursverlauf der St AG in dem maßgeblichen Zeitraum belegt die Begründung des BGH für die Wahl des maßgeblichen Zeitraums. Hierzu hat der BGH (aaO) ausgeführt, der Tag der Hauptversammlung sei als Stichtag des Referenzzeitraums nicht geeignet, weil der Börsenkurs im Zeitraum davor regelmäßig von den erwarteten Abfindungswerten wesentlich mitbestimmt werde und bei einer Bemessung der Abfindung aufgrund dieser Referenzperiode nicht mehr der Verkehrswert der Aktie entgolten werde. „Von der Mitteilung der angebotenen Abfindung“ an, also spätestens mit der Einberufung der Hauptversammlung, die in aller Regel innerhalb des Dreimonatszeitraums liegt, nähere sich der Börsenwert dem angekündigten Abfindungswert. Dabei werde der Kurs in der Erwartung eines Aufschlags im Spruchverfahren oder – als Lästigkeitswert – im Anfechtungsprozess häufig leicht überschritten. Der angebotene Preis für die Aktie werde sicher erreicht. Aber auch schon vor der Bekanntgabe des Abfindungsangebots ändere sich „mit der Bekanntgabe der Maßnahme“ die Börsenbewertung, weg von der Orientierung am möglichen künftigen Unternehmenswert hin zur Erwartung an die künftige Abfindung. Das führe nicht selten zu „heftigen Kursausschlägen“, weil „der Phantasie in beide Richtungen keine Grenzen gesetzt seien“. Mit der Bekanntgabe der Abfindungshöhe beginne „die Spekulation auf den Lästigkeitswert“. Nach Bekanntgabe der Strukturmaßnahme bilde sich der Börsenkurs nicht mehr „aus Angebot und Nachfrage unter dem Gesichtspunkt des vom Markt erwarteten Unternehmenswertes“. Er widerspiegele dann vielmehr den Preis, „der gerade wegen der Strukturmaßnahme erzielt werden kann“, und die „durch die Strukturmaßnahme geweckte besondere Nachfrage“. Diese Nachfrage habe aber „mit dem Verkehrswert der Aktie, mit dem der Aktionär für den Verlust der Aktionärsstellung so entschädigt werden soll, als ob es nicht zur Strukturmaßnahme gekommen wäre, … nichts zu tun“. Vorliegend war mit der Bekanntgabe am 24.8.2017 spätestens mit der Bekanntgabe der Erklärung des Aktionärin E am 31.8.2017, das einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit einer Abfindung von EUR 74,40 zugestimmt werde, klar, dass zumindest eine Abfindung in dieser Höhe angeboten werden würde. Ein Börsenkurs unterhalb dieses Werts war daher nicht zu erwarten und tatsächlich fiel der Börsenkurs der S AG danach bis zur Hauptversammlung am 2.2.2018 nicht mehr darunter, sondern lag teilweise nicht unbeträchtlich darüber.
Der maßgebliche gewichtete Börsenkurs nach WpÜG beträgt daher hier für den Zeitraum vor dem 24.8.2019 entsprechend der Mitteilung der BaFin EUR 65,41
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob angesichts der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichthofs zur Geeignetheit des Börsenkurses (vgl. Beschluss v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 – aaO, mwN) zur Abfindungsermittlung nicht in allen Fällen auch wenn kein längerer Zeitraum zwischen der Bekanntgabe und der beschlussfassenden Hauptversammlung liegt, eine Hochrechnung vorgenommen werden sollte. Jedenfalls würde die Erforderlichkeit einer derartigen Hochrechnung bedingen, kann in dem Zeitraum zwischen der Ankündigung und der Hauptversammlung eine relevante positive Marktentwicklung allgemeinen oder branchentypischen Wertentwicklung zu beobachten wäre, was anhand von Branchenindices bzw. allgemeinen Indices und/oder der Börsenkursentwicklung der für den Betafaktor bei der Ertragswertwertermittlung verwendeten peer-group (vgl. hierzu im Einzelnen Kammerbeschluss vom 4.2.2019 – 3-05 O 68/17 -) festzustellen wäre. Derartiges hat aber keiner der der Beteiligten vorgebracht und auch die Kammer konnte im Zeitraum zwischen dem 24.8.2017 und dem 2.2.2018 im Pharmasektor oder bei den Gesellschaften der peer-group insgesamt eine ggf. im Wege der Hochrechnung bei der St AG zu berücksichtigende positive Börsenkursentwicklung feststellen. Diese müsste nämlich über 12 % betragen, wenn eine Hochrechnung des hier zugrunde zulegenden Börsenkurses von EUR 65,41 die beschlossene Abfindung von EUR 74,40 übersteigen sollte. Der DAX-Sector Pharma bewegte sich in diesem Zeitraum z. B mit einem Punktewert von 5.205 am 24.8.2017 und 5100 am 2.2.2018 mit einer Spitze von 5.457 am 4.10.2017 nahezu nur seitlich.
Das Vorliegen einer Marktenge, die dazu zwingen könnte, dem Börsenkurs die Relevanz für die zu gewährende Abfindung abzusprechen, ist nicht ersichtlich und wird von den Beteiligten auch nicht näher dargelegt.
Vielmehr hat die Antragsgegnerin unwidersprochen dargelegt, dass in dem maßgeblichen Zeitraum vor dem 24.8.2017 an keinen Tag ein Handelsvolumen von 150.000 unterschritten wurde und das tägliche Handelsvolumen 495.056 Stück betragen hat.
Zwar hat der von der Antragsgegnerin beauftrage Bewerter V und der vom Gericht bestelle sachverständige Prüfer A dem Börsenkurs (im Rahmen der Beurteilung, ob er eigene Betafaktor der S AG anzusetzen sei) die Relevanz abgesprochen, doch ist diese Rechtsauffassung für das Gericht in keinster Weise maßgeblich oder bindend, zumal diese Auffassung darauf beruht, dass der Börsenkurs durch Übernahmegerüchte und das tatsächliche Übernahmeangebote von ca. EUR 66,– verzerrt gewesen sei, d.h. letztlich dieser zu hoch gewesen sei, und unzutreffend davon ausgegangen wird, dass dem Börsenkurs (nur) als Untergrenze Relevanz zukommt. Keiner der Antragsteller mach auch geltend, dass hier eine Verzerrung zu Lasten der Minderheitsaktionäre vorliege, was bei Übernahmesachverhalten nur schwer begründbar wäre. Soweit sich Antragsteller zur Ablehnung des Börsenkurses auf die Entscheidungen des OLG Frankfurt (NZG 2014, 464; Beschluss vom 15. Januar 2016 – 21 W 22/13 -) berufen, so ist dies nicht einschlägig, da es dort um Verzerrungen ggf. zu Lasten der Minderheitsaktionär ging.
Da der vereinbarte und beschlossene Abfindungsbetrag nach § 305 AktG von EUR 74,40 über dem für die Abfindung als relevant anzusetzenden Börsenkurs von EUR 65,41 liegt, scheidet eine Erhöhung durch gerichtliche Entscheidung im Spruchverfahren aus.
Auch eine Erhöhung des Ausgleichs von netto EUR 3,53 (Brutto 3,82) nach § 304 AktG scheidet aus.
Entgegen der Auffassung des Bewerters V und des sachverständigen Prüfers A sowie der Antragsteller und des gemeinsamer Vertreters der außenstehenden Aktionäre kann auch hier auf den Börsenkurs zurückgegriffen werden und ist eine Ermittlung des Ertragswerts der S AG entbehrlich. Ein Gewinnabführungsvertrag muss gemäß § 304 Abs. 1 Satz 1 AktG einen angemessenen Ausgleich für die außenstehenden Aktionäre in Form einer wiederkehrenden Geldleistung (Ausgleichszahlung) vorsehen. Als Ausgleichszahlung ist gemäß § 304 Abs. 2 Satz 1 AktG mindestens die jährliche Zahlung des Betrags zuzusichern, der nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren künftigen Ertragsaussichten unter Berücksichtigung angemessener Abschreibungen und Wertberichtigungen, jedoch ohne Bildung anderer Gewinnrücklagen, voraussichtlich als durchschnittlicher Gewinnanteil auf die einzelne Aktie verteilt werden könnte. Das Gericht hat im Spruchverfahren gemäß § 304 Abs. 3 Satz 3 AktG dann einen angemessenen Ausgleich festzusetzen, wenn der im Vertrag bestimmte Ausgleich nicht angemessen ist. Dies führt aber nicht dazu, dass hier zwingend eine Bewertung nach der Ertragswertmethode vorzunehmen wäre.
Zur Prognose der durchschnittlich verteilungsfähigen Gewinne wird wegen der Volatilität der Ertragslage überwiegend an den Unternehmenswert angeknüpft. Aus diesem wird sodann nach der Rentenformel der Ausgleichsbetrag abgeleitet.
Liegt ein für die Frage der Angemessenheit der Abfindung relevanter und verwendeter Börsenkurs vor, kann für diesen auch für die Ermittlung des Ausgleichs zurückgegriffen werden. Dem liegt zugrunde, dass die Berücksichtigung des Börsenwerts auf der Annahme beruht, dass die Marktteilnehmer auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung gestellten Informationen und Informationsmöglichkeiten die Ertragskraft des Unternehmens, um dessen Aktien es geht, zutreffend bewerten und sich die Marktbewertung im Börsenkurs der Aktien niederschlägt (vgl. BGH Beschl. v. 12.1.2016 – II ZB 25/14 – mwN), d.h. auch die für § 304 AktG maßgeblichen Ertragsaussichten sind in einem relevanten Börsenkurs beinhaltet.
Auszugehen ist daher von dem Wert von EUR 65,41 (=Unternehmenswert der S AG von EUR 4.077.819.000) je Anteil.
Dieser Unternehmenswert bzw. Anteilswert ist mit einem Verrentungszinssatz kapitalisieren.
Legt man den von der Antragsgegnerin und dem Bewerter V und dem Sachverständigen Prüfer A für angemessen gehalten Zinssatz von 4,75 % (ermittelt aufgrund einer von der Antragsgegnerin emittierten Anleihe, d. h. der sich daraus ergebenden Einschätzung des Marktes hinsichtlich des Risikos des Schuldners des Ausgleichs) zugrunde ergäbe sich ein Nettoausgleich von EUR 3,11.
Für die Bemessung dieses Verrentungszinssatzes bei dem Ausgleich nach § 304 AktG legte die Kammer bislang (zuletzt Beschluss vom 24.2.2015 – 3-05 O 64/11 -) einen Mischzinssatzzugrunde, wie er als mittlerer Wert zwischen dem risikolosen Basiszinssatz und dem risikoangepassten Kapitalisierungszinssatz vor Steuern ergab. Dies entsprach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt (vgl. Beschluss vom 14.2.2010 – 5 W 52/09 -) sofern nicht besondere Gründe für eine Abweichung vorlagen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss v. 24.11.2011 – 21 W 7/11 –BeckRS 2012, 02278-). Dies fand seine Begründung darin, dass damit der für den garantierten Ausgleichsbetrag abweichenden Risikostruktur Rechnung getragen wird. Das Risiko der Ausgleichszahlung ist nicht mit dem vollen Risiko einer unternehmerischen Betätigung vergleichbar, das aber im Falle der Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag wieder auflebt. Deshalb ist es gerechtfertigt, einen unter dem vollen Kapitalisierungszins, aber über dem quasi risikolosen Basiszins liegenden Verrentungszinssatz anzusetzen.
Entgegen der Auffassung einiger Antragsteller und des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre hält es die Kammer bei der Berechnung des angemessenen Ausgleichs nicht für geboten, den Kapitalisierungszinssatz zur Gänze für die Verrentung des ausgleichsbezogenen Unternehmenswerts heranzuziehen (vgl. auch OLG München AG 2008, 28 m. w. Nachw.). Die Y-Tong-Entscheidung des BGH (NJW 2003, 3273) steht einer solchen Berechnungsweise nicht entgegen, da sich der Bundesgerichtshof im einem Zivilprozessrechtstreit – offensichtlich wegen insoweit unstreitigem Parteivorbringen – nicht näher mit der rechtlich gebotenen Art und Weise der Berechnung des angemessenen Verrentungszinssatzes auseinandergesetzt hat.
Geht man von dem nach Ansicht der Kammer in ständiger Rechtsprechung (seit Beschluss vom 2.5.2006 – 3-05 O 52/05 -; zuletzt Beschluss vom 11.3.2019 – 3-05 O 122/17 – ) zutreffend ermittelten Basiszinssatz von 1,25 % vor Steuern mittels der Zinsstrukturkurve aufgrund der von der Bundesbank festgestellten Werte aus und legt eine Marktrisikoprämie vor Steuern in der Mitte der Bandbreite der Empfehlung des FAUB entsprechend der ständigen Rechtsprechung des OLG Frankfurt (zur Verwendung dieser Empfehlung zuletzt OLG Frankfurt, Beschluss vom 3.1.2019 – 21 W 73/16 -) zwischen 5,5 – 7,0 %, d.h. 6,25 % zugrunde und setzt den niedrigsten vom gemeinsamer Vertreter der außenstehenden Aktionäre ermittelten Beta-Faktor (Schriftsatz vom 4.10.2018, Tz. 523, Bd XLVI Bl. 124 d. A.) von 0,36 an, ergebe sich ein Zuschlag zum Basissatz von 1,125 d.h. ein Verrentungszinssatz von 2,4 % d.h. ein niedriger Zinssatz als der verwendete von 4,75 %. Legt man den vomBewerter V und dem Sachverständigen Prüfer A aufgrund einer peer-group für ermittelten Beta-Faktor von 0,9 % (verschuldet) zugrunde ergäbe dies eine Zuschlag zum Basiszinssatz von 2,81, d.h. ein Verrentungszinssatz von ca. 4,0 %; ebenfalls ein Wert der unter dem verwendeten Zinssatz liegt, so dass dahingestellt bleiben kann, ob es sachgerecht ist, den Verrentungszinssatz am dem Risiko des Vertragspartners – d-h- dem Schuldner des Ausgleichs – zu orientieren, da in keine Fall bei Verrentung des Anteilswerts aufgrund des Börsenkurses eine höherer als der vereinbarte und in der Hauptversammlung beschlossene Ausgleich sich ergäbe.
Im Hinblick auf die vorliegende Relevanz des Börsenkurses zur Ermittlung der Angemessenheit der Abfindung und des Ausgleichs bedarf es keiner Entscheidung mehr über den Antrag des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre und einiger Antragsteller über die Zurverfügungstellung von Unterlagen durch die Antragsgegnerin hinsichtlich der Bewertung nach dem Ertragswertverfahren, sowie der Frage einer etwaigen Befangenheit des sachverständigen Prüfers A oder zu den in der mündlichen Verhandlung gestellten Anträgen zu dessen Anhörung wegen Vorbefassung mit der Problematik, da dem eine Relevanz für die Entscheidung in der Sache nicht beikommt.
Die Entscheidung über die gerichtlichen Kosten folgt aus § 23 Nr. 14 GNotKG und die zu den außergerichtlichen Kosten aus § 15 Abs. 2 SpruchG.
Danach findet eine Kostenerstattung grundsätzlich nicht statt, es sei denn, die Billigkeit unter Berücksichtigung auf den Ausgang des Verfahrens gebietet eine andere Entscheidung (vgl. Weingärter in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Auflage, § 15 SpruchG Rn 22 ff mwN). Dies ist hier nicht der Fall. Im Hinblick darauf, dass es nicht zu einer gerichtlichen Korrektur der Abfindung und des Ausgleichs kommt, sind Billigkeitsgründe nicht ersichtlich, die eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller durch die Antragsgegnerin rechtfertigen könnten.
Die Bestimmung des Geschäftswerts für das Gericht ergibt sich aus § 75 GNotKG. Danach richtet sich der Geschäftswert nach dem Betrag, den alle antragsberechtigten Aktionäre zu dem ursprünglich angebotenen Betrag insgesamt fordern können, mindestens jedoch 200.000,– EUR und höchstens 7,5 Mio. EUR. Mangels Erhöhung der Abfindung oder des Ausgleichs bleibt es bei dem gesetzlichen Mindestwert von EUR 200.000,–.
Eine Addition der Geschäftswerte für Abfindung und Ausgleich erfolgt nicht. Geht es in einem Verfahren um die Angemessenheit von Abfindung und Ausgleich und findet keine Erhöhung statt, verbleibt es bei dem einheitlichen Mindestgeschäftswert von EUR 200.000,– (vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss v. 9.2.2010 – 5 W 38/09 a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.01.2009 – 26 W 7/07 – BeckRS 2009 10276).
Die Beschwerde war gem. § 61 Abs. 3 Nr. 1 FamFG zuzulassen, auch wenn die Beschwer EUR 600,– nicht übersteigt, da hier eine grundsätzliche Bedeutung gegeben ist.
Soweit ersichtlich liegt noch keine eindeutige höchstrichterliche Entscheidung vor, dass eine Abfindung nach § 305 AktG aufgrund des Börsenkurses angemessen ist, auch wenn der Ertragswert darüber liegt und dass für die Ermittlung des Ausgleichs nach § 304 AktG unabhängig von einem höheren Ertragswert allein auf den Börsenkurs abgestellt werden kann.