Az.: 3-05 O 68/17
ISIN: DE0008045501 / WKN: 804550
Hauptversammlung: 22.06.2017
Antragsgegnerin: DZ Bank AG Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank
Der angemessene Abfindungsbetrag gem. § 327a AktG für die ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre D SE wird auf jeweils EUR 29,87 für eine Aktie der D SE festgesetzt.
Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens einschließlich der Vergütung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre sowie ihre außergerichtlichen Kosten hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern jeweils die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Der Geschäftswert für die Gerichtskosten und der Wert für die Vergütung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre werden auf insgesamt EUR 5.495.137,80 festgesetzt.
Die Beschwerde wird nicht zugelassen, wenn die Beschwer EUR 600,– nicht übersteigt.
Die D SE (im Folgenden D SE) hatte ihren Sitz in Frankfurt am Main und war bis zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre im Jahre 2017 im General Standard der Frankfurter Wertpapierbörse notiert. Ferner waren die Aktien im Freiverkehr der Börsen Stuttgart und Düsseldorf notiert.
Die D SE war eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt am Main unter HRB 83980. Das Geschäftsjahr war das Kalenderjahr. Der in der Satzung der Gesellschaft festgelegte Gegenstand des Unternehmens war die Ausübung jeder Art bankgeschäftlicher Tätigkeit.
Das im Handelsregister eingetragene Grundkapital der D SE betrug EUR 118.791.945,12 und war eingeteilt in 46.467.370 nennwertlose Stückaktien. Die D SE war als Kreditinstitut für Kunden in ausgewählten Segmenten der internationalen Verkehrswirtschaft als Beraterin und Spezialfinanziererin tätig. Das Geschäftsmodell der D SE umfasste die Geschäftsbereiche Shipping Finance, Aviation Finance, Offshore Finance und Land Transport Finance.
Sie war eine Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin und damit auch Teil der Genossenschaftlichen Finanzgruppe Volksbanken Raiffeisenbanken.
Mit Schreiben vom 10.1.2016 an die D SE verlangte die Antragsgegnerin, dass die Hauptversammlung der D SE die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Antragsgegnerin zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre gegen angemessene Barabfindung beschließen solle.
Für die Ermittlung einer angemessen Abfindung beauftragte die Antragsgegnerin die K Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden Bewertungsgutachterin) mit einem Bewertungsgutachten, die eine Abfindung von EUR 22,60 je Aktie aufgrund des Börsenkurses ermittelte, da der Ertragswert mit EUR 19,22 je Aktie darunter liege wobei bei der Kapitalisierung ein Basiszins von 0,92 % nach Steuern, eine Marktrisikoprämie von 5,5 vor pers. Steuern und ein mit einer peer group ermittelter Beta-Faktor verschuldet von 1,35, d.h. ein Risikozuschlag von 7,425 und ein Wachstumsabschlag von 0,75 angesetzt wurde. Der Börsenkurswert von EUR 22,60 beruhte auf dem umsatzgewichteten Durchschnittskurs der Aktie der D SE im Zeitraum von 3 Monaten vor dem 14.11.2016, dem Tag der Ad-hoc Mitteilung über die geplante gesellschaftsrechtliche Maßnahme.
Wegen der Einzelheiten wird auf den in Ablichtung zu der Akte gereichten Übertragungsbericht nebst gutachterlicher Stellungnahme (Anlage AG 1) verwiesen.
Auf Antrag der Antragsgegnerin hat das Landgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 21.12.2016 – die I (im Folgenden Prüferin) zur sachverständigen Prüferin für die Angemessenheit der Barabfindung nach § 327b AktG bestellt. In deren Prüfbericht vom 25.4.2017 wird die Angemessenheit der Abfindung von EUR 22,60 aufgrund des Börsenkurses wegen des niedrigeren Werts nach der Ertragswertmethode bestätigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zu der Akte gereichten Prüfbericht vom (Anlage AG2) verwiesen.
In der Hauptversammlung der D SE vom 22.6.2017 wurde die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre an die Antragsgegnerin zu einem Preis von EUR 22,60 beschlossen.
Die Eintragung des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre in das Handelsregister erfolgte am 17.8.2017 und wurden am 17.8.2017 auch bekannt gemacht. Zu diesem Zeitpunkt waren 862.659 Aktien der D SE noch in Streubesitz.
Die Antragsteller und der Vertreter der außenstehenden Aktionäre wenden sich gegen die Angemessenheit der Abfindung. Der in der Hauptversammlung beschlossene Betrag von EUR 22,60 sei keine angemessene Abfindung i. S. d. §§ 327a Abs. 1, 327b Abs. 1 AktG.
Alle oder einzelne Antragsteller und der Vertreter der außenstehenden Aktionäre rügen u. a. die Planung als unplausibel und schreibe die historisch niedrigen Zinsverhältnisse auf alle Ewigkeit fort. Überschüsse, welche der Erhöhung der Barreserve dienen sollen, würden fehlerhaft als zinslose Barreserve behandelt. Die Höhe der Risikovorsorge sei fehlerhaft ermittelt. Weiter seien die Parameter des Kapitalisierungszinses für die Abzinsung der künftigen Erträge fehlerhaft. Sie halten den angesetzten Basiszins und die Marktrisikoprämie für zu hoch, den über eine peer-group ermittelten Beta-Faktor sowie den Wachstumsabschlag für unzutreffend.
Jedenfalls hätte der Börsenkurs auf den Zeitraum der Beschlussfassung im Hinblick auf die positive Marktentwicklung auf den Zeitpunkt der Hauptversammlung hochgerechnet werden müssen, da zwischen der Ankündigung der Maßnahme und dem Tag der beschlussfassenden Hauptversammlung über 7 Monaten gelegen hätten, mithin ein längerer Zeitraum, der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine solche Hochrechnung erforderlich mache.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Antragsschriften und die Stellungnahmen des Vertreters der außenstehenden Aktionäre vom 9.3.2018 (BD XXXVIII, Bl. 882 ff d. A.) und 20.8.2018 (Bd. XXXVIII Bl. 1098 d. A. Bl. ff d. A.) Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegen getreten. Sie hält die Abfindung für angemessen.
Es gebe weder formelle noch materielle Bewertungsmängel.
Da der zutreffend ermittelte Ertragswert je Aktie unter dem Börsenkurs gelegen habe, sei die Abfindung am Börsenkurs orientiert worden. Eine Hochrechnung des Börsenkurses habe nicht vorgenommen werden müssen. Bei dem Zeitraum von 7 Monaten und 8 Tagen handle es sich nicht um einen längeren Zeitraum im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, da dieser erst ab 7 ½ Monaten beginne. Zudem stehe einer Hochrechnung anhand der Marktentwicklung bei Bankaktien entgegen, dass sich der Kurs der D SE Aktie sich schon seit länger Zeit vor der Bekanntgabe des vorgesehen Ausschlusses der Minderheitsaktionäre von der allgemeinen Marktentwicklung – insoweit unstreitig – abgekoppelt hatte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Antragserwiderung vom 11.5.2018 ( Bd. XXXVIII Bl. 891 ff d. A.) sowie den ergänzenden Schriftsatz vom 8.1.2019 (Bd.XXXIX Bl. 1149 ff d. A.) verwiesen.
Die Kammer hat vom sachverständigen Prüfer eine ergänzende Stellungnahme zur Frage der Hochrechnung des Börsenkurses angefordert. Diese hat hierzu schriftlich am 27.9.2018 Stellung genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Stellungnahme (Bd. XXXIX Bl. 1117 ff d. A.) Bezug genommen.
Die Anträge sind in dem sich aus dem Tenor ergebenen Umfang begründet. Soweit Antragsteller darüber hinaus eine höhere Erhöhung begehren, sind die Anträge unbegründet.
Eine Erhöhung der beschlossenen Barabfindung von EUR 22,60 je Aktie ist auf EUR 29,87 vorzunehmen.
Die angemessene Barabfindung nach § 327a Abs. 1 AktG muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre – hier der 22.6.2017 – berücksichtigen.
Die Minderheitsaktionäre, deren Aktien auf die Antragsgegnerin übertragen wurden, haben nach §§ 327a Abs. 1 Satz 1, 327b Abs. 1 Satz 1 AktG einen Anspruch auf eine angemessene Barabfindung, die ihnen eine volle wirtschaftliche Kompensation für den Verlust ihrer Beteiligung an dem Unternehmen verschafft (BVerfG, ZIP 2007, 1261 [BVerfG 30.05.2007 – 1 BvR 390/04]; BGH, ZIP 2005, 2107 [BGH 25.10.2005 – II ZR 327/03]OLG Stuttgart Beschl. v. 8.7.2011 – 20 W 14/08 – BeckRS 2011, 18552; Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschl. v. 26.01.2017, Az.: 21 W 75/15 m.w.Nachw.). Das Gericht hat aber nach § 327f Satz 2 AktG nur dann eine (neue) angemessene Barabfindung zu bestimmen, wenn die angebotene Abfindung unangemessen ist.
Unangemessen ist die angebotene Abfindung, wenn sie den übrigen Aktionären keine volle Entschädigung für den Verlust ihres Aktieneigentums bietet. Die angebotene Abfindung muss deshalb dem Verkehrswert entsprechen (BVerfGE 100, 289 [BVerfG 27.04.1999 – 1 BvR 1613/94] „DAT/Altana“). Der Verkehrswert des Aktieneigentums ist vom Gericht im Wege der Schätzung entsprechend § 287 Abs. 2 ZPO zu ermitteln (BGHZ 147, 108; „DAT/Altana“; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.11.2011 – 21 W 7/11 -). Als Grundlage für diese Schätzung stehen dem Gericht fundamentalanalytische Wertermittlungsmethoden wie das Ertragswertverfahren ebenso zur Verfügung wie marktorientierte Methoden, etwa eine Orientierung an Börsenkursen, wobei jedoch im Regelfall – wie auch vorliegend – der Börsenkurs die Abfindung nach unten begrenzt Das (Verfassungs)recht gibt keine bestimmte Wertermittlungsmethode vor (BVerfG NZG 2011, 86; Telekom/T-Online“; BVerfGE 100, 289 [BVerfG 27.04.1999 – 1 BvR 1613/94] „DAT/Altana“; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.11.2011 – 21 W 7/11 – ; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.10.2011 – 20 W 7/11 – BeckRS 2011, 24586; Beschl v. Beschluss vom 20.08.2018 – 20 W 2/13 – BeckRS 2018, 26698 m.w.Nachw.). Die mit den unterschiedlichen Methoden ermittelten rechnerischen Ergebnisse geben aber nicht unmittelbar den Verkehrswert des Unternehmens bzw. den auf die einzelne Aktie bezogenen Wert der Beteiligung daran wieder, sondern bieten lediglich einen Anhaltspunkt für die Schätzung des Verkehrswerts entsprechend § 287 Abs. 2 ZPO. Mehr als ein Anhaltspunkt kann sich daraus schon deshalb nicht ergeben, weil die Wertermittlung nach den einzelnen Methoden mit zahlreichen prognostischen Schätzungen und methodischen Einzelentscheidungen verbunden ist, die jeweils nicht einem Richtigkeits-, sondern nur einem Vertretbarkeitsurteil zugänglich sind (vgl. OLG Stuttgart ZIP 2010, 274 [OLG Stuttgart 18.12.2009 – 20 W 2/08]). Dabei ist zu bedenken, dass zu zahlreichen Details in der Literatur und der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten werden, so dass nicht nur die unterschiedlichen Methoden zu unterschiedlichen Werten führen, sondern auch die unterschiedliche Anwendung derselben Methode unterschiedliche Beträge ergeben kann.
Daher ist der Forderung im Rahmen des Spruchverfahrens müsse die Richtigkeit und nicht lediglich die Vertretbarkeit der Wertbemessung festgestellt werden (so Lochner AG 2011, 692, 693 f.), nicht zu folgen. Denn mit dieser eingeforderten Richtigkeitskontrolle wird etwas letztlich Unmögliches verlangt. Einen wahren, allein richtigen Unternehmenswert – nach der hier von einigen Antragstellern und der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Ertragswertmethode – gibt es bereits deshalb nicht, weil dieser von den zukünftigen Erträgen der Gesellschaft sowie einem in die Zukunft gerichteten Kapitalisierungszins abhängig ist und die zukünftige Entwicklung nicht mit Sicherheit vorhersehbar ist. Entsprechend führen die zahlreichen prognostischen Schätzungen und methodischen Einzelentscheidungen, die Grundlage jeder Unternehmensbewertung sind und zwingend sein müssen, im Ergebnis dazu, dass die Wertermittlung insgesamt keinem Richtigkeits-, sondern nur einem Vertretbarkeitsurteil zugänglich ist (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. Juli 2011 – 20 W 14/08 – AG 2011, 795).
Soweit gleichwohl in manchen – auch verfassungsgerichtlichen Entscheidungen (vgl. BVerfG Beschl v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10 – BeckRS 2012, 55224 -) – von dem „richtigen“, „wahren“ oder „wirklichen Wert“ der Beteiligung die Rede ist, ist dies im Sinne einer Wertspanne zu verstehen, weil weder verfassungsrechtlich noch höchstrichterlich etwas gefordert wird, was tatsächlich unmöglich ist, nämlich einen einzelnen Unternehmenswert als allein zutreffend zu identifizieren. Dies wird in der vorgenannten Entscheidung letztlich dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Begriffe auch dort in Anführungszeichen gesetzt sind und mithin in modalisierender Funktion verwendet werden.
Der Wert eines Unternehmens lässt sich aus dem Nutzen ableiten, den das Unternehmen insbesondere aufgrund seiner zum Bewertungsstichtag vorhandenen materiellen Substanz, seiner Innovationskraft, seiner Produkte und Stellung am Markt, seiner inneren Organisation sowie seines Managements zukünftig unter Aufrechterhaltung der Unternehmenssubstanz erbringen kann.
Diese Erkenntnis ist bei der Beurteilung der vom Gericht für die eigene Schätzung heranzuziehenden Schätzgrundlagen zu berücksichtigen. Ausgangspunkt der gerichtlichen Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO ist nämlich die zur Grundlage der unternehmerischen Maßnahme durchgeführte, der Hauptversammlung vorgelegte und sodann von einem gerichtlich bestellten Prüfer untersuchte Wertbemessung der Antragsgegnerin. Die dort enthaltenen Prognosen, Parameter und Methoden sind im Regelfall vom Gericht zur eigenen Schätzung heranzuziehen, solange sie ihrerseits vertretbar sind und insgesamt zu einem angemessenen, d.h. zugleich nicht allein richtigen Abfindung führen (ähnlich BVerfG Beschl. v. 24.5.2012 – 1 BvR 3221/10 – BeckRS 2012, 55224 -; KG WM 2011, 1705 [KG Berlin 19.05.2011 – 2 W 154/08]).
Jedoch führt die gerichtliche Überprüfung stets im Ergebnis zu einer eigenen Schätzung des Gerichts. Dies beinhaltet aber ggf. auch eine abweichende eigenständige Schätzung des Gerichts etwa ausschließlich anhand des Börsenkurses oder anderer Methoden. Diese Schätzung des Gerichts, hat sich nämlich nicht lediglich auf die Untersuchung der Vertretbarkeit der bei der Wertermittlung der Antragsgegnerin zur Anwendung gelangten, einzelnen Wertermittlungsmethoden und Einzelwerte zu beschränken, sondern insgesamt die Angemessenheit der gewährten Zahlung zu untersuchen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2011 – 21 W 7/11 – aaO). Dabei ist nicht der höchst mögliche Wert zu finden, sondern der angemessene. Den Grundsatz der Meistbegünstigung gibt es für die ausgeschiedenen abfindungsberechtigten Minderheitsaktionäre nicht (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2011 – 21 W 7/11 – aaO mwN).
Im Rahmen der Tatsachenfeststellung zur Unternehmensbewertung im Spruchverfahren sind die in die Zukunft gerichteten Planungen der Unternehmen und die darauf aufbauenden Prognosen ihrer Erträge letztlich durch das Gericht nur eingeschränkt überprüfbar. Sie sind in erster Linie ein Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen. Diese Entscheidungen haben auf zutreffenden Informationen und daran orientierten, realistischen Annahmen aufzubauen; sie dürfen zudem nicht in sich widersprüchlich sein. Kann die Geschäftsführung auf dieser Grundlage vernünftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch, darf diese Planung nicht durch andere – letztlich ebenfalls nur vertretbare – Annahmen des Gerichts ersetzt werden (OLG Stuttgart, Beschluss v. 13.3.2010 – 20 W 9/08 -; AG 2007, 596, 597 f; AG 2007, 705, 706; NZG 2007, 112, 114 [OLG Stuttgart 26.10.2006 – 20 W 14/05]; AG 2006, 420, 425).
Zu berücksichtigen ist zudem weiter bei der Bewertung, dass sie nach ihren zu Grunde liegenden Erkenntnismöglichkeiten nicht in der Lage sein kann, mathematisch einen exakten oder „wahren“ Unternehmenswert am Stichtag festzustellen.
Nachdem auch das Ergebnis auf Grund der verschiedenen Ungenauigkeiten und subjektiver Einschätzungen der Bewerter (vgl. hierzu im Einzelnen Kammerbeschlüsse v. 13.3.2009 – 3-05 O 57/06 – ZIP 2009, 1322 – und 25.11.2014 -3-05 O 43/13 -) letztlich nur eine Schätzung des Unternehmenswerts darstellt, müssen es die Verfahrensbeteiligten hinnehmen, dass eine Bandbreite von unterschiedlichen Werten als angemessene Abfindung existiert (vgl. OLG Stuttgart ZIP 2004, 712, 714 [OLG Stuttgart 01.10.2003 – 4 W 34/93]; BayObLG AG 2006, 41, 43 [BayObLG 28.10.2005 – 3Z BR 71/00]) und das erkennende Gericht unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände (vgl. BGH NJW-RR 2002, 166, 167 [BGH 17.10.2001 – IV ZR 205/00]) hieraus einen Wert festsetzt.
Bei der Feststellung und Bewertung der erforderlichen Tatsachen, aus denen sich die Angemessenheit der Abfindung ergibt, hat sich das Gericht der ihm nach der Verfahrensordnung zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten zu bedienen, soweit das nach den Umständen des zu entscheidenden Falles geboten ist. Soweit zu umstrittenen Bewertungsfaktoren Tatsachenfeststellungen erforderlich sind, entscheidet das Gericht über Notwendigkeit, Art und Umfang einer Beweisaufnahme nach pflichtgemäßem Ermessen; hier ist außerdem § 287 Abs. 2 ZPO auch im Hinblick darauf anwendbar, dass jede Bewertung naturgemäß eine mit Unsicherheiten behaftete Schätzung – wobei zudem § 738 BGB als Grundnorm der Unternehmensbewertung selbst von Schätzung spricht – und keine punktgenaue Messung sein kann und dass deshalb Aufwand, Kosten und Dauer des Verfahrens in einem angemessenen Verhältnis zum Erkenntnisgewinn liegen müssen (OLG Stuttgart AG 2006, 423 m. w. Nachw.). Das Gericht kann im Spruchverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen und insb. nach Maßgabe des § 287 Abs. 2 ZPO auch auf sonstige Erkenntnismöglichkeiten zur Ermittlung der Angemessenheit der Abfindung zurückgreifen.
Der Schutz der Minderheitsaktionäre erfordert es daher nicht, im Spruchverfahren grundsätzlich neben dem gerichtlich bestellten Prüfer einen weiteren Sachverständigen heranzuziehen. Die Einschaltung eines vom Gericht im Vorfeld der Maßnahme bestellten Prüfers soll dem präventiven Schutz der Anteilseigner dienen, indem der Übertragungsbericht einer sachkundigen Plausibilitätskontrolle unterworfen wird. Gerade die Angemessenheit der Abfindung ist Gegenstand dieses präventiven Aktionärsschutzes.
Das Gutachten des Abfindungsprüfers kann deshalb im gerichtlichen Verfahren berücksichtigt werden (OLG Düsseldorf, NZG 2000, 1079 = BB 2000, 1108 [OLG Düsseldorf 14.04.2000 – 19 W 6/98 AktE]). Im Übrigen haftet der Abfindungsprüfer nach § 327c Abs. 3 i. V. m. § 293d Abs. 2 AktG auch gegenüber den Anteilsinhabern. Dass seine Prüfung regelmäßig gleichzeitig mit dem Erstellen des Übertragungsberichts erfolgt, ändert nichts daran, dass es sich um eine unabhängige Prüfung handelt und begründet für sich genommen auch keine Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des vom Gericht bestellten Prüfers (vgl. OLG München, Beschluss vom 19. 10. 2006 – 31 Wx 92/05 – NJOZ 2007, 340; OLG Stuttgart, NZG 2004, 146 = ZIP 2003, 2363 [OLG Stuttgart 03.12.2003 – 20 W 6/03]; OLG Hamburg, ZIP 2004, 2288 [OLG Hamburg 29.09.2004 – 11 W 78/04]).
Der Untersuchungsgrundsatz (§§ 26 ff FamFG) gebietet es vorliegend nicht ein Sachverständigengutachten zum Unternehmens- und Anteilswert auf den Stichtag 22.6.2017 erstellen zu lassen. Bei der pflichtgemäßen Ermessensausübung ist auch der Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen; im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass der damit verbundene Aufwand ein entsprechendes Mehr an Zuverlässigkeit der Aussage des Sachverständigen geschaffen hätte.
Das Gericht sieht keinen weiteren wesentlichen Erkenntnisgewinn darin, wenn die von einigen Antragstellern und vom Vertreter der außenstehenden Aktionäre gewünschte Neubegutachtung der D SE (ggf. anhand des Ertragswertes) durchgeführt würde
Die Kammer hält es bei der gegebenen Sachlage vorliegend für sachgerecht – wie dies auch vom sachverständigen Prüfer angenommen wurde – die Angemessenheit der Abfindung an der marktorientierten Wertermittlung anhand des den Ertragswert – jedenfalls nach der vorzunehmenden Hochrechnung – erkennbar überschreitenden Börsenwert zu bestimmen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich die Angemessenheit der Barabfindung jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlich garantierten Börsenwertes als Untergrenze als angemessen. Eine Schätzung des Unternehmenswertes anhand der Börsenwerte der Gesellschaft auch im Fall der Abfindung nach einem Squeeze out ist grundsätzlich möglich. Die – kostengünstigere – Orientierung der Schätzung anhand der Börsenkurse ist als denkbare Alternative zum Ertragswertverfahren anerkannt. Allerdings lässt sich die Frage, welchem Verfahren – insbesondere dem fundamentalanalytischen Ertragswertverfahren oder der marktorientierten Methode – bei einer Unternehmensbewertung der Vorrang zukommt, nicht allgemein beantworten. Vielmehr ist die Frage nach der vorzuziehenden Schätzmethode abhängig von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere den jeweiligen individuellen Umständen des zu bewertenden Unternehmens.
Vorliegend bestehen keine Bedenken gegen die Heranziehung des Börsenwertes, er wurde von der Antragsgegnerin selbst für maßgeblich angesehen.
Das Vorliegen einer Marktenge, die dazu zwingen könnte, dem Börsenkurs die Relevanz als Untergrenze für die zu gewährende Abfindung abzusprechen, ist nicht ersichtlich und wird von den Beteiligten auch nicht näher dargelegt.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin und der von ihr beauftragten Bewertungsgutachterin und des sachverständigen Prüfers ist hier jedoch in Anwendung der vom Bundesgerichtshof in seiner sog. Stollwerck-Entscheidung (Beschluss vom 19.7.2010 – II ZB 18/09 – DStR 2010, 1635) aufgestellten Grundsätze eine Hochrechnung des an sich zutreffend auf den Tag der Bekanntgabe ermittelten Börsenkurses auszunehmen. Danach ist eine derartige Hochrechnung vorzunehmen, wenn ein „längerer Zeitraum“ zwischen der erstmaligen Bekanntgabe der Absicht des „Squeeze-out“ und der Beschlussfassung der Hauptversammlung liege, zum Schutz von Minderheitsaktionäre und um zu verhindern, dass diese von einer positiven Börsenentwicklung ausgeschlossen werden, die Notwendigkeit einer Börsenkursanpassung bestehe.
Der BGH ist in dem entschiedenen Fall zunächst irrtümlich von einem Zeitraum von neun Monaten ausgegangen, den er mit Berichtigungsbeschluss vom 5.8.2010 auf 7,5 Monate korrigiert hat (BGH in aaO und BeckRS 2010, 18930). Aus dieser Entscheidung des BGH folgt jedoch nur, dass die Notwendigkeit einer Börsenkursanpassung bei „längeren Zeiträumen“ besteht und dass jedenfalls ein Zeitraum von 7,5 Monaten und mehr zwischen erster öffentlicher Bekanntmachung der Absicht des „Squeeze-out“ und der Beschlussfassung der Hauptversammlung als „längerer Zeitraum“ anzusehen ist. Es ergibt sich daraus jedoch nicht, dass ein Zeitraum von weniger als 7 ½ Monaten kein längerer Zeitraum wäre. Vorliegend liegt ein Zeitraum von 7 Monaten und 8 Tagen zwischen der Bekanntmachung am 14.11.2016 und der Tag der beschlussfassenden Hauptversammlung am 22.6.2017.
Nach Ansicht der Kammer liegt hier jedoch ein längerer Zeitraum vor, auch wenn dieser um 7 Tage kürzer ist, als in dem von Bundesgerichtshof entschiedenen Fall. Nach Sinn und Zweck dieser von Bundesgerichtshof für erforderlich gehaltenen Hochrechnung – entsprechend der allgemeinen oder branchentypischen Wertentwicklung unter Berücksichtigung der seitherigen Kursentwicklung – sollen nämlich die Minderheitsaktionäre davor geschützt werden, dass der mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe ermittelte Börsenwert zugunsten des Hauptaktionärs fixiert wird, ohne dass die angekündigte Maßnahme (zeitnah) umgesetzt wird, und sie von einer positiven Börsenentwicklung ausgeschlossen werden, wenn zwischen der Bekanntgabe der Strukturmaßnahme als dem Ende des Referenzzeitraums und dem Tag der Hauptversammlung ein längerer Zeitraum verstreicht und die Entwicklung der Börsenkurse eine Anpassung geboten erscheinen lässt. Auch unter Berücksichtigung der erforderlichen Vorbereitungszeit der komplexen unternehmerischen Maßnahme ist bei einem Zeitraum von jedenfalls über sieben Monaten dieser längere Zeitraum zu bejahen Monaten, da nach den Erfahrungen der Kammer, als dem für das Bundesland Hessen insoweit erstinstanzlichen für Spruchverfahren und aktienrechtliche Beschlussmängelklagen allein zuständigen Gericht, die Dauer zwischen Bekanntgabe und Beschlussfassung durch die Hauptversammlung regelmäßig 4 – 5 Monate beträgt und der vorliegende Fall der zweite (der andere lag der Entscheidung des OLG Frankfurt am Main vom 21.12.2010 – 5 W 15/10 – vorgehend Kammerbeschluss vom 12. Januar 2010 – 3-05 O 72/09 – zugrunde bei dem ein Zeitraum von 8 Monaten dazwischen lag, aber die Besonderheit aufwies, dass zum Zeitpunkt der nach dem OLG maßgeblichen Ankündigung die Hauptaktionärin noch nicht die entsprechende Mehrheit hatte) in Hessen seit 15 Jahre ist, in dem hier ein Zeitraum von 7 Monaten überschritten wurde (der Entscheidung des OLG Frankfurt /M. v. 01.03.2016 – 21 W 22/13 – BeckRS 2016, 9636 – bei dem ein Zeitraum von 11 Monaten dazwischen war, lag ein Sachverhalt aus den Jahren 2001/2002 zugrunde).
Aber auch in der veröffentlichten einschlägigen Rechtsprechung aus anderen Bundesländern finden sich in den letzten 15 Jahren nur vereinzelt Fälle in denen der Zeitraum von 7 Monaten überschritten wurde. Soweit sich die Antragsgegnerin auf die Entscheidungen des LG München I v. 28.4.2017 (BeckRS 2017, 110674) und des OLG Saarbrücken v. 11. 6. 2014 (AG 2014, 866 [OLG Saarbrücken 11.06.2014 – 1 W 18/13]) beruft, waren dort ein Zeitraum von 6 Monaten und 5 Tagen (LG München I) bzw. 6 Monate 16 Tage ( OLG Saarbrücken) gegeben, mithin Zeiträume die unter 7 Monaten lagen, so dass die dort gemachten Erwägungen zur Nichtvornahme der Hochrechnung hier nicht einschlägig sind. Auch das OLG Stuttgart (Beschluss v. 14.09.2011 – 20 W 6/08 – Rz 212 mwN.) hält im Regelfall nur eine Dauer von bis zu 6 Monaten für angemessen.
Die Antragsgegnerin legt auch nicht dar, welche besonderen Umstände hier vorgelegen haben sollen, die dazu geführt hätten, dass die Strukturmaßnahme nicht wenigstens innerhalb eines halben Jahres nach Bekanntmachung der vorgesehenen Maßnahme hätte durchgeführt werden können. Auch aus dem Übertragungsbericht sowie aus Bewertungsgutachten oder dem Prüfbericht ergibt sich nicht, welche Umstände hier zu einer Verzögerung geführt haben. Soweit die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 8.1.2019 allgemein auf die Komplexität der in Rede stehenden Maßnahme beruft, ist nicht ersichtlich, warum dies hier im Gegensatz zum Ausschluss von Minderheitsaktionären bei anderen Gesellschaften länger gedauert hat. Im Bewertungsgutachten (dort S. 86) ist hingegen ausgeführt, dass besondere Prognoseschwierigkeiten nicht aufgetreten seien und auch die übrigen Kriterien sich bei der D SE im branchenüblichen Rahmen bewegt hätten. Als besondere Schwierigkeit wird nur die Frage des Vorliegens eines längeren Zeitraums gesehen, d.h. wie zutreffend ausgeführt wird eine Rechtsfrage, die nur das Ergebnis nicht aber der Grund für die Verzögerung sein kann. Soweit in der mündlichen Verhandlung die Antragsgegnervertreter darauf hingewiesen habe, dass der längere Zeitraum sich aus der Besonderheit bei der Bewertung von Banken ergebe, insbesondere das Eigenkapital erst abschließen nach der Aufstellung des Jahresabschlusses festgestanden habe, kann dies nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Dies würde zunächst dazu führen, dass bei Banken grundsätzlich nicht die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zur Erforderlichkeit einer Hochrechnung greifen könnten, wenn zwischen dem maßgeblichen Ankündigungszeitpunkt und dem Tag der beschlussfassenden Hauptversammlung der Stichtag für die Erstellung des Jahresabschlusses läge, d .h. ggf. erst drei Monate nach dem Stichtag, die Bewertungsarbeiten begonnen werden könnten. Im Übrigen ist die mangelnde Kenntnis vom relevanten Eigenkapital nicht stichhaltig, da nach § 24 Nr. 16 KWG unverzüglich eine Abweichung von 5 % der BaFin und der Deutschen Bundesbank auf Grundlage eines Monatsausweises anzuzeigen ist. Zur Erfüllung dieser Anzeigepflicht muss das das Eigenkapital bereits zum Stichtag des Jahresabschlusses im Wesentlichen bekannt sein.
Die von Bundesgerichtshof für einen längeren Zeitraum zwischen Ankündigung und beschließender Hauptversammlung geforderte Hochrechnung ist daher vorzunehmen. Die Antragsgegnerin hat keine hinreichenden Umstände dargetan, die dagegen sprächen. Das Abstellen darauf, dass sich die Kursentwicklung der D SE Aktie in den drei Jahren vor Bekanntgabe der Strukturmaßnahme bereits deutlich vom Markt abgekoppelt gehabt und ein nahezu stabiles Kursniveau aufgewiesen hätte und dies gegen eine Fortschreibung des Börsenkurses der D SE-Aktie mit der prozentualen Veränderung der Indizes bzw. der Peer Group auch die (negative) unternehmensindividuelle Entwicklung der D SE im Zeitraum zwischen der Bekanntgabe der Strukturmaßnahme bis zum Zeitpunkt der Hauptversammlung spräche, genügt für sich nicht und ist mit der oben angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Erforderlichkeit und Durchführung einer derartigen Hochrechnung so nicht in Einklang zu bringen.
Der Bundesgerichtshof hat gerade für die Hochrechnung auf die allgemeine oder branchentypische Wertentwicklung unter Berücksichtigung der seitherigen Kursentwicklung und nicht nur auf die konkrete Entwicklung der Aktie sowie die wirtschaftliche Entwicklung der konkreten Gesellschaft abgestellt.
Besonderheiten der D SE gegenüber dem spezifischen Markt sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Entsprechendes ergibt sich zudem nicht aus dem von der Antragsgegnerin beauftragten Bewertungsgutachten (dort S. 28 ff). Zwar enthält dies eine defensive vorsichtige Prognose hinsichtlich des von der D AG betriebenen Geschäfte (Assetfinanzierung), dies bezieht sich aber nur auf den Gesamtmarkt, spezifische – nachteilige – Gegebenheiten bei der D AG werden hingegen nicht benannt. Auch bei der im Bewertungsgutachten ermitteln spezifischen Marktrisikoprämie für die D SE finden sich keine Besonderheiten gegenüber den zur Ermittlung des Betafaktors der D SE verwendeten Vergleichsunternehmen (peer-goup). Vielmehr wird hier das spezifische Risiko der D SE anhand einer Mittelwertbildung (S. 74 f des Bewertungsgutachtens) der Betafaktoren der Vergleichsunternehmen bestimmt.
Für die daher vorzunehmende Hochrechnung des durchschnittlichen Börsenkurses von EUR 22,60 je Aktie zum Zeitpunkt der Ankündigung der Maßnahme am 14.11.2016 ist zunächst vorzugsweise auf die branchentypische Entwicklung abzustellen, wenn hier – wie vorliegend – ein für die Bundesrepublik Deutschland aussagekräftiger Branchenindex gefunden werden kann (vgl. insoweit auch die einzige vom BGH a.a.O. hierzu zitierte Ansicht von Weber in ZGR 2004, 287). Für die Verwendung eines Branchenindizes anstelle eines marktbreiten Index (wie DAX oder CDAX) spricht, dass die potenzielle Entwicklung des Bewertungsobjektes regelmäßig durch die Branchenentwicklung besser approximiert werden dürfte als durch die Entwicklung des Gesamtmarktes (so auch im Ergebnis OLG Frankfurt am Main Beschluss vom 21.12.2010 – 5 W 15/10).
Hierzu hat der sachverständige Prüfer in der vom Gericht eingeholten Stellungnahme vom 27.9.2018 ausgeführt (Bl. 1117 d. A.), dass sowohl die Markt- wie auch die Branchenindizes sämtlich eine positive Kursentwicklung aufwiesen. Die Indizes für den deutschen Aktienmarkt ist im betrachteten Zeitraum um etwa 19,6 % (DAX) bzw. 20,8 % (CDAX) gestiegen, während der deutsche und der europäische Branchenindex eine noch positivere Kursentwicklung von + 24,5 % (DAXsector All Banks) bzw. + 21,8 % (EuroStoxxBanks) aufwiesen. Der S&P 500 Banks stand zum 22. Juni 2017 bei 532,64 Punkten und damit um 9,5 % über seinem Ausgangswert.
Neben dieser allgemeinen Entwicklung erscheint es sachgerecht hinsichtlich der Entwicklung des konkreten Unternehmens hier auf die von der Antragsgegnerin, bzw. dem von ihr beauftragten Bewertungsgutachter zur Ermittlung des spezifischen Risikos bei dem Risikozuschlag des Ertragswertes ermittelte und vom sachverständigen Prüfer gebilligte und ergänzte peer-group ebenfalls abzustellen, da auch bei der Ermittlung des Risikozuschlags die eigenen Daten für die Gesellschaft nicht für Aussagekräftig gehalten und daher zur Ermittlung des spezifischen Risikos der Gesellschaft eine ausgewählte Gruppe von Vergleichsunternehmen gebildet und aus deren Betafaktoren aufgrund der jeweiligen Aktienkursbewegungen der für die D AG anzusetzende Betafaktor gemittelt wurde (vgl. 72 ff des Bewertungsgutachtens). Korrespondierend muss daher bei der Hochrechnung des Börsenkurses für die D SE auch die bei diesen Vergleichsunternehmen in dem Zeitraum stattgefundene Börsenkursentwicklung einfließen, wobei wegen der Methodenäquivalenz zu der Ermittlung des Ausgangsbörsenkurses der D SE der sachverständige Prüfer zutreffend die Entwicklung der umsatzgesichteten Börsenkursen der peer-group Unternehmen über einen Zeitraum von drei Monaten vor der Bekanntmachung der Maßnahme am 14.11.2016 zu dem gewichteten durchschnittlichen Börsenkurs von drei Monaten vor dem Tag der Hauptversammlung am 22.6.2017 angesetzt hat. .
Hierzu hat der sachverständige Prüfer in seiner Stellungnahme (Bl. 1118 d. A.) ausgeführt.“Die umsatzgewichteten durchschnittlichen Börsenkurse sämtlicher Aktien haben sich vom Tag der Bekanntgabe der Maßnahme bis zum Tag der Hauptversammlung positiv entwickelt. Der Anstieg der Börsenkurse lag in einer Bandbreite zwischen + 16,9 % (Wells Fargo Corp.) und + 47,3 % (Cr?dit Agricole SA). Bezogen auf die von der Bewertungsgutachterin herangezogene Peer Group ergibt sich eine Änderung von + 35,6 % (Mittelwert) bzw. + 31,6 % (Median). Für die von uns im Rahmen unserer Prüfung zugrunde gelegte, um drei Institute erweiterte Peer Group beläuft sich die Wertänderung auf + 33,3 % (Mittelwert) bzw. + 30,6 % (Median). Der im Vergleich zu den Stichtagskursen deutlichere Anstieg der umsatzgewichteten durchschnittlichen Börsenkurse ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass die Stichtagskurse zum 14. November 2016 bei sämtlichen Aktien deutlich über den korrespondierenden Drei-Monats-Durchschnittskursen liegen.“Nach Ansicht der Kammer ist für die Hochrechnung zunächst ein Durchschnittswert aus den Wertveränderungen der Branchenindices DAXsector All Banks (24,5 %) und EURO STOXX Banks (21,8 %) mit 23,1% zu bilden. Der S&P 500 Banks muss hier außer Betracht bleiben, da – wie der sachverständige Prüfer zutreffend ausführt – ausnahmslos alle in diesem Index vertretenen Banken ihren Sitz in den USA haben, d.h. diese Banken wirtschaftlich noch in ihrer territorialen Ausrichtung mit der D SE vergleichbar sind.
Daneben ist zur Grundlage der Hochrechnung gleichwertig auch die gewichtete durchschnittliche Börsenkursentwicklung der peer-group-Unternehmen heranzuziehen, wobei die Kammer hier die durch den sachverständigen Prüfer um drei Unternehmen erweiterte peer-group für vorzugswürdig hält, da damit eine breite Vergleichsbasis vorliegt. Dabei ist der Mittelwert und nicht der Median anzusetzen, da dieser nicht den hier gebotenen Durchschnittswert abbildet. Diesen hat der sachverständige Prüfer unbeanstandet mit 33,3 % ermittelt. Zusammen mit dem Durschnitt der einschlägigen Branchenindices ergibt dies einen Hochrechnungsfaktor von 28,2 %. Angewendet auf den Ausgangswert von 22,60 ergibt dies eine Steigerung von 6,37, d.h. einen Endwert von 28,97.
Auf diesen Betrag von EUR 28,97 ist daher die angemessen Abfindung abzuändern.
Nicht nachzugehen ist den Anregungen einzelner Antragsteller und des Vertreters der außenstehenden Aktionäre, die Vorlage der Arbeitspapiere von der Bewertungsgutachterin und der sachverständigen Prüferin anzuordnen, um eine Überprüfung der Unternehmensbewertung zu ermöglichen. Zwar verpflichtet § 7 Abs. 7 SpruchG die Antragsgegnerin, Unterlagen, die für die Entscheidung des Gerichts erheblich sind, auf Verlangen dem Gericht vorzulegen. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen aber nicht vor. Die Unternehmensplanung ist jedenfalls ihren wesentlichen Inhalten nach bereits im Vertragsbericht und in dem Prüfbericht wiedergegeben. Inwieweit die Arbeitspapiere weitere, für die Entscheidung der Kammer erhebliche Informationen enthalten sollen, ist nicht ersichtlich (vgl. hierzu OLG Stuttgart, Beschluss v. 17.3.2010 – 20 W 9/08 -).
Die Kostenentscheidung bezüglich der Gerichtskosten und der Kosten des Vertreters der außenstehenden Aktionäre ergibt sich aus § 15 Abs. 1, § 6 Abs. 2 SpruchG. Danach hat grundsätzlich die Antragsgegnerin diese Kosten zu tragen. Im Hinblick auf die vorgenommene Erhöhung entsprach es nicht der Billigkeit die Antragsteller mit Gerichtskosten des Verfahrens zu belasten.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 15 Abs. 2 SpruchG.
Danach findet eine Kostenerstattung für die Antragsteller grundsätzlich nicht statt, es sei denn, die Billigkeit gebietet eine andere Entscheidung. Dies ist hier der Fall. Da eine nicht unbeträchtliche Erhöhung der Abfindung ausgesprochen wurde, entspricht eine Kostenerstattung der Billigkeit.
Die Bestimmung des Geschäftswerts für das Gericht und den Vertreter der außenstehenden Aktionäre ergibt sich aus § 74 GNotKG. Danach richtet sich der Geschäftswert nach dem Betrag, den alle antragsberechtigten Aktionäre zu dem ursprünglich angebotenen Betrag insgesamt fordern können, mindestens jedoch 200.000,– EUR und höchstens EUR 7,5 Mio.
Nach der Angabe der Antragsgegnerin sind von dem Ausschluss der Minderheitsaktionäre 862.659 Aktien außenstehender Aktionäre betroffen gewesen. Durch die Erhöhung der Abfindung um EUR 6,37 je Aktie ergibt sich insgesamt eine Erhöhung von EUR 5.495.137,80 so dass der Mindestwert von EUR 200.000,– überschritten der Höchstwert von EUR Mio. 7,5 aber unterschritten wird, so dass der Betrag von EUR 5.495.137,80 anzusetzen war.
Die Beschwerde war nicht zuzulassen, wenn die Beschwer EUR 600,– nicht übersteigt.
Nach § 17 SpruchG finden die Vorschriften des FamFG Anwendung, soweit ich aus dem SpruchG selbst nichts anderes ergibt. Da das SpruchG über die Beschwer keine Regelung enthält, bleibt es bei der Bestimmung des § 61 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, d.h. der Wert des Beschwerdegegenstandes muss EUR 600,– übersteigen (vgl. Drescher in Spindler/Stilz, AktG 2. Aufl., § 12 SpruchG Rz. 7). Eine Zulassung gem. § 61 Abs. 2 FamFG bei Unterschreiten ist nicht geboten. Es gibt vorliegend keinen Grund, der es erforderlich machen würde, Beteiligte in Spruchverfahren, die mit ihrem früheren Aktienbesitz und die daraus begehrte Erhöhung der Kompensation die Wertschwelle nicht erreichen, anders zu behandeln als Beteiligte in sonstigen zivilrechtlichen Streitsachen oder in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wo bei Nichterreichung des Beschwerdewerts bzw. der Berufungssumme ebenfalls kein zweiter Rechtszug eröffnet ist.