Az.: 20 O 115/05 AktE
ISIN: DE0006034002 / WKN: 603400
Hauptversammlung: 15.10.2004
Antragsgegnerin: RWE AG
1. Der Antrag des Antragsstellers zu 8) wird als unzulässig zurückgewiesen.
2. Die von der Antragsgegnerin den außenstehenden Aktionären der I AG gemäß §§ 327 a, 327 b, 327 f Aktiengesetz zu gewährende Barabfindung wird auf 23,58 € je Stückaktie festgesetzt.
3. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller werden der Antragsgegnerin auferlegt, die auch die Vergütung des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre zu tragen hat.
4. Der Geschäftswert für die gerichtlichen Gebühren und die Vergütung des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre wird auf bis zu 6.500.000,- Euro festgesetzt.
Im Rahmen dieses sogenannten Squeeze out wurde als Grundlage für die Bemessung der Barabfindung der Minderheitsaktionäre ein Unternehmenswert nach IDW S1 2000 in Höhe von 562,2 Millionen Euro ermittelt. Davon entfielen 359,9 Millionen Euro auf das Segment Energie, 172,8 Millionen Euro auf das Segment Immobilien und schließlich 29,5 Millionen Euro auf nicht betriebsnotwendiges Vermögen.
Basierend auf dem von der Gesellschaft in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft L ermittelten Unternehmenswert auf Basis des IDW S1 2000 folgten heraus bei insgesamt 31.900.000,00 auf den Inhaber lautenden Stückaktien der Gesellschaft und dem angenommenen Gesamtunternehmenswert von 562,2 Millionen Euro ein Wert von 17,62 Euro je Aktie. Daneben wurde der von der Bafin ermittelte Börsenkurs zum 08.06.2004 in Höhe von 18,73 € angegeben. Das Angebot laut Übertragungsbericht lautete schließlich auf 19,50 € je Aktie. Ein im Fortgang des hiesigen Spruchverfahrens vorgeschlagener Prozessvergleich in Höhe von 21,50 € je Aktie konnte nicht geschlossen werden.
Die Antragsteller halten die angebotene Abfindung für zu gering bemessen. Dabei wurden insbesondere Bedenken bezüglich der richtigen Übernahme der Unternehmensplanung sowie über die zutreffende Entwicklung von Prognosen bezüglich der künftigen Erträge für die einzelnen Geschäftsfelder geltend gemacht. Ferner wurde die Bereinigung der Vergangenheitsergebnisse für die Geschäftsfelder „Energie“ und „Immobilien“ angezweifelt. Auch wurde die Annahme eines zu hohen Kapitalisierungszinssatzes gerügt. Weiter wurden Rügen bezüglich der korrekten Abgrenzung von betriebsnotwendigem und nicht betriebsnotwendigem Vermögen vorgebracht. Darüber hinaus wurde die Verwendung von Planzahlen auf Basis des IFRS sowie die ordnungsgemäße Heranziehung des Halbjahresberichts 2004 in Frage gestellt und die nicht ordnungsgemäße Berücksichtigung des Börsenkurses moniert.
Zudem wurden der Kapitalisierungszinssatz und seine einzelnen Parameter als unzutreffend moniert.
Bezüglich der Einzelheiten der vorgebrachten Bewertungsrügen wird auf die jeweiligen Schriftsätze der Antragsteller sowie des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin verteidigt die angebotene Abfindung, wobei sie neben den in der Sache vorgebrachten Argumenten, bezüglich derer auf das schriftliche Vorbringen der Antragsgegnerin verwiesen wird, insbesondere die Rechtsauffassung vertreten hat, dass vorliegend anstelle des IDW 1 2000 der IDW 1 2005 Anwendung finden müsse.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen E, der zu diesem Gutachten auch mündlich im Termin vom 19.11.2014 angehört worden ist. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten, das Protokoll der mündlichen Verhandlung sowie die nach der mündlichen Verhandlung noch durch den Sachverständigen erstellten schriftlichen Ergänzungen Bezug genommen.
Der Antrag des Antragstellers zu 8) ist unzulässig. Weder hat er innerhalb der Antragsfrist hinreichend konkrete Einwendungen gegen den als Grundlage für die Kompensation ermittelten Unternehmenswert vorgetragen noch hat er glaubhaft gemacht, dass er im Zeitpunkt der Antragstellung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen gehindert war, den Übertragungsbericht zu erhalten oder einzusehen. Ferner hat er auch binnen der im Termin vom 21.05.2008 (Bl. 1302 GA) gesetzen Frist seine Antragsberechtigung nach § 3 SpruchG nicht durch Urkunde i.S.v. § 3 S. 3 SpruchG dargelegt.
Die Anträge der übrigen Antragsteller sind zulässig. Alle Antragsteller haben ihre Antragsberechtigung hinreichend dargetan und nachgewiesen; die Antragsteller zu 17), 18), 30) und 32) haben dies binnen der oben bezeichneten Frist nachgeholt.
Die Anträge haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; insoweit war die den Antragstellern gemäß §§ 327 a, 327 b AktG zu zahlende Abfindung zu erhöhen.
Die Barabfindung im Sinne von § 327 b AktG muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung berücksichtigen. Die Abfindung muss dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschaffen, was seine Beteiligung an den arbeitenden Unternehmen wert ist. Die Entschädigung muss also dem vollen Wert seiner Beteiligung entsprechen (BVerfG ZIP 2007, 1261; BGH ZIP 2005, 2107; OLG Stuttgart 20 W 14/08, zitiert nach Juris).
Zur Wertermittlung der I AG wurde sowohl durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft L als auch durch den gerichtlichen Sachverständigen die Ertragswertmethode angewendet, die in Rechtsprechung und Schrifttum als geeignete Methode der Unternehmensbewertung anerkannt (statt aller BGH, NJW 2003, 3272, 3273; OLG Stuttgart, NZG 2007, 112 [juris Rn. 30]; BayObLG, NJW-RR 1996, 1125, 1126; Hüffer, AktG, 10. Aufl., § 305 Rn. 19) und die verfassungsrechtlich unbedenklich ist (BVerfG, NJW 1999, 3769, 3771).
Nach der Ertragswertmethode sind die den Aktionären künftig zufließenden Erträge des Unternehmens der Antragsgegnerin zu schätzen und jeweils mit dem Kapitalisierungszinssatz abzuzinsen sowie um Sonderwerte zu ergänzen (statt aller OLG Stuttgart 20 W 14/08 TZ 122 zitiert nach Juris).
Nicht zu beanstanden ist, dass sowohl L als auch der gerichtliche Sachverständige bei der Anwendung der Ertragswertmethode die Empfehlungen des IDW S1 berücksichtigt haben. Diese bilden als Expertenauffassung eine Erkenntnisquelle für das methodisch zutreffende Vorgehen bei der fundamentalanalytischen Ermittlung des Unternehmenswerts (statt aller OLG Stuttgart, AG 2011, 420 [juris Rn. 261] und OLG Stuttgart 20 W 14/08 TZ 123).
Zwar handelt es sich bei dem IDW um eine Privatinstitution ohne Rechtssetzungsbefugnisse, weshalb die Empfehlungen keine rechtswirksame Qualität haben. Die Verlautbarungen des IDW werden, trotz der dagegen auch im hiesigen Verfahren vorgebrachten Kritik, jedenfalls von dem Berufsstand der Wirtschaftsprüfer im Grundsatz anerkannt und werden bei der Unternehmensbewertung in der Praxis ganz überwiegend beachtet (vgl. statt aller OLG Stuttgart vom 05.06.2013 – 20 W 6/10, AG 2013, 724, Rdn. 144 m.w.N., zitiert nach Juris).
Bei der Bewertung ist dabei entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin von der am Bewertungsstichtag, dem 15.10.2004, geltenden IDW S1 2000 auszugehen.
Die IDW S1 2000 hat die bis zum Jahre 2000 geltende HFA 2/1983 Stellungnahme abgelöst (vgl. IDW S1 2000, TZ3). Der Unternehmenswert konnte nun anhand des Standard-CAPM ermittelt werden (IDW S1 2000, TZ98, 136). Der IDW S1 2000 änderte ferner die Bewertungsregeln im Hinblick auf das ab 2001 geltende Halbeinkünfteverfahren (IDW S1 2000 TZ51; vgl. dazu auch OLG Frankfurt vom 28.03.2014 – 21 W 15/11, Seite 31). Der IDW 2000 hat damit an der seit Jahrzehnten geltenden Berechnungsweise, wonach die Alternativanlage anhand einer risikolosen Anlage berechnet wurde, festgehalten und die unterschiedlichen steuerlichen Folgen der verschiedenen Anlageformen (risikolose Anlage im Vergleich zur Aktienanlage) berücksichtigt und für die Bewertung des Unternehmenswertes auch akzeptiert. Damit wurden die Empfehlungen des IDW S1 2005 entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin aber gerade nicht eingeführt, um erstmals das Halbeinkünfteverfahren zu berücksichtigen. Mit dem neuen Standard und dem TAX-CAPM wurde vielmehr erstmals für die Alternativanlagen aus Gründen der Risikoäquivalenz nicht mehr auf risikolose Papiere wie lange laufende Staatsanleihen, sondern auf risikobehaftete Unternehmensanlagen abgestellt und dabei insbesondere bei der Berechnung des Kapitalisierungszinssatzes die steuerlichen Folgen der geänderten Alternativanlage berücksichtigt (vgl. IDW S1 2005, TZ43 f., 93; zum Ganzen OLG Düsseldorf, Vorlagebeschluss vom 28.08.2014, 26 W 9/12). Diese neue, an andere Annahmen anknüpfende Methode des IDW S1 2005 hatte zur Folge, dass sich u.a. wegen der nunmehr verringerten Steuerbelastung der Alternativanlage in Aktien und damit verbundenen höheren Renditen nach Steuern geringere Abfindungsbeträge ergaben, weshalb die Minderheitsaktionäre daher seit der Änderung des IDW S1 2005 und auch der danach folgenden Änderungen mit einer erheblich geringeren Barabfindung auf Basis eines verringerten Unternehmenswertes entschädigt werden.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist nun umstritten, ob auf den jeweils neuesten, zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Standard abzustellen ist, was im Fall hier dazu führen würde, dass ggf. der IDW S1 2005 auch rückwirkend ab dem Jahr 2001 anzuwenden wäre.
Die Kammer schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf, wie sie im oben bereits zitierten Vorlagebeschluss zum Ausdruck kommt, an, wonach auf den am Bewertungsstichtag geltenden Standard abzustellen ist, was insbesondere aus Gründen der Prozessökonomie, des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit für geboten erscheint. Aus diesen Gründen kommt eine Anwendung des neueren Bewertungsstandards, der allein aufgrund seiner veränderten Berechnungsmethode zu deutlich geringeren Unternehmenswerten im vorliegenden Fall führen würde, wie sich der Alternativberechnung des Sachverständigen E entnehmen lässt, nicht in Betracht. Die Berechnung des Unternehmenswertes anhand des IDW S 1 2000 widerspricht entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht den am Stichtag geltenden Steuersystem. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des oben bereits genannten Vorlagebeschlusses (vgl. dazu im Einzelnen OLG Düsseldorf, 26 W 9/12 zitiert nach Juris) Bezug genommen werden.
Vor diesem Hintergrund ist der Sachverständige, dessen Ausführungen und Begründungen sich die Kammer anschließt und sie sich ausdrücklich zu eigen macht, zu folgenden Ergebnissen gelangt:
Der Sachverständige hält die durch die L gefundenen Ergebnisse im Wesentlichen für plausibel und gelangt unter Korrektur in einzelnen Punkten für das Geschäftsfeld Energie zu einem Ertragswert von 514,1 Millionen Euro (vgl. die Ertragswertberechnung bezüglich des Segments Energie Seite 88 des Gutachtens) und für den Bereich Immobilien zu einem Ertragswert von 206 Millionen Euro) (vgl. die diesbezügliche Ertragswertberechnung Seite 89 des Gutachtens).
Im Hinblick auf die Frage nach stillen Reserven im Grundstücksbereich kommt der Gutachter zum Ergebnis, dass angesichts der Risiken im Immobilienbereich (ehemalige Bergbautätigkeit!) der Retrograd ermittelte Liquidationswert unterhalb des im Bewertungsverfahren eingesetzten Liquidationswerts und somit auch unter dem angesetzten Ertragswert liegt; stille Reserven, die bei der ursprünglichen Bewertung nicht berücksichtigt worden wären, seien im Immobilienbestand nicht vorhanden (vgl. Seite 90 Gutachten). Bezüglich der – zutreffenden – Anwendung der § 20 EStG und § 27 KStG durch den Sachverständigen wird auf dessen Ausführungen (Bl. 2039 GA – S. 5 Protokoll vom 19.11.14) Bezug genommen, welche sich die Kammer zu eigen macht.
Das nicht betriebsnotwendige Vermögen setzt der Sachverständige mit 32.200.000,00 € an (Seite 48/49).
Er kommt damit zu einem Unternehmenswert zum Stichtag vom 752.224.000,00 €, wonach sich angesichts einer Zahl von 31.900.000 Stückaktien zum Stichtag ein Unternehmenswert je Aktie von 23,58 € ergebe (vgl. Seite 93 Gutachten).35Der Sachverständige hat dazu schlüssig und gut nachvollziehbar ausgeführt, dass und warum die durch die L unternommene Unternehmensbewertung plausibel und sachgerecht ist und dem seinerzeit aktuellen Kenntnisstand entsprach (so als Fazit Seite 34 Gutachten), wobei jeweils zu berücksichtigen war, dass die geplanten Erlöse insgesamt bereits ambitioniert zu bezeichnen waren (so u.a. Seite 30 Gutachten), was auch so durch die Unternehmensführung kommuniziert worden ist (vgl. dazu Ausführungen des Sachverständigen Bl. 2057).
Die in die Zukunft gerichteten Planungen der Unternehmen und die darauf aufbauenden Prognosen ihrer Erträge sind im Spruchverfahren nur eingeschränkt überprüfbar. Planungen und Prognosen sind in erster Linie ein Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen. Diese Entscheidungen haben auf zutreffenden Informationen und daran orientierten, realistischen Annahmen aufzubauen; sie dürfen zudem nicht in sich widersprüchlich sein. Kann die Geschäftsführung auf dieser Grundlage vernünftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch, darf diese Planung nicht durch andere – letztlich ebenfalls nur vertretbare – Annahmen des Gerichts ersetzt werden (vgl. statt aller OLG Stuttgart AG 2010, 510 m.w.N.; zum Ganzen auch Hachmeister u.a., WPg 2013, 763 m.w.N.).
Insoweit ist vor dem Hintergrund der Ausführungen des Sachverständigen einerseits die Plausibilität der Planung (vgl. OLG Düsseldorf 26 W 2/06); andererseits ist damit auch die Ambitioniertheit der Planung hinzunehmen, solange – wie hier – nichts dafür ersichtlich ist, dass sie realitätsfern wäre.
Soweit der Sachverständige im Hinblick auf die ermittelten Verkehrswerte der Liegenschaften Veränderungen gegenüber den Einschätzungen der L vorgenommen hat (vgl. dazu Seite 45 Gutachten Rdn. 148 f.), ist dies gerechtfertigt. Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, dass zunächst die Verkehrswerte für die Grundstücke möglichst konkret ermittelt worden seien, sodann aber angesichts der speziellen Lage der Grundstücke, insbesondere vor dem Hintergrund der Problematik strukturschwacher Regionen, aufgrund der sich so ergebenden Restrisiken, Abschläge vorgenommen werden müssten.
Auch hat der Sachverständige nachvollziehbar ausgeführt, dass und warum die Bewertung der L durch doppelte Berücksichtigung von zeitlichen Veräußerungsabschlägen der Wert der Forst- und Landwirtschaftsflächen zu gering berechnet worden war (Einzelheiten S. 45 Gutachten).41Soweit die vorgenommene Unternehmensbewertung auf Rechnungslegungs- und Planungszahlen zurückgeht, die nach dem International Financial Reporting Standard (IFRS) erstellt wurden, hat der Sachverständige im Einklang mit der Anfechtungsklagen zu Strukturmaßnahme als Ganzes betreffenden obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. insbesondere OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.08.2006 – 15 W 110/05) detailliert und nachvollziehbar ausgeführt, dass keinerlei Anhaltspunkte bestehen, dass es durch die Anwendung des IFRS bei der Bewertung der I AG zu wesentlichen Wertabweichungen im Vergleich zu den Bilanzierungsmethoden nach deutschem Handelsrecht gekommen ist.
Dass sich die Spotrates nach der sogenannten Svensson-Methode (Zinsstrukturkurve) in einen barwertäquivalenten einheitlichen Basiszinssatz überführen lassen, hat das OLG Düsseldorf bereits selbst so judiziert (vgl. OLG Düsseldorf, 26 W 8/10 TZ 41, zitiert nach Juris). Der Sachverständige hat nun keinen einheitlichen Basiszinssatz ermittelt, sondern für den Detailplanungszeitraum Spotrates und einen einheitlichen Basiszinssatz dann für die ewige Rente. Der Sachverständige hat dies nachvollziehbar damit begründet, dass in Abweichung vom Normalfall im Detailplanungszeitraum nicht von einem moderaten Wachstum auszugehen war (vgl. im Gutachten Seite 62 Rdn. 195). Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung im Übrigen auch im Einzelnen dargelegt, dass und warum sein Vorgehen auch nach den für Wirtschaftsprüfer gültigen Regelwerken berechtigt ist, zumal die Arbeit mit Spotrates eine genauere Methode zur Feststellung von Werten darstelle.
Soweit gerügt wurde, dass keine Abrundung auf den Viertelprozentpunkt durchgeführt worden sei, hat der Sachverständige nachvollziehbar erklärt, dass solche Rundungen allein bei Erstbewertungen vorgenommen werden, um dort die Unsicherheiten auch zeitlicher Art herauszurechnen, was bei der hier anhand von Spotrates ermittelten Werte nicht erforderlich sei. In der Praxis der Unternehmensbewertungen fänden sich im Übrigen beide Ansätze nebeneinander (vgl. Protokoll vom 19.11.2014, Seite 13 – Bl. 2047 der Gerichtsakte). Dieses Vorgehen war aufgrund der gegebenen Begründung nicht zu beanstanden und ist in der Rechtsprechung so auch anerkannt (vgl. OLG Frankfurt a.M., vom 17.06.2010, 5 W 39/09, Rn 34-37; zum ganzen auch Hachmeister u.a. WPg 2013, 768).
Diese Korrektur des Basiszinssatzes führte nach den Ausführungen des Sachverständigen zu einer Erhöhung des Ertragswerts je Aktie nach IDW S1 2000 Ceteris-Paribus um 1,21 €.
Die Marktrisikoprämie ermittelte der Sachverständige in Abweichung zur durch L ermittelten Prämie auf 4,0 %. Gleichzeitig wurde der Wachstumsabschlag mit einem Wert von 0,5 % angenommen. Der Sachverständige hat nachvollziehbar erläutert, dass diese Werte ihre Grundlage insbesondere in der ambitionierten Planung des Unternehmens fänden.
Der Sachverständige hat im Hinblick auf diese Ermittlung des Wachstumsabschlages ausgeführt, dass in die Planung ab dem Jahr 2004 eine nicht unerhebliche Umsatzsteigung eingeflossen sei, weshalb eben die Planung als ambitioniert zu bezeichnen sei. Auch der Wert des EBIT sei zu berücksichtigen, der sich von 2001 (22,8) bis 2008 (79,6) erheblich steigere, was sich im Übrigen auch in Kostensenkungen niederschlage, weshalb hier erhebliche Gewinne geplant worden seien, weshalb es sachgerecht gewesen sei, schon in den „Zähler“ Wachstum einzustellen. Da auch noch diverse Investitionen zu berücksichtigen gewesen seien, sei ein Wachstumsabschlag von 0,5 % berechtigt. Insoweit sei auch eine Abweichung der in diversen obergerichtlichen Entscheidungen in Spruchverfahren der Jahre 2000 bis 2010 vorgenommenen mittleren Wachstumsabschlags in Höhe von 1,2 % (vgl. dazu Hachmeister u.a., WPG 2013, 773) vorzunehmen gewesen, da hier aufgrund der Besonderheiten der Planung der Einzelfall im Vordergrund zu stehen habe.
Diese schlüssig und nachvollziehbar erläuterte Einschätzung ist aus Sicht der Kammer nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf die Abweichung vom mittleren Wachstumsabschlag war zu berücksichtigen, dass zum einen auch im Rahmen der oben zitierten Erhebung festgestellt wurde, dass für Bewertungsstichtage nach dem Jahr 1997 kaum noch Wachstumsabschläge über 1,0% angenommen wurden (Hachmeister a.a.O.). Zudem verbietet sich jede pauschale Festsetzung; vielmehr sind die Verhältnisse des Bewertungsobjekts im Einzelfall entscheidend (vgl. OLG Stuttgart vom 14.09.2011, 20 W 6/08 Rn 169-171), was hier in Form der ambitionierten Planung des Unternehmens seine Berücksichtigung gefunden hat.
Soweit einige Antragsteller vortragen, die Annahme eines Wachstumsabschlags von 0,5 bedeute bei einer erwarteten höheren Inflationsrate, dass die Gesellschaft und ihre finanziellen Überschüsse in der Zukunft real schrumpfen müssten, ist dies so nicht zutreffend (vgl. zum ganzen auch LG Frankfurt, 3-05 O 34/13 TZ 73 ff.).
Tatsächlich bedeutet ein Wachstumsabschlag von 0,5, dass der entziehbare Jahresüberschuss um jährlich 1,0 steigt. Damit dies geschehen kann, müssen bei einem unterstellten inflationsbedingten Anstieg der Ausgaben von z.B. 2 % die Einnahmen um so viel mehr steigen, dass der inflationsbedingte Anstieg der Ausgaben nicht nur ausgeglichen, sondern sogar ein 0,5 % höherer Jahresüberschuss erwirtschaftet wird. Ein Wachstumsabschlag von 0,5 bedeutet also, dass der Anstieg der Ausgaben vollständig über höhere Einnahmen ausgeglichen werden kann und zusätzlich die Einnahmen um so viel mehr erhöht werden können, dass ein Mehrgewinn, nämlich in Höhe von 0,5 % verbleibt (vgl. OLG Stuttgart v. 17.10.2011,20 W 7/11, Rn. 445; OLG Stuttgart v. 15.10.2013 – 20 W 3/13, Rn. 149; OLG Stuttgart v. 5.6.2013 – 20 W 6/10, Rn. 231; OLG Stuttgart v. 3.4.2012 – 20 W 6/09, Rn. 193; OLG Stuttgart, v. 3.4.2012 – 20 W 7/09, Rn. 145; LG Frankfurt a.a.O.).
Zudem ist auch beim Wachstumsabschlag der Gesellschaft ein gewisser Prognosespielraum zuzubilligen (vgl. dazu OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Dezember 2010, 5 W 51/09), dies gilt gerade auch bezüglich der Rügen mancher Antragsteller bezüglich der Plausibilität angesichts „gesetzlich definierter Wachstumspotentiale“, die angesichts der nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen (Bl. 2042 = S. 8 Protokoll vom 19.11.14) aber nicht druchgreifen.
Zwar scheinen, worauf diverse Antragssteller hinweisen (Bl. 2089 GA) neuere Studien ein umgekehrtes Verhältnis, d. h. ein durchschnittliches Gewinnwachstum oberhalb der Inflationsrate, zu belegen (vgl. etwa Creutzmann, Bewertungspraktiker 2011, 24, 26; Knoll/Lobe/Thomas, Bewertungspraktiker, 2009, 12). Gleichwohl zwingt dies zu keiner geänderten Sichtweise. Denn die neueren Studien sind teilweise aufgrund des kurzen Erhebungszeitraumes wenig aussagekräftig (so OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. Juli 2011 – 20 W 14/08 – ). Zudem sind die Ergebnisse in Anbetracht der vorhandenen, anderweitigen Studien jedenfalls nicht derart zwingend, dass sie Wachstumsabschläge unterhalb der Inflationsrate mit ca. 50 % unplausibel machten. Darüber hinaus treffen die Studien ohnehin nur eine Aussage zu dem Durchschnitt aller Unternehmen. Sie sind daher höchstens ein Anhalt für das konkret zu bewertende Unternehmen (so auch LG Frankfurt a.a.O.). Schließlich wird bei der Wachstumsrate stets eine Gesellschaft unterstellt, der jedenfalls von außen kein weiteres Kapital zugeführt wird. Dies kommt aber in der Realität kaum vor. Entsprechend sind die empirisch beobachtbaren Wachstumsraten nur bedingt vergleichbar mit den im Rahmen der Unternehmensbewertung angesetzten Raten, soweit es sich um keine Gesamtwachstumsrate handelt (vgl. dazu Tschöpel/Wiese/Willershausen, WPg 2010, 349 ff. und 405 ff., 411; zum ganzen auch LG Frankfurt a.a.O.).
Insbesondere auch vor dem Hintergrund der ambitionierten Planung hat der Sachverständige sodann in Abweichung von der Einschätzung der L bezüglich der Marktrisikoprämie eine Bandbreite zwischen 4 und 4,5 % herausgearbeitet und insoweit die Marktrisikoprämie mit näherer, gut nachvollziehbarer Begründung vor Steuern auf 4,0 % angesetzt (vgl. Gutachten Rdn. 218 bis 220; ferner Bl. 2064 GA – S. 14 des Protokolls vom 19.11.14). Das Ergebnis wurde sodann nachvollziehbar durch weitere alternative Methoden bzw. Studien erhärtet (vgl. Gutachten Rdn. 222 bis 225 und auch weitere ergänzende Stellungnahmen vom 8. Januar 2015, Bl. 2080 ff. der Gerichtsakte).
Zu berücksichtigen war für die Kammer insoweit, dass eine einheitliche Festsetzung der Marktrisikoprämie nach dem aktuellen Stand der Wirtschaftswissenschaften empirisch nicht möglich ist (vgl. dazu OLG Stuttgart vom 04.05.2011, 20 W 11/08 zweiter Leitsatz) und es somit keine mit Eindeutigkeit festzustellende Marktrisikoprämie gibt (so KG Berlin, vom 19.05.2011, 2 W 154/08).
Da der Sachverständige schlüssig ausgeführt hat, dass und warum vor dem Hintergrund der in der Rechtsprechung zu findenden Bandbreite festgestellter Marktrisikoprämien vor Steuern (vgl. Werte bei Hachmeister u.a. WPg 2013, 769) die Ansiedlung des Wertes im konkreten Fall eher am unteren Rande stattzufinden habe, unterliegt die von ihm angegebene Marktrisikoprämie keinen durchgreifenden Bedenken.
Aus dieser Herabsetzung der Marktrisikoprämie von 5,0 (L) auf 4,0 vor persönlichen Steuern) resultiert Ceteris-Paribus eine Erhöhung des Ertragswerts inkl. nicht betriebsnotwendigen Vermögens je Aktie nach IDW S1 2000 um 2,15 €.
Den bereits durch die L für den Bereich Energie angenommenen unverschuldeten Betafaktor von 0,45 sowie den ebenfalls durch L bereits für den Bereich Immobilien angenommenen unverschuldeten Betafaktor von 0,2 % hält der Sachverständige ebenfalls mit nachvollziehbarer Begründung (vgl. im Einzelnen Gutachten S. 75 ff.) für sachgerecht.
Unter Anwendung all dieser Faktoren ergibt sich somit zur Überzeugung der Kammer ein Wert von 23,58 Euro pro Aktie; auf die Berechnungen S. 88 und S. 89 des Gutachtens wird Bezug genommen.
Soweit durch die Antragsteller gerügt wurde, dass Unterlagen nicht herausgegeben worden seien, was aufgrund des § 7 VII 2 SpruchG dazu führe, dass die Antragsgegnerin mit allen Einwendungen abgeschnitten sei, liegt dies neben der Sache.
Der Sachverständige hat diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass und welche Unterlagen nicht vorlagen. Er hat aber erläutert, dass die ihm vorliegenden Unterlagen ein insgesamt stimmiges Bild ergaben.
Auch war zu berücksichtigen, dass vorliegend keine Pflicht zur Vorlage von Protokollen der Aufsichtsratssitzungen bzw. Vorstandssitzungen bestand. Regelmäßig besteht insoweit kein Auskunftsrecht der Antragsteller (vgl. OLG Frankfurt 21 W 33/11 Rdn. 42 zitiert nach Juris m.w.N.); lediglich im Einzelfall kann der Vertraulichkeitsschutz hinter ein überwiegendes Aufklärungsinteresse zurücktreten, sofern der Antragsteller ein solches Interesse aufzeigt (vgl. BGH II ZB 5/12 Rdn. 76, zitiert nach Juris). Ein solches Interesse haben die Antragsteller aber über das generell bestehende Aufklärungsinteresse hinaus gerade nicht vorgetragen.
Soweit die Antragsgegnerin die Rechtsauffassung vertreten hat, der Börsenkurs müsse hier zum Zwecke der Plausibilitätskontrolle herangezogen werden, liegt dies aus Sicht der Kammer neben der Sache. Sowohl durch das Bundesverfassungsgericht als auch den BGH ist anerkannt, dass eine Plausibilisierung durch den Börsenkurs dann vorzunehmen ist, wenn der Börsenkurs höher als der Kurs nach dem Ertragswertverfahren ist (vgl. BGH NJW 2010, 2657 Rdn. 10 „Stollwerk“ sowie zum Ganzen auch Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., Rdn. 1210, 1212 und 1217 jeweils m.w.N.). Ermäßigung aufgrund eines niedrigeren Börsenkurses nimmt die Rechtsprechung ohne weiteres nicht vor (vgl. OLG Düsseldorf 26 W 2/06 vom 06.04.2011, Rdn. 98 bis 100 zitiert nach Juris). Anlass, von dieser Übung abzuweichen, besteht vorliegend nicht.
Im Übrigen ist der Rechtsauffassung der Antragsteller, es seien weitere Plausibilitätskontrollen der Planungsrechnung vorzunehmen, nicht zu folgen. Prüfungsmaßstab der Unternehmensplanung ist die Vertretbarkeit. Bei der Prognose handelt es sich in erster Linie um ein Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen. Diese ist dann vertretbar, wenn sie auf zutreffenden Informationen und daran orientierten realistischen Annahmen beruht und in sich widerspruchsfrei ist (vgl. OLG Stuttgart 20 W 7/11; ferner OLG Düsseldorf, 26 W 2/06 und zum Ganzen auch Hachmeister u.a., WPG 2013, 763). Dies ist hier durch den Sachverständigen geschehen; insbesondere ist auch durch ihn die Ambitioniertheit der Unternehmensplanung jeweils berücksichtigt worden.
Eine Entscheidung über die Verzinsung hatte nicht zu ergehen. Der im Spruchverfahren ergehende Beschluss ist kein Vollstreckungstitel. Über die Verzinsung als Teil des konkreten Zahlungsanspruchs hat daher im Streitfall erst das nach § 16 SpruchG für die Leistungsklage zuständige Gericht zu entscheiden (OLG Düsseldorf, AG 2009, 907, 912).
Die Entscheidung über die Gerichtskosten folgt aus § 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG. Da der Abfindungsbetrag entsprechend dem Antrag der Antragsteller höher festgesetzt worden ist, entsprach es nicht der Billigkeit, diese den Antragstellern aufzuerlegen (§ 15 Abs. 2 Satz 2 SpruchG).
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller beruht auf § 15 Abs. 4 SpruchG. Unter Berücksichtigung des Ausgangs des Verfahrens entspricht es wiederum der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller der Antragsgegnerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin hat ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
Die Bestimmung des Geschäftswerts folgt aus § 15 Abs. 1 Satz 2 und 3 SpruchG; der Berechnung zugrunde lagen die Anzahl der Aktien (4,94 % von 31.900.000) und der Wert der hier vorgenommenen Erhöhung der Abfindung (23,58 Euro – 19,50 Euro = 4,08 Euro).
Die Entscheidung über den für die Berechnung der außergerichtlichen Kosten erforderlichen Geschäftswert für jeden Antragsteller ist einer gesonderten Beschlussfassung vorzubehalten. Insoweit müssen auch diejenigen Antragsteller, die die Zahl der von ihnen gehaltenen Aktien bisher nicht angegeben haben, diese Angaben nachholen und den Aktienbesitz nachweisen.