Az.: 18 AktE 3/03
ISIN: DE0007241259 / WKN: 724125
Hauptversammlung: 30.06.1989
Antragsgegner: Hagen Batterie AG; Manos Verwaltungsgesellschaft mbH
Tenor
1.
Die den außenstehenden Aktionären aus Anlass des am 18.05.1989 zwischen der Antragsgegnerin zu 1) und der Antragsgegnerin zu 2) geschlossenen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages gemäß § 305 AktG zu gewährende angemessene Abfindung wird auf 122,00 € pro Aktie im Nennbetrag von 50,00 DM festgesetzt.
Der Abfindungsbetrag ist für die Zeit vom 19.09.1989 bis zum 31.12.1998 mit 2 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, für die Zeit vom 01.01.1999 bis zum 31.12.2001 mit 2 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank und vom 01.01.2002 an mit 2 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB zu verzinsen.
2.
Die den außenstehenden Aktionären gemäß § 304 AktG aus Anlass des vorerwähnten Unternehmensvertrages zu gewährende Ausgleichszahlung wird für jede Aktie im Nennbetrag von 50,- DM auf 8,50 € jährlich festgesetzt, jedoch abzüglich der von der Antragsgegnerin zu 1) hierauf zu entrichtenden (Ausschüttungs-)Körperschaftssteuer in Höhe des jeweils gültigen Steuertarifs.
3.
Soweit von Seiten der Antragsteller und des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre eine weitergehende Verzinsung des Abfindungsbetrages und die Verzinsung des Ausgleichsbetrages beantragt wurde, wird der Antrag zurückgewiesen.
4.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldner.
Die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller und die Vergütung und die Auslagen der gemeinsamen Vertreter der außenstehenden Aktionäre trägt die Antragsgegnerin zu 1).
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin zu 1) wurde am 01.04.1910 in T durch I als „I KG“ gegründet. Im Jahre 1983 fand die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft statt. Seitdem ist die Antragsgegnerin zu 1) im Handelsregister des Amtsgerichts Soest unter der Nummer HRB …… eingetragen. Ihr Grundkapital von insgesamt 20 Mio. DM ist in 400.000 Inhaberaktien im Nennbetrag von je 50,00 DM aufgeteilt. 25 % davon, mithin Grundkapital im Nennbetrag von 5 Mio. DM ist zum Börsenhandel zugelassen (WK 500 050). Weitere 75 % des Grundkapitals standen ursprünglich im Eigentum der Gründerfamilie I. Diese veräußerte ihr Aktienpaket mit Wirkung vom 31.01.1989 an die Antragsgegnerin zu 2), eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der F Madrid. Die Antragsgegnerin zu 2) unterbreitete den außenstehenden Aktionären ein öffentliches Übernahmeangebot zum Kaufpreis von 200,00 DM pro Aktie. Sie verpflichtete sich zugleich, diejenigen Aktionäre, die das Kaufangebot angenommen haben, durch eine zusätzliche Entschädigung (Nachbesserung) solchen Aktionären gleichzustellen, die für einen nach Veröffentlichung des Kaufangebotes vereinbarten Verkauf oder Umtausch ihrer Aktien zu Gunsten der Antragsgegnerin zu 2) oder eines dieser nahestehenden Dritten einen günstigeren Ausgleich erhalten würden. Auf diese Weise gelangten bis Anfang Mai 1989 etwa 96 % des Grundkapitals der Antragsgegnerin zu 1) in das Eigentum der Antragsgegnerin zu 2).
Das Fertigungsprogramm der Antragsgegnerin zu 1) besteht aus Blei-Säure-Batterien, die sich in die Produktgruppen Industriebatterien, Fahrzeug-Starterbatterien sowie Anlagebau und Technologie zur Produktion von Batterien gliedern lassen. Ferner liefert die Antragsgegnerin zu 1) als Handelsware die für den Einsatz von Batterien erforderlichen Nebenprodukte wie Ladesysteme, Zubehör, Überwachungs- und Steuerungssysteme. Ihre Fertigungsstätten befinden sich in T, L und C. Ende der 80er Jahre verfügte sie im Inland über ca. 1.200 Mitarbeiter.
Die Antragsgegnerin zu 1) hat 5 ausländische Tochterunternehmen im Sinne von
§ 271 Abs. 2 HGB, nämlich
die I² in N/Niederlande,
die I³ in B/Italien,
die I 4 in Italien,
die I 5 in N2/Frankreich
sowie die I 6 in U/Dänemark.
Wirtschaftlich gesehen liegt die Beteiligungsquote an den Tochtergesellschaften bei 100 %, wenn auch bei einzelnen Gesellschaften aus sekundären Gründen Anteile in
Händen Dritter sind; insoweit bestehen Treuhandverträge.
Die I 4 war mit Unternehmenskaufvertrag vom 28.03.1989 zum Kaufpreis von 60.000,00 DM erworben worden. Hintergrund war, dass diese Gesellschaft der Antragsgegnerin zu 1) gegenüber Verbindlichkeiten in sechsstelliger Höhe hatte, die zu bedienen sie nicht in der Lage war. Dieserhalb hatte die Antragsgegnerin zu 1) beim Nachlass- und Konkursgericht von C2/Dänemark einen Konkursantrag gestellt, der nach dem Unternehmenskauf zurückgenommen wurde. Wegen der offenen Verbindlichkeiten fand eine Wertberichtigung statt.
Zum nicht betriebsnotwenigen Vermögen der Antragsgegnerin zu 1) zählten im Jahre 1989 zwei nicht bebaute Grundstücke in W und K sowie ein ehemaliges Verwaltungsgebäude in T, S-straße. Ob auch die mit Werkswohnungen bebauten Grundstücke G1, G2, G3, G4 und G5 in T hinzuzurechnen sind, ist streitig. Zum 31.12.1988 verfügte die Antragsgegnerin zu 1) über ein Wertpapierdepot in Höhe von 11.205.000,00 DM. Eine Besonderheit stellt ein Außenstand in Höhe von 24.048.000,00 DM dar, der aus einem Großprojekt für das iranische Verteidigungsministerium resultierte. Diese Forderung wurde nicht bedient, es war ein Schiedsgerichtsverfahren anhängig. Die Y Kreditversicherung hat eine Vorfinanzierung in Höhe von 8.100.000,00 DM geleistet. Für den Fall, dass das Schiedsverfahren zu einer darunter liegenden Forderung der Antragsgegnerin zu 1) gelangt, sind die Differenzbeträge zur Vorfinanzierungssumme zurückzuzahlen.
Gemäß Steuerbescheid des Finanzamts T zum 31.12.1989 verfügte die Antragsgegnerin zu 1) über verwendbares Eigenkapital in Höhe von 10.611.000,00 DM, das mit 56 % Körperschaftssteuer (EK 56) belastet ist.
Am 18.05.1989 schlossen die Antragsgegnerin zu 1) als beherrschtes und die Antragsgegnerin zu 2) als herrschendes Unternehmen einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, dem die Hauptversammlung der Antragsgegnerin zu 1) am 30.06.1989 zustimmte. In § 4 des Vertrages garantierte die Antragsgegnerin zu 2) den außenstehenden Aktionären der Antragsgegnerin zu 1) einen angemessenen Ausgleich für die Dauer des Vertrages in Höhe von 7,00 DM je Stammaktie im Nennbetrag von 50,00 DM für jedes volle Geschäftsjahr, erstmals für das Geschäftsjahr 1989.
In § 5 verpflichtete sie sich, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen Aktien gegen eine Barabfindung von 200,00 DM je Stammaktie im Nennbetrag von 50,00 DM zu erwerben. Der Bestimmung dieser Beträge lag ein Gutachten der B2 vom 12.05.1989 zugrunde, das als Abfindung für einen Aktiennennwert von 50,00 DM einen Abfindungsbetrag von 154,00 DM und als Ausgleichszahlung bezogen auf einen Aktiennennwert von 50,00 DM 6,57 DM errechnet hatte. Der Börsenkurs lag allerdings über dem vom Vorgutachter B3 ermittelten Unternehmenswert pro Aktie: Im ersten Halbjahr 1989 schwankte der Börsenkurs der Aktien der Antragsgegnerin zu 1) zwischen 186,00 und 220,00 DM. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Unternehmensvertrages lag er bei 200,00 DM. Das Abfindungsangebot entspricht mithin dem Börsenkurs.
Der Abschluss des Unternehmensvertrages wurde am 19.09.1989 in das Handelsregister beim Amtsgericht T eingetragen. Die (letzte) Veröffentlichung dieser Eintragung fand am 21.10.1989 im Bundesanzeiger statt.
Die Antragsteller haben vor der Kammer für Handelssachen des Landgerichts die gerichtliche Festsetzung von angemessener Abfindung nebst dessen Verzinsung und von angemessenem Ausgleich verlangt. Sie halten die angebotenen Beträge für unangemessen niedrig und begehren im vorliegenden Spruchstellenverfahren die
Festsetzung höherer, nach ihrer Auffassung angemessener Ausgleichs- und Abfindungsbeträge mit folgenden Begründungen:
1.
Antragsteller zu 2), L
Er rügt die mangelnde Nachvollziehbarkeit des vom Vorgutachters angenommenen Ertragswertes in Höhe von TDM 59.917. Die hierfür erforderlichen Basisdaten könnten dem Gutachten nicht entnommen werden. Eine Abzinsung der Zukunftserträge auf den Tag der Hauptversammlung, den 30.06.1989, fehle. Planung und Prognose seien wenig schlüssig. Nicht nachvollziehbar sei, wie die Bewertung der Beteilungsgesellschaften in die Gesamtkapitalisierung eingegangen sei. Unzulässig sei es, für die dänische Tochtergesellschaft überhaupt keinen Unternehmenswert anzusetzen. Die Auswirkung von Personalkosteneinsparungen sei nur unzureichend dargestellt. Die Reinvestitionsrate von 17,5 Mio. DM sei weit überhöht. Unzulässig sei es, eine latente
Steuerlast auf die Abschreibungsdifferenz wertmindernd einzuplanen. Unklar sei, ob die Werthaltigkeit der Forderung an den Iran zutreffend bemessen worden sei. Schließlich sei auch das nicht betriebsnotwendige Vermögen nur unzureichend berücksichtigt worden. Der Antragsteller zu 2) stellt in Frage, ob der Kapitalisierungszinsfuß zutreffend und sachgerecht angenommen wurde. Ferner dürfe auch der Kaufpreis für das Mehrheits-Aktienpaket zwischen der Gründerfamilie und der Antragsgegnerin zu 2) nicht völlig außer Acht gelassen werden. Schließlich begehrt der Antragsteller zu 2) eine Verzinsung des Abfindungsbetrages in Höhe des Kapitalisierungszinssatzes.
2.
Antragsteller zu 3), P
Sie rügt, dass die dem Vorgutachten zugrundegelegte Unternehmensplanung falsch sei. Die dem Vorgutachter übergebenen Planzahlen seien von der Antragsgegnerin zu 1) bereits als optimalste Untergrenze der Erträge angenommen worden. Unzulässig sei es, wenn der Sachverständige davon noch einmal um 20 % nach unten abweiche. Die Auslandsbeteiligungen seien anders zu bewerten. Insbesondere seien die mit Verlust arbeitenden Tochterunternehmen mit ihrem Liquidationswert einzusetzen. Ein Unternehmerrisiko von 1,5 % anzusetzen sei unzulässig, weil dieses Risiko schon in der Unternehmensplanung seinen Niederschlag gefunden habe. Zudem müssten auch die
Chancen berücksichtigt werden. Die Forderung an den Iran sei höher einzusetzen, als der von der Y Kreditversicherung gezahlte Betrag. Auch die Antragstellerin zu 3) begehrt die Verzinsung des Abfindungsbetrages in Höhe des Kapitalisierungszinses, darüber hinaus auch eine Verzinsung des Ausgleichs.
3.
Gemeinsamer Vertreter der außenstehenden Aktionäre (Abfindung)
Auch er hält den von Vorgutachter vorgenommenen Sicherheitsabschlag von der Unternehmensplanung für unzulässig und meint, es sei davon auszugehen, dass alle positiven und negativen Aspekte infolge der Fach- und Branchenkenntnis des Vorstandes der Antragsgegnerin zu 1) bei der Planung bereits angemessen ihren Niederschlag
gefunden hätten. Die Ableitung des Grundstückswertes der beiden unbebauten Grundstücke in W und K sei nicht nachvollziehbar. Die Forderung gegen den Iran habe höher bewertet werden müssen. Nicht angemessen sei es, bei der Bemessung des Risikozuschlages die Unternehmenschancen außer Acht zu lassen. Schließlich habe auch in der Phase 1 der Unternehmensbewertung ein Inflationsabschlag vorgenommen werden müssen.
Die übrigen Antragsteller und der gemeinsame Vertreter der außenstehenden Aktionäre (Ausgleich) haben keine eigenen Bewertungsrügen vorgebracht; sie schließen sich dem Vorbringen der übrigen an.
Die Antragsteller und die gemeinsamen Vertreter der außenstehenden Aktionäre beantragen,
die Barabfindung und den Ausgleichsbetrag gemäß §§ 304, 305 AktG anderweitig und angemessen höher festzusetzen,
die Antragsteller zu 2) und 3) darüber hinaus
den Abfindungsbetrag mit dem Kapitalisierungszinsfuß zu verzinsen,
die Antragstellerin zu 3) zudem,
den Ausgleichbetrag zu verzinsen.
Die Antragsgegnerinnen beantragen,
diese Anträge zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerinnen verteidigen das Vorgutachten der B2.
Auf Grund Beweisbeschlusses vom 07.01.1993 (Blatt 207 bis 211 der Akte), auf den verwiesen wird, hat die Kammer Beweis erhoben zu einzelnen Bewertungsansätzen
des Gutachtens B2 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens der X. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 09.09.1996 Bezug genommen.
Gegen dieses Gutachten sind von Seiten der Antragsgegnerin und des Antragstellers zu 2) Beweiseinreden erhoben worden:
Der Antragsteller zu 2) (Kind) hält den Barwert der zukünftig erzielbaren und ausschüttungsfähigen Erträge für finanzmathematisch unzutreffend ermittelt.
Die Antragsgegnerinnen reden ein, dass die vom Sachverständigen angenommene Abarbeitung des Investitionsstaus und die daraus folgende Annahme einer Investitionsrate zur einer abweichenden Ermittlung des Finanzergebnisses führen müsse. Die mit Werkswohnungen bebauten Grundstücke seien als betriebsnotwendiges Vermögen anzusehen. Für das Grundstück G5 in T gelte darüber hinaus auch noch, dass es als Reservefläche für eine daneben befindliche Produktionsstätte zur Verfügung bleiben müsse. Unberücksichtigt geblieben sei der Überschuss der Erträge der Wohngrundstücke über die Aufwendungen in Höhe von 294 TDM. Das latente Steuerguthaben aus dem EK 56 könne schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil das „Schüttausholzurück-Verfahren“ im vorliegenden Fall nicht durchführbar sei.
Eine Ausschüttung der so verifizierten Gewinne sei lediglich infolge von Finanzierung mit Fremdmitteln möglich.
Insoweit hat die Kammer weiteren Beweis erhoben durch Einholung von Ergänzungsgutachten der X2 vom 19.04.1999 und der X vom 31.03.2003 (Blatt 516 bis 525). Auf den Gutachteninhalt wird verwiesen.
II.
A.
Sämtliche Anträge sind zulässig. Insbesondere haben alle Antragsteller ihre Antragsberechtigung hinreichend dargetan.
B.
Die Anträge haben Erfolg. Den außenstehenden Aktionären der Antragsgegnerin zu 1) steht ein Anspruch auf eine höhere Abfindung und ein höherer Ausgleichsbetrag zu, als ihnen angeboten wurde.
Gemäß § 304 Abs. 1 AktG ist den außenstehenden Aktionären bei Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ein angemessener Ausgleich für die ihnen durch diesen Unternehmensvertrag entstehenden Vermögenseinbußen anzubieten. Gemäß § 304 Abs. 2 AktG ist als Ausgleichszahlung mindestens die jährliche Zahlung des Betrages zuzusichern, der nach der bisherigen Ertragslage der Gesellschaft und ihren zukünftigen Ertragsaussichten voraussichtlich als durchschnittlicher Gewinnanteil auf die einzelne Aktie verteilt werden könnte. Daneben muss ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag gemäß § 305 Abs. 1 AktG die Verpflichtung des anderen Vertragsteils enthalten, auf Verlangen eines außenstehenden Aktionärs dessen Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben. Durch diese Abfindung nach § 305 AktG soll der Aktionär einen vollen Ausgleich für die Vermögensverluste erhalten, die ihm durch den Unternehmensvertrag entstanden sind (BGH, ZIP 2001, S. 734 (736); BVerfG, ZIP 1999, S. 1436 (1441)). Für die Bemessung des angemessenen Ausgleichs und der angemessenen Abfindung ist die Bewertung des beherrschten Unternehmens erforderlich. Beide Werte bestimmen sich maßgeblich danach, wie das beherrschte Unternehmen ohne Abschluss des Unternehmensvertrages wertmäßig zu beurteilen wäre. Der nach diesen Grundsätzen ermittelte Wert stellte die angemessene Abfindung dar, weil der ausscheidende Aktionär die Summe erhalten muss, die dem Wert seiner Beteiligung am Unternehmen voll entspricht. Nur die volle Abfindung ist angemessen (BVerfGE 14, S. 263 (284); OLG Düsseldorf, AG 1990, S. 397).
Mathematisch oder naturwissenschaftlich anerkannte Verfahren zur Ermittlung des „wahren“ Unternehmenswertes existieren nicht. Entscheidend für die Findung des Unternehmenswertes können jedenfalls subjektbezogenen Determinanten (Mindestverkaufspreis einerseits/Höchstankaufspreis andererseits) sein (Großfeld, Unternehmens- und Anteilbewertung, 4. Aufl., S 25). Auf die individuellen Grenzwerte von potentiellen Kaufvertragsparteien (auch Verhandlungs-Abbruchpunkte genannt) kann es nicht ankommen, weil im Falle eines Ankaufs oder Verkaufs häufig auch sekundäre, oft „strategisch“ genannte Überlegungen einfließen, die die Preisfindung beeinflussen. Aus diesem Grund scheidet die Heranziehung des Kaufpreises, der von der Antragsgegnerin zu 2) für das Aktienpaket der Gründerfamilie gezahlt worden ist, aus. Zu finden ist vielmehr ein objektivierter Wert. Es ist der Unternehmenswert bzw. der auf die einzelne Aktie entfallende Wert festzusetzen, der aus Sicht eines objektivvernünftigen dritten Betrachters als „wahr“ gelten kann. Die Bewertung muss rein fiktiv erfolgen. In der Betriebswirtschaft weitgehend anerkannt und akzeptiert wurden insoweit die vom Hauptfachausschuss der Wirtschaftsprüfer erarbeiteten Standards HFA 2 1983, im Jahre 2000 abgelöst durch den Standard IDW S1, für deren Vorgehensweisen mehr Argumente gefunden werden können, als dagegen. Auch diese Bewertungsmethoden können aber keinesfalls für sich in Anspruch nehmen, den „wahren“ Unternehmenswert mathematisch exakt zu bestimmen (OLG Stuttgart, AG 2004, S. 45). Ihr Denkweg zu Findung des Wertes und damit der angemessenen Abfindung besteht nämlich, da die Feststellung von zukünftigen Tatsachen nach wie vor nicht unerhebliche Schwierigkeiten bereitet, aus einer Vielzahl von Fiktionen, ungesicherten Prognosen, Unterstellungen, Pauschalierungen und Annahmen. Trotz aller Unsicherheiten, Zweifelhaftigkeiten und Pauschalierungen ist die Methode aber gleichwohl geeignet, dem Gericht als taugliche Schätzgrundlage im Sinne von § 287 Abs. 2 ZPO zu dienen (BGH DB 2001, S. 969; Piltz, ZGR 2001, S. 185; Bilda JR 2002, S. 17; BayObLG DB 2001, S. 36; OLG Hamburg, Der Konzern 2003, S. 55 (58)).
Danach gilt Folgendes:
1. Liquidationswert
In Rechtsprechung und Lehre (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg NZG 2001, S. 471; OLG Düsseldorf, AG 1999, S. 321; BayObLG, AG 1995, S. 509; Großfeld, a.a.O., S. 203) anerkannt ist, dass der sogenannte Liquidationswert die Untergrenze des Unternehmenswertes darstellt. Hierbei handelt es sich um den Erlös, der sich erzielen lässt, wenn sämtliche Gegenstände des Unternehmens veräußert werden (Summe der Einzelveräußerungspreise nach Abzug von Schulden, Liquidationskosten und evtl. Steuern). Auf ihn abzustellen kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn es sich nicht lohnt, das Unternehmen fortzuführen oder der Barwert der aus dem Veräußerungserlös zu erzielenden Gewinne höher wäre als der Barwert der ausschüttungsfähigen Unternehmensgewinne. Dem ist nach den Ausführungen des Vorgutachters B2 offensichtlich nicht so: Die Antragsgegnerin zu 1) arbeitet profitabel. Dem ist keiner der Verfahrensbeteiligten entgegen getreten. Auch der gerichtliche Sachverständige hat diese Annahme offensichtlich als plausibel akzeptiert. Mithin ist vorliegend der Ertragswert offensichtlich höher als der Liquidationswert, so dass auf letzteren nicht abzustellen ist.
2. Börsenkurs
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 100, S. 189) ist es mit Artikel 14 GG unvereinbar, bei der Bestimmung der Abfindung den Börsenkurs der Aktien eines Unternehmens außer Betracht zu lassen. Auch der BGH (BGHZ 147, S. 108) hat entschieden, dass die Abfindung der außenstehenden Aktionäre grundsätzlich unter Berücksichtigung des an der Börse gebildeten Verkehrswerts der Aktie zu erfolgen hat. Der Unternehmenswert darf danach niemals geringer angenommen werden, als ein am Stichtag vorhandener Börsenwert aller ausgegebenen
Aktien. Im vorliegenden Fall schwankte der Börsenkurs der Antragsgegnerin zu 1) im ersten Halbjahr 1989 zwischen 186,00 DM und 220,00 DM. Der höchste erzielte Börsenkurs liegt mithin noch unter den von der Kammer zuerkannten Abfindungsbetrag. Einer näheren Betrachtung des Kursverlaufs (Gewichtung) bedurfte es hier deshalb nicht.
3. Ertragswertermittlung
Wie oben schon ausgeführt, gilt die sogenannte Ertragswertmethode von den derzeit bekannten als bester und plausibelster Weg zur Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswertes. Sie ist in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein anerkannt (OLG Zweibrücken, WM 1995, S. 980; OLG Stuttgart, AG 2004, S. 43; OLG Düsseldorf, AG 2003, S. 688). Dabei wird der Unternehmenswert nach den erwarteten Gewinnen in der Zukunft bestimmt; sie werden auf den Bewertungsstichtag abgezinst und dadurch zum Ertragswert kapitalisiert. Maßgeblich ist das sogenannte Stichtagsprinzip. Allein aus seiner Sicht ist die Ertragsentwicklung zu prognostizieren. Spätere Entwicklungen können nur berücksichtigt werden, wenn sie in ihren Ursprüngen bereits am Stichtag angelegt und erkennbar waren (sog. Wurzeltheorie). Zusätzlich zum Ertragswert ist das nicht betriebsnotwendige Vermögen mit dem Liquidationswert anzusetzen. Für die Höhe von Abfindungs- und Ausgleichsbetrag im vorliegenden Fall ergibt sich danach Folgendes:
a) Abfindungsanspruch
aa) Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens der Antragsgegnerin zu 1)
( I AG)
(1) Zutreffend hat die B2 zunächst ermittelt, welche Beträge
zukünftig aus Sicht des Bewertungsstichtages voraussichtlich für eine Ausschüttung zur Verfügung stehen werden. Methodengerecht hat sie dieser Überlegung die erwirtschafteten Erträge der Vergangenheit zugrundegelegt. Hierfür eine Referenzperiode von 5 Jahren (1984 bis 1988) zu greifen, ist nicht nur beanstandungsfrei, sondern methodengerecht. Regelgerecht hat der Vorgutachter weiter die Ergebnisrechnungen der Antragsgegnerin zu 1) um die wesentlichen außerordentlichen und periodenfremden Aufwendungen und Beträge bereinigt. Außerdem hat er diejenigen Aufwendungen und Erträge eliminiert, denen für die Zukunftsrechnung keine Maßstabsfunktion beigemessen werden kann, weil sie zukünftig nicht oder anders anfallen. Saisonale Einflüsse und zyklische Sondergeschäfte wurden berücksichtigt. Außerdem sind die Ertragszahlen hinsichtlich des Umsatzausfalls durch den Brand in der Produktionsstätte T 1988 bereinigt worden. Die Betriebsergebnisse auf Seite 11 unten des Gutachtens B2 als repräsentativ für die Zukunft anzusehen, bestehen keine Bedenken.
Gleiches gilt entsprechend für die Eruierung der Vergangenheitsergebnisse der Tochtergesellschaften durch den Vorgutachter B2.
Sofern von Seiten der Antragsteller eingewandt worden ist, mit Verlust arbeitende Tochtergesellschaften seien stattdessen mit ihrem Liquidationswert anzusetzen, geht dies fehl. Denn wie die gerichtliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur vollen Überzeugung der Kammer ergeben hat, wäre dies betriebswirtschaftlich nicht angebracht: Die infolge sogenannter „Deckungsbeiträge“ für die Muttergesellschaft entstehenden Vorteile und die damit einhergehende Erhöhung ihres eigenen Betriebsergebnisses übertrifft den Verlust der ausländischen Tochtergesellschaften bei Weitem. Die Fortführung solitär betrachtet nicht gewinnbringender Gesellschaften ist deshalb hinsichtlich der Gesamtbewertung der Antragsgegnerin zu 1) die vorteilhaftere Alternative.
Methodisch richtig ist der Vorgutachter B2 bei der darauf aufbauenden Prognoserechnung so vorgegangen, dass 2 Planungsphasen gebildet wurden. Es ist lege artis, die Planungsphase I auf den Zeitraum von 5 Jahren (1989 bis 1993) und
den Prognosezeitraum II für alle danach folgenden Jahre festzusetzen. Bei der Bestimmung der auf der Grundlage der Daten des Referenzzeitraums für die Phase I voraussichtlich erwarteten Erträge hat der Vorgutachter methodisch zutreffend die Unternehmensplanung berücksichtigt. Jedoch halten Vorgutachter und Gerichtssachverständiger die Investitionsplanung der Antragsgegnerin zu 1) für unzureichend.
Übereinstimmend gehen beide von einer (zu inflationierenden) Reinvestitionsrate von 17,5 Mio. DM jährlich aus. Allerdings legt der gerichtliche Sachverständige überzeugend dar, dass dies den bisherigen bilanziellen Abschreibungen der I AG nicht gerecht wird (Gutachten Seite 26). Darüber hinaus hat nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht hinreichend Berücksichtigung gefunden, dass es sich bei den hohen Investitionen in den Jahren 1984 bis 1988 nicht nur Ersatz-, sondern auch um Erweiterungsinvestitionen gehandelt hat, was bei der Bemessung zukünftiger Investitionssummen besondere Berücksichtigung zu finden hat. Deshalb hat der Sachverständige – was nachvollziehbar ist – die ursprünglich von der I AG geplanten Investitionen angesetzt und das Freiwerden entsprechender Finanzmittel parallel dazu in der Finanzbedarfsberechnung berücksichtigt. Methodengerecht erscheint es auch, für die Phase II von der Identität von Investitionsrate und steuerlicher Abschreibung auszugehen, was zur Konsequenz hat, dass eine latente Ertragssteuerlast für diese Phase nicht anzusetzen ist.
Regelgerecht erscheint der Kammer auch der vom Sachverständigen vorgenommene Verlustvortrag aus dem Jahre 1989 in das Jahr 1990.
Nachvollziehbar und akzeptabel kommt der gerichtliche Sachverständige deshalb zu folgenden zu kapitalisierenden Ergebnissen der Antragsgegnerin zu 1):
Für das Jahr 1989: 0,0 TDM,
für das Jahr 1990: 5.595,00 TDM,
für das Jahr 1991: 11.334,00 TDM,
für das Jahr 1992: 7.886,00 TDM,
für das Jahr 1993: 2.379,00 TDM,
für die Jahre ab 1994: 6.363,00 TDM.
Greifbare Anhaltspunkte, diese fiktiv errechneten Ergebnisse einer sogenannten retrospektiven Plausibilitätskontrolle (auch: Wertaufhellung oder Soll-/Ist-Vergleich) zu unterziehen, haben die Verfahrensbeteiligten weder vorgetragen noch sieht die Kammer hierzu eine Veranlassung.
(2) Kapitalisierungszinssatz
Nach der Ertragswertmethode waren diese fiktiv errechneten zukünftigen Erträge auf eine Größe zum Bewertungsstichtag zu reduzieren. Dieser Abzinsung auf den Stichtag liegt die Vorstellung zugrunde, den Betrag zu ermitteln, der bei einem realistischen Zins (Kapitalisierungszins) Erträge bringt, die den zu erwartenden Unternehmensgewinnen entsprechen (OLG Düsseldorf, ZIP 1988, S. 1560).
(a)
Ausgangspunkt zur Findung des Kapitalisierungszinssatzes ist der Basiszinssatz. Der Basiszinssatz bezieht sich auf die aus der Sicht des Stichtages auf Dauer erzielbare Rendite öffentlicher Anleihen. Abzustellen ist nach ständiger Rechtsprechung auf die durchschnittliche Rendite solcher öffentlicher Anleihen oder langfristiger festverzinslicher Wertpapiere. Dabei ist nicht auf die Höhe des Zinses am Stichtag, sondern auf die aus der Sicht des Stichtages auf Dauer zu erzielende Verzinsungshöhe abzustellen. Dies hat der Sachverständige bei der Ermittlung des von ihm zugrundelegten Basiszinssatzes beachtet. Die von ihm für die Phase I zugrundgelegte Größe von nominal 7,0 % begegnet jedenfalls dann keinen Bedenken, wenn -wie geschehen- für die Berechnung der „ewigen Rente“ ein Basiszins von nominal 7,7 % angenommen wird. Die getrennte Betrachtungsweise für die beiden Phasen gilt allgemein als methodengerecht (Großfeld, a.a.O., Seite 94,95). Auch die angenommenen Größen sind unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Basiszins für die Phase II ein deutlich überproportionales Gewicht hat, akzeptabel. So nahm das OLG Stuttgart (AG 2004, S. 45 = DB 03, S. 2429) für den Bewertungsstichtag 17.12.1990 einen Basiszinssatz von 7,8 % an. Das Bayerische Oberste Landesgericht akzeptierte für den Stichtag 20.05.1988 den Basiszins von 7,91 % (FGPrax 01, S. 215), für den 18.05.1989 (DB 01, S. 1928) aber 7 %. Das LG Berlin (AG 2000, S. 284) legte für 1989 nur 6 % zugrunde. Die Annahme eines Basiszinssatzes in Höhe von 7 und 7,7 % erscheint deshalb ohne Weiteres als vertretbar.
(b)
Methodengerecht war es weiter, diesen Basiszinssatz um einen Risikozuschlag zu korrigieren. Dies soll der Erfahrungstatsache Rechnung tragen, dass die Anlage in Kapital in einem Unternehmen mit größeren Risiken behaftet ist als die Anlage in öffentlichen Anleihen. Diesen Risikozuschlag hier mit 1,5 % anzunehmen, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Wie der Vorgutachter B2 nachvollziehbar darlegt (Blatt 25) handelt es sich hierbei lediglich um außergewöhnliche Risiken wie beispielsweise konjunkturelle Risiken, latente Risiken im Umweltschutz bzw. der daraus resultierenden restriktiven Gesetzgebung und das Abhängigkeitsverhältnis zu Großabnehmern. Die speziellen Risiken und Chancen einzelner Produkte und Standorte sind hingegen bereits bei der Ermittlung des Zukunftserfolges einbezogen worden.
(c) Inflationsabschlag
Auch der Geldentwertungsabschlag ist mit 2,5 Prozentpunkten aus Stichtagssicht ausreichend und angemessen vorgenommen worden. Eine Vergleichsrechnung zwischen Geldanlage und Investition in einem Unternehmen muss die unterschiedliche Ausgangslage bei der Kapitalisierung berücksichtigen. Der Abschlag beim Kapitalisierungszinssatz hängt davon ab, in welchem Umfang erwartet werden kann, dass die Gewinne des Unternehmens die laufende Geldentwertung aufzufangen vermögen, so dass die Kapitalanlage in einem Unternehmen insoweit einer Geldentwertung entzogen wird (BayObLG, AG 1996, S. 176; OLG Düsseldorf, DB 2000, S. 82). Dabei ist davon auszugehen, dass jedes Unternehmen in gewissem Umfange in der Lage ist, beispielsweise durch Überwälzung gestiegener Kosten mittels Preiserhöhungen der Geltentwertung zu begegnen. Die Aktienrenditen enthalten daher keine „Geldentwertungsprämie“, während im Gegensatz dazu die Geldentwertung beim „üblichen Zins“ in allerdings nicht genau bestimmbarer Höhe berücksichtigt ist. Folglich ist der Geldentwertungsabschlag umso höher anzusetzen, je mehr das Unternehmen in der Lage ist, der Geldentwertung zu entgehen.
Bei der Findung der richtigen Inflationsrate ergibt sich zunächst die Problematik, dass diese stets nur aus bestimmten Indizes hergeleitet werden kann, die wiederum auf teils völlig verschiedenen Ansätzen und Kostengruppen basieren. Ungeklärt bzw. nicht höchstrichterlich entschieden ist ferner, welche Zeiträume der anzustellenden Durchschnittsrechnung zugrunde zulegen sind (Großfeld a. O., S. 149, 150). Hier hat der
Vorgutachter einen Abschlag von 2,5 % vorgenommen. Dies liegt sicherlich an der oberen Grenze des vertretbaren (Großfeld a. a. O. m. w. N). Da sich aber keiner der Verfahrensbeteiligten hiergegen ernsthaft oder gar substantiiert wendet und auch der gerichtliche Sachverständige diese Größe nicht als unplausibel moniert hat, mag es dabei verbleiben.
(d)
Ein weiterer Abzug der persönlichen Ertragssteuer von 35 % vom Basiszinssatz hatte im vorliegenden Fall zu unterbleiben. Auch die ermittelten Ertragsüberschüsse der Antragsgegnerin zu 1) waren nicht um Körperschaftssteuer reduziert worden (sog. Homogenitätsprinzip). Anderes ist zwar in dem seit Mitte 2000 geltenden IDW S1 vorgesehen (siehe dort Rdnr. 51). Auch sprechen sich Teile in der Literatur (Großfeld, 4. Aufl., S. 101, 102) inzwischen hierfür aus. Mit der Rechtsprechung des zuständigen Obergerichts (OLG Düsseldorf, DB 2000, S. 81 (83, 84)) geht die erkennende Kammer aber davon aus, dass dies im laufenden Spruchstellenverfahren nicht zu berücksichtigen ist und mittelbare oder unmittelbare steuerliche Gegebenheiten, die bei dem einzelnen Aktionär eintreten, die Höhe des angemessenen Ausgleichs nicht beeinflussen und damit nicht Gegenstand der gerichtlichen Bestimmung des Ausgleichs sind. Diese Vorgehensweise ist auch vom BGH (NZG 2003, S. 1017) für einen „Altfall“ akzeptiert und angewendet worden.
e)
Nach allem errechnet sich ein Kapitalisierungszinssatz für die Phase I von (7 % Basiszinssatz + 1,5 % Risikozuschlag =) 8,5 %. Für die Phase II beträgt der Kapitalisierungszins (7,7 % Basiszins + 1,5 % Risikozuschlag – 2,5 % Inflationsabschlag=) 6,7 %.
Auch unter Berücksichtigung der Auswirkung des Verlustvortrags von 1989 auf 1990 im Finanzergebnis (vgl. Ergänzungsgutachten S. 19 und 21) ergibt sich damit aufgezinst zum Stichtag 30.06.1989 ein Ertragswert der Antragsgegnerin zu 1) in Höhe von ca. 87.500.000,00 DM.
bb) Nicht betriebsnotwendiges Vermögen
Die Kammer folgt nach Beratung dem Vorbringen der Antragsgegnerinnen, wonach das bebaute Grundstück G5 in T – anders als die übrigen Werkswohnungen, für deren Vorhaltung infolge inzwischen geänderter Rahmenbedingungen wie Arbeitsmarktsituation und größerer Mobilität der Arbeitnehmer kein wirkliches Bedürfnis mehr besteht- nicht zum neutralen Betriebsvermögen zählt, weil es als Reservefläche für Betriebserweiterungen zur Verfügung zu halten ist. Ebenfalls nicht zum neutralen Betriebsvermögen zu zählen ist der Wertpapierbestand der Antragsgegnerin zu 1) im Werte von 11.205.000,00 DM am 31.12.1988. Die Kammer schließt sich insoweit der Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen an, wonach diese Finanzreserve für kurzzeitigen Finanzierungsbedarf infolge von Vorleistungspflichten vorzuhalten ist.
Danach verfügt die Antragsgegnerin zu 1) über folgendes nicht betriebsnotwendiges Vermögen:
a) Grundvermögen
Liquidationswert des nicht betriebsnotwendigen Grundvermögens nach Abzug von Vermarktungskosten und Steuern auf den Veräußerungsgewinn, jedoch ohne das Grundstück G5:
ca. 3.500,00 TDM
b) Körperschaftssteuererstattungsanspruch
Nach der sogenannten Vollausschüttungshypothese ist dieser Vermögenswert zu liquidieren und den ausscheidenden Anteilseignern zur Verfügung zu stellen. Dies gilt jedenfalls, soweit und solange dabei nicht gegen zwingende Kapitalerhaltungsvorschriften verstoßen wird. Dass das Vermögen der Antragsgegnerin zu 1) infolge einer solchen Ausschüttung unter den Garantiekapitalwert sinkt, behaupten die Antragsgegnerinnen nicht und ist auf Grund der Unternehmenszahlen der Antragsgegnerin zu 1) auch nicht erkennbar. Für die Ausschüttung stünde z. B. der vorerwähnte Wertpapierbestand als Finanzreserve zur Verfügung.
Der Wert dieses Körperschaftssteuererstattungsanspruchs beträgt abgezinst ca. 4.600,00 TDM
Nach allem errechnet sich der Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens mit ca. 8.100.000,00 DM.
Zu ergänzen bleibt, dass die Forderung gegen die Iranische Republik nur mit dem von der Y Kreditversicherung vorfinanzierten Betrag anzusetzen ohne weiteres realistisch ist, weil neben der Verität dieses Anspruchs auch noch seine Durchsetzbarkeit bzw. Vollstreckbarkeit über den von der Y Kreditversicherung abgedeckten Betrag hinaus in Rede steht. Da dem Gericht nichts über dritte, leicht erreichbare Haftungsmassen mitgeteilt wurde, dürfte hier im Zweifel das noch größere Problem liegen.
cc) Addiert man zum Ertragswert in Höhe von 87.500.000,00 DM den Wert des nichtbetriebsnotwendigen Vermögens in Höhe von 8.100.000,00 DM und den (pauschal angenommenen) Unternehmenswert der maroden dänischen Tochtergesellschaft mit 60.000,00 DM, so ergibt dies 95.660.000,00 DM.
Wie eingangs bereits ausgeführt, handelt es sich bei dieser Zahl nicht um einen mathematisch oder naturwissenschaftlich tatsächlich objektivierbaren Umstand, sondern lediglich um das Ergebnis eines mit einer Vielzahl von Unsicherheiten, Fiktionen und Wertungen versehenen Denkweges zur Findung eines angemessenen Ergebnisses. Nach Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO kommt die Kammer auf dieser Schätzgrundlage zu dem Ergebnis, dass als Ausgangspunkt für eine angemessene Abfindung ausscheidender Aktionäre der Antragsgegnerin zu 1) von einem Unternehmenswert in Höhe von insgesamt 95.500.000,00 DM auszugehen ist.
Auf die Aktien im Nennwert von 50,00 DM entfällt damit ein anteiliger Unternehmenswert von 238,75 DM. Dies entspricht 122,07.
Nach erneuter, rundender Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO, bei der insbesondere Berücksichtigung gefunden hat, dass bei dem stattgefundenen Denk- und Rechenweg einige Determinanten eher zu Gunsten des Aktienwertes angenommen wurden, erkennt die Kammer auf eine angemessene Barabfindung der ausscheidenden Aktionäre der Antragsgegnerin zu 1) für jede Aktie im Nennwert von 50,00 DM in Höhe von 122,00.
b) Ausgleichszahlung
Anders als der gerichtliche Sachverständige und mit der Rechtsprechung des zuständigen Obergerichts (OLG Düsseldorf, DB 2000, S. 81 (83)), geht die erkennende Kammer davon aus, dass bei der Berechnung des Ausgleichsbetrages lediglich die auf den Stichtag prognostizierten Ertragsaussichten zugrundegelegt werden können. Vermögenswerte, die auf den Ertrag keinen Einfluss haben, beeinflussen hingegen die Höhe der Ausgleichszahlung nicht. Folglich hatten der Sondervermögenswert EK 56, der Unternehmenswert der dänischen Tochtergesellschaft und der (fiktive) Liquidationserlös für das nicht betriebsnotwendige Grundvermögen hier außer Betracht zu bleiben. Soweit eine Ausnahme für den Fall anerkannt wird, dass schon zum Stichtag hinreichend sicher davon ausgegangen werden konnte, die im nicht betriebsnotwendigen Vermögen liegenden stillen Reserven der Gesellschaft würden im Verlaufe des Unternehmensvertrages realisiert, bietet der vorliegende Bewertungsanlass hierfür keinerlei greifbaren Anhaltspunkt. Als voraussichtlich ausschüttungsfähiger Betrag war danach für die auf den Stichtag folgenden Jahre ein Betrag von 6.258.000,00 DM anzunehmen. Bezogen auf das in 400.000 Aktien im Nennwert von 50,00 DM aufgespaltene Grundkapital der Antragsgegnerin zu 1) ergibt sich danach eine Ausgleichszahlung in Höhe von 15,65 DM (brutto) pro Aktie, dies sind umgerechnet 8,00 (brutto).
Mit der neueren höchst- und obergerichtlichen Rechtssprechung (BGH NZG 2003, S. 1017; OLG Stuttgart, AG 2004, S. 43 (47)), der die Literatur (Großfeld, NZG 2004, S. 74, 75) beigetreten ist, geht die Kammer davon aus, dass den außenstehenden Aktionären der Ausgleichsbetrag mit dem Bruttobetrag, also vor Abzug der jeweils abzuführenden Körperschaftssteuerbelastung, zuzuerkennen ist. Von diesem Betrag wird deshalb noch die darauf entfallende Körperschaftssteuerbelastung in Höhe des für das jeweilige Geschäftsjahr geltenden gesetzlichen Tarifes abzusetzen sein.
4. Außerhalb dieser rein betriebswirtschaftlich durchgeführten Unternehmensbewertung liegende Gründe, die dazu Veranlassung gäben, von den rechnerisch ermittelten bzw. geschätzten Beträgen bei der Erkennung der „Angemessenheit“ von Abfindung und Ausgleich zu Gunsten oder zu Lasten einzelner Beteiligter abzuweichen, sind hier weder vorgetragen worden, noch der Kammer ersichtlich.
C.
Der Barabfindungsanspruch ist gemäß § 305 Abs. 3 S. 3 AktG nach Ablauf des Tages, an dem der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag wirksam geworden ist, jährlich mit 2 % über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank zu verzinsen. Diese Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsgesetzes vom 28.10.1994 eingeführt und ist mit Wirkung vom 01.01.1995 in Kraft getreten. Für die Zeit nach dem 31.12.1994 ist damit gesetzlich klargestellt, dass ab Wirksamwerden des Beherrschungs-/Gewinnabführungsvertrages die Barabfindung entsprechend zu verzinsen ist. Es entspricht ständiger Rechtssprechung des erkennenden Gerichts (20 AktE 3/94: „Firma Hoffmann’s Stärkefabriken AG“), bestätigt durch das OLG Düsseldorf, NZG 2000, S. 693, dass die Neuregelung auch rückwirkende Kraft hat. Denn auch die bisherige Regelung sah eine angemessene Abfindung vor. Angemessen ist eine Abfindung jedoch nur dann, wenn sie nicht infolge des langen gerichtlichen Verfahrens durch zwischenzeitlichen Zins- und Wertverlust zu einer Entwertung der Nachzahlung führt. Infolge dessen war verschiedentlich in analoger Anwendung von § 320 Abs. 5 S. 6 AktG ein Zinssatz von 5 % angenommen worden (OLG Celle, AG 1979, S. 230 (233)). Die Kammer geht davon aus, dass § 305 Abs. 3 S. 3 AktG n. F. nunmehr den Beginn der dort festgeschriebenen Verzinsung auf den Tag des Wirksamwerdens des Unternehmensvertrages festschreibt. Da auch bislang stets von einer Verzinsungspflicht ausgegangen wurde, stellt dies keine unzulässige Rückwirkung, sondern nur eine Konkretisierung dar.
Der Diskontsatz der Deutschen Bundesbank ist mit Wirkung vom 01.01.1999 durch den Basiszinssatz ersetzt worden. § 305 Abs. 3 S. 3 AktG selbst ist mit Artikel 5 der Verordnung über die Ersetzung von Zinssätzen vom 05.04.2002 (BGBL I S. 1250) geändert worden. Danach ist vom 12.04.2002 an der Basiszinssatz gemäß § 247 BGB die Bezugsgröße. Die Zinspflicht beginnt mit dem 20.09.1989. Erster Zinstag ist der Tag nach der Eintragung des Unternehmensvertrages (Hüffer, AktG, 5. Aufl., § 305 Rdnr. 26 a).
Eine höhere Verzinsung und die Verzinsung des angemessenen Ausgleichs sieht das Gesetz nicht vor; insoweit waren die Anträge deshalb zurückzuweisen.
D.
Die Kosten des Verfahrens tragen gemäß § 306 Abs. 7 S. 8 AktG a. F. die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2). Es besteht gesamtschuldnerische Haftung. Billigkeitsgründe, die es rechtfertigen, die Kosten einem anderen Beteiligten aufzuerlegen, liegen nicht vor. Der Billigkeit entspricht es hingegen, dass die Antragsgegnerin zu 1) die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller trägt (§§ 306 Abs. 2, 99 Abs. 1 AktG a. F., 13 a FGG). Die gemeinsamen Vertreter der außenstehenden Aktionäre können gemäß § 306 Abs. 4 S. 6 AktG a. F. von der Antragsgegnerin zu 1) den Ersatz angemessener barer Auslagen sowie eine Vergütung für ihre Tätigkeit verlangen.