Az.: 403 HKO 42/14
ISIN: DE0007658007 / WKN: 765800
Hauptversammlung: 14.02.2014
Antragsgegnerin: OTTO AG für Beteiligungen
Tenor
1. Die Anträge auf Festsetzung einer höheren Barabfindung als € 123,94 je Stückaktie werden zurückgewiesen.
2. Die Gerichtskosten sowie die Vergütung und die Auslagen des gemeinsamen Vertreters hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
3. Der Geschäftswert für die Gerichtskosten und der Gegenstandswert für die Vergütung des gemeinsamen Vertreters werden auf EUR 200.000,00 festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind ausgeschlossene Minderheitsaktionäre der C.J. V.AG aus H. (im Folgenden: C.J. V.. AG), deren Aktien nach § 327a AktG auf die Antragsgegnerin übertragen wurden. Die Antragsteller begehren mit ihren Anträgen die Festsetzung einer höheren als der von der Antragsgegnerin gewährten Barabfindung von € 123,94 je Aktie.
Die C.J. V.. AG ist eine Beteiligungsgesellschaft. Ihr Unternehmensgegenstand sind Erwerb, Veräußerung von Beteiligungen an Gesellschaften und Unternehmen jeder Art sowie von sonstigem Kapitalvermögen. Das Geschäftsjahr beginnt am 1. März eines Jahres und endet am letzten Februar des Folgejahres.
Die Tätigkeit der C.J. V.. AG beschränkt sich auf die Verwaltung der Kommanditbeteiligung an der Kommanditgesellschaft A..B.- und V.-G.m.b.H. & Co. aus H. (im Folgenden: KG A..). Die C.J. V.. AG ist zu 26,375% am Kommanditkapital der KG A.. beteiligt.
Die KG A.. ist ebenfalls ausschließlich als Holdinggesellschaft tätig. Sie ist mit 10 % am Kommanditkapital der O.. (GmbH & Co KG), H. beteiligt. Außerdem hält sie 10 % des Stammkapitals der Komplementärin, der Verwaltungsgesellschaft O.. mbH.
Die O.. (GmbH & Co KG) hat ihren Sitz in H.. Sie ist aus der 1949 gegründeten Einzelfirma „W..O..“ hervorgegangen und befasst sich unter anderem mit dem Versandhandel in Deutschland. Die O.. (GmbH & Co KG) ist an zahlreichen aus- und inländischen Gesellschaften beteiligt. Dazu zählen Versandhandelsunternehmen und Handelsunternehmen im stationären Geschäft sowie Unternehmen aus dem Dienstleistungsbereich. Zusammen bilden sie den Konzern der O.. Group, der in mehr als 20 Ländern Europas, Nord- und Südamerikas und Asiens tätig ist.
Das Geschäft der O.. Group gliedert sich in die drei Geschäftsbereiche Multichannel-Einzelhandel, Finanzdienstleistungen und Service. Das Segment Multichannel-Einzelhandel betrifft den Vertrieb von Waren der in- und ausländischen Gesellschaften der O.. Group über die Vertriebswege E-Commerce, Katalog und stationärer Handel. Das Segment Finanzdienstleistungen umfasst insbesondere Inkassodienstleistungen. Zum Segment Service zählen Logistikdienstleistungen und sonstige Dienstleistungen, die insbesondere von internationalen Einkaufsgesellschaften für andere Unternehmen der O.. Group und ausstehende Kunden erbracht werden.
Das Grundkapital der C.J. V.. AG beträgt € 6.930.000,00. Es ist aufgeteilt in 693.000 nennwertlose, auf den Namen lautende Stückaktien mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital von € 10,00. Die Aktien waren zuletzt zum Börsenhandel an den Wertpapierbörsen Berlin und Hannover zugelassen. Im Zeitraum 02.01.2012 bis 27.05.2013 wurden dort an 16 Tagen Aktien der C.J. V.. AG gehandelt. Der Börsenkurs lag an den letzten beiden Tagen, in denen in dieser Zeit ein Handel stattfand, bei € 200,00 (22.01.2013) und € 260,00 (27.05.2013). In der anschließenden Zeit bis zum 16.10.2013 wurden keine C.J. V..-Aktien mehr an der Börse gehandelt.
Im Oktober 2013 befanden sich 98,5 % der Aktien der C.J. V.. AG in der Hand der Antragsgegnerin als Hauptaktionärin. 10.430 Aktien, die einem Anteil von 1,5 % des Grundkapitals entsprechen, befanden sich im Streubesitz.
Die Antragsgegnerin richtete mit Schreiben vom 16.10.2013 an den Vorstand der C.J. V.. AG das Verlangen, das Verfahren nach § 327a ff. AktG zur Übertragung der Aktien der Minderheitsaktien einzuleiten und hierzu eine Hauptversammlung einzuberufen. Dies wurde von der Gesellschaft mit ad hoc-Mitteilung vom gleichen Tage bekannt gemacht.
Mit der Ermittlung der angemessenen Barabfindung für die Minderheitsaktionäre beauftragte die Antragsgegnerin die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (nachfolgend: Bewertungsgutachter). Diese erstattete unter dem 13.12.2013 ihr Bewertungsgutachten, in welchem sie die angemessene Barabfindung im Rahmen des geplanten Squeeze-out nach dem Ertragswertverfahren ermittelte und mit € 123,94 bezifferte.
Als sachverständige Prüfer zur Überprüfung der Angemessenheit der festgesetzten Barabfindung nach § 327c Abs. 2 wurde auf den Antrag der Antragsgegnerin mit Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 24.10.2013 die E. S. GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft bestellt (im Folgenden: Abfindungsprüfer). Der Prüfungsbericht vom 20.12.2013 gelangte zum Ergebnis, dass die mit € 123,94 festgelegte Barabfindung angemessen sei.
Die Antragsgegnerin legte zur Vorbereitung der Hauptversammlungen den Übertragungsbericht vom 20.12.2013 vor. Auf der anschließenden Hauptversammlung vom 14.02.2014 wurde die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Antragsgegnerin als Hauptaktionärin gegen Gewährung einer Barabfindung von € 123,94 beschlossen.
Die 66 Antragsteller dieses Verfahrens halten die Höhe der festgesetzten Barabfindung für zu niedrig und begehren die Festsetzung einer höheren Abfindung.
Die Mehrzahl der Antragsteller und der gemeinsame Vertreter beanstanden vor allem, dass nicht der Börsenkurs der Aktien der C.J. V.. AG für die Bemessung der Abfindung zugrunde gelegt wurde. Sie verweisen vielfach darauf, dass nach den Feststellungen im Prüfungsbericht im Dreimonatszeitraum vor Bekanntgabe der Strukturmaßnahme (16.07.2013 bis 15.10.2013) an 27 von 66 möglichen Handelstagen ein Geldkurs von durchschnittlich € 283,13 bestanden habe. Aufgrund des ausgewiesenen Geldkurses sei eine ausreichende Nachfrage nach Aktien der C.J. V.. AG belegt, was zugleich der Annahme einer Marktenge entgegenstehe. Es stehe fest, dass die Aktionäre innerhalb dieses Zeitraums eine Deinvestitionsmöglichkeit zu einem durchschnittlichen Kurs von € 283,13 gehabt hätten.
Darüber hinaus kritisieren die meisten Antragsteller die Annahmen, die bei der Ermittlung des Unternehmenswerts im Bewertungsgutachten und im Prüfungsbericht zugrunde gelegt wurden. Das betrifft zum einen die im Rahmen des Ertragswertverfahrens für den Detailplanungszeitraum herangezogene Ertragsplanung der O.. Group. Diese sei zu pessimistisch. In diesem Zusammenhang wird auch vielfach beanstandet, dass die Bewertungsgutachter im Anschluss an die Detailplanung ein Übergangsjahr 2016/2017 gebildet haben. Zum anderen richtet sich die Kritik der Antragsteller vorwiegend gegen die beim Ertragswertverfahren eingesetzten Bewertungsparameter. Neben einem Basiszinssatz von 2,75 % vor Steuern sei die im Bewertungsgutachten getroffene Annahme einer Marktrisikoprämie von 5,0 % nach persönlichen Steuern überzogen. Der bei der Berechnung des Ertragswerts im Bewertungsgutachten mit 0,85 eingestellte Betafaktor (unverschuldet) sei ebenfalls zu hoch angesetzt worden. Umgekehrt sei der Wachstumsabschlag mit 1,1% zum Nachteil der Minderheitsaktionäre zu gering bemessen worden.
Die Antragsgegnerin verteidigt die Feststellungen im Bewertungsgutachten und im Prüfungsbericht. Sie ist der Auffassung, dass der Börsenkurs im vorliegenden Fall nicht den Mindestbetrag einer angemessenen Barabfindung vorgebe. Da in dem nach der Rechtsprechung maßgeblichen Referenzzeitraum von drei Monaten vor der Bekanntgabe der Strukturmaßnahme keinerlei Aktien der C.J. V.. gehandelt worden seien, habe es keinen Börsenhandel mit Aktien gegeben, der zu einem Börsenkurs führe, welcher den Verkehrswert der Aktie und damit den Wert des Unternehmens zutreffend widerspiegele. Vielmehr habe ein Fall eindeutiger Marktenge vorgelegen, bei dem die Börsenkurse nicht aussagekräftig seien. Das Vorhandensein von Geldkursen sei irrelevant, wenn diese – wie hier im Referenzzeitraum – nicht auf einem Umsatz von Aktien und einem tatsächlichen Handel beruhten.
Ferner hält die Antragsgegnerin die im Bewertungsgutachten und im Prüfungsbericht vorgenommene Ermittlung des Unternehmenswerts der C.J. V.. AG für zutreffend, die wiederum auf der nach dem Ertragswertverfahren vorgenommenen Bewertung der O.. Group beruht. Soweit von den Antragstellern die dabei zugrunde gelegte Ertragsplanung der O.. Group beanstandet werde, werde dabei verkannt, dass es sich um eine unternehmerische Entscheidung handele, die nicht durch andere – ebenfalls nur vertretbare – Annahmen des Gerichts ersetzt werden dürfe. Auch seien die innerhalb des Ertragswertverfahrens angesetzten Werte für den Kapitalisierungszinssatz, den Betafaktor und den Wachstumsabschlag korrekt bestimmt worden. Eine höhere als die festgesetzte Barabfindung stehe den Minderheitsaktionären der C.J. V.. AG nicht zu.
Für die weiteren Einzelheiten des hier nur im Wesentlichen wiedergegebenen Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen. Die Kammer hat die sachverständigen Prüfer Dr. P. und S. in mündlicher Verhandlung angehört. Für das Ergebnis wird auf das Protokoll zur Sitzung vom 21.05.2015 Bezug genommen.
II.
Die auf eine Erhöhung der Barabfindung gerichteten Anträge haben keinen Erfolg. Für die Anträge der Antragsteller zu 49) und 50) gilt dies schon deshalb, weil diese Anträge unzulässig sind. Die übrigen Anträge sind zwar zulässig, aber unbegründet. Die von der Antragsgegnerin mit € 123,94 bestimmte Barabfindung je Stückaktie der C.J. V.. AG ist nicht zu erhöhen, weil sie angemessen im Sinne von § 327f Abs. 1 AktG ist.
1. Zulässigkeit der Anträge
a) Die Anträge der Antragsteller zu 49) und 50) sind zurückzuweisen, weil sie ihre Antragsberechtigung nicht nachgewiesen haben. Gemäß § 3 Satz 3 SpruchG hat der Antragsteller seine Aktionärsstellung durch die Einreichung entsprechender Urkunden nachzuweisen. Dies haben die Antragsteller zu 49) und 50) nicht getan, obwohl sie vom Gericht mit der Ladungsverfügung und nochmals durch Hinweis in der mündlichen Verhandlung auf das Fehlen dieser Unterlagen hingewiesen worden sind.
b) Die Anträge aller anderen Antragsteller unterliegen keinen Zulässigkeitsbedenken. Insbesondere wurden die Antragsfrist (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 SpruchG) und das Begründungserfordernis (§ 4 Abs. 2 SpruchG) jeweils beachtet sowie die Aktionärsstellung durch die Vorlage entsprechender Bankbescheinigungen nachgewiesen.
2. Begründetheit der Anträge
Die zulässigen Anträge sind zurückzuweisen, weil sie unbegründet sind. Die Antragsteller können keine höhere Barabfindung als € 123,94 für jede Aktie beanspruchen, die im Zuge des Squeeze-out auf die Antragsgegnerin übertragen wurde.
25§ 327a AktG erlaubt es dem Hauptaktionär, unter den dort geregelten Voraussetzungen die Minderheitsaktionäre auszuschließen und ihre Aktien zu übernehmen. Hierfür ist den Minderheitsaktionären eine Barabfindung zu gewähren, die angemessen sein muss und deren Höhe auf Antrag gerichtlich überprüfbar ist (§§ 327b, 327f AktG). Diese Regelungen, die einen angemessenen Ausgleich sicherstellen sollen, sind vor dem Hintergrund der Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG zu verstehen und zu interpretieren.
26Zu dem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentum gehört das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum, welches dem Aktionär eine mitgliedschaftliche Stellung vermittelt und ihm nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften und der Gesellschaftssatzung sowohl Leitungsbefugnisse als auch vermögensrechtliche Ansprüche verleiht. Ein Aktionär, der seine dergestalt verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition im Zuge einer aktienrechtlichen Strukturmaßnahme verliert, muss für den Verlust seiner Rechtsposition und die Beeinträchtigung seiner vermögensrechtlichen Stellung wirtschaftlich voll entschädigt werden. Die Entschädigung muss den „wirklichen“ oder „wahren“ Wert des Anteilseigentums widerspiegeln (BVerfG, ZIP 2013, 260, Rn. 8 m.w.N., BVerfGE 100, 289, Rn. 50 und 56 – hier und im Folgenden zitiert nach juris).
27Bei der danach vorzunehmenden Bewertung bildet der Börsenkurs regelmäßig die Untergrenze der Barabfindung. Dies beruht auf der Überlegung, dass der durch Angebot und Nachfrage gebildete Börsenkurs zumeist den Verkehrswert der Aktie widerspiegeln wird, der wiederum die Untergrenze der wirtschaftlichen „vollen“ Entschädigung bildet (BVerfGE 100, 289 Rn. 62; BGHZ 147, 108 Rn. 19). Wenn allerdings der Börsenwert ausnahmsweise nicht dem Verkehrswert entspricht, muss der Verkehrswert des Unternehmens im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO nach einer anerkannten betriebswirtschaftlichen Methode ermittelt werden (BGH, a.a.O., Rn. 20). Das ist hier geschehen. Unter Anwendung des Ertragswertverfahrens hat sich für die C.J. V.. AG zum Bewertungsstichtag ein Unternehmenswert ergeben, der umgerechnet auf die einzelne Stückaktie € 123,94 entspricht. Diese Bewertung ist zutreffend vorgenommen worden (vgl. dazu nachfolgend b)). Sie ist letztlich allein ausschlaggebend, weil der (höhere) Börsenkurs hier nicht aussagekräftig ist und nicht herangezogen werden kann. Der Börsenkurs ist im gegebenen Fall kein geeigneter Indikator für den Verkehrswert der Aktie, weil kein ausreichender Handel mit Aktien stattgefunden hat.
a) Keine Maßgeblichkeit des Börsenkurses
29Die von Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof befürwortete Berücksichtigung des Börsenkurses als Untergrenze einer angemessenen Entschädigung gilt ausdrücklich nur dann, wenn der Börsenkurs auch den Verkehrswert widerspiegelt. Das wird meistens der Fall sein, weil angenommen werden kann, dass die Börse auf der Grundlage der ihr zur Verfügung gestellten Informationen und Informationsmöglichkeiten die Ertragskraft des Unternehmens, um dessen Aktien es geht, zutreffend bewertet, der Erwerber von Aktien sich an dieser Einschätzung durch den Markt orientiert und sich danach Angebot und Nachfrage so regulieren, dass sich die Marktbewertung in dem Börsenkurs der Aktien niederschlägt (BGH, a.a.O., Rn. 19). Hieran kann es aber beispielsweise bei einer Marktenge fehlen. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu ausgeführt (BVerfGE 100, 289 Rn. 67):
30„So kann etwa im Fall der Eingliederung durch Mehrheitsbeschluss (§ 320 AktG) eine Marktenge entstehen, weil mindestens 95 % der Aktien unverkäuflich sind. Es ist dann ungewiss, ob der Minderheitsaktionär seine Aktien tatsächlich zum Börsenkurs hätte verkaufen können. Auch in diesem Fall fehlt dem Börsenkurs aber nicht jede Eignung zur Feststellung des Werts der Unternehmensbeteiligung, solange die Aktien an der Börse gehandelt werden. Der abfindungsverpflichteten Hauptgesellschaft im Fall der Eingliederung oder dem herrschenden Unternehmen im Fall des Unternehmensvertrags muss jedoch die Möglichkeit eingeräumt werden, im Spruchstellenverfahren darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass der Börsenkurs nicht dem Verkehrswert entspricht, etwa weil längere Zeit praktisch überhaupt kein Handel mit den Aktien der Gesellschaft stattgefunden hat.“
Bei Anwendung dieser Maßstäbe kann der Börsenkurs im vorliegenden Fall nicht mit dem Verkehrswert gleichgesetzt werden.
Wenn es auf den Börsenwert ankommt, ist nach der Stollwerck-Entscheidung des BGH (NJW 2010, 2657 Rn. 12), auf den nach Umsatz gewichteten Durchschnittskurs in einem dreimonatigen Zeitraum vor Bekanntmachung der Strukturmaßnahme abzustellen. Danach wäre im vorliegenden Fall ein Referenzzeitraum vom 15.07.2013 bis 15.10.2013 maßgeblich. In diesem Zeitraum ist nicht eine Aktie der C.J. V.. AG an der Börse gehandelt worden. Der letzte Handel vor der am 16.10.2013 erfolgten Bekanntgabe des Squeeze-out fand am 27.05.2013 – und damit rund 4 ½ Monate zuvor – statt. Nach Auffassung der Kammer liegt auf der Hand, dass unter diesen Umständen nicht angenommen werden kann, dass sich der Börsenkurs aufgrund eines freien Spiels von Angebot und Nachfrage und der Werteinschätzung des Marktes gebildet hat. Es liegt eindeutig ein Fall der Marktenge vor, der dazu geführt hat, dass an der Börse über mehrere Monate überhaupt kein Handel mehr stattfand.
Kein wesentlich anderes Bild ergibt sich, wenn der Betrachtungszeitraum über den nach der Rechtsprechung maßgeblichen Referenzzeitraum erweitert und der Zeitraum 02.01.2012 bis 15.10.2013 in den Blick genommen wird. Nach den Feststellungen des Bewertungsgutachtens (S. 35) wurden in dieser Zeit lediglich an 16 von insgesamt 452 Börsentagen Aktien der C.J. V.. AG gehandelt. Wie das dortige Schaubild und das Schaubild auf S. 65 des Prüfungsberichts verdeutlichen, wurden an diesen Tagen geringe Volumina gehandelt. Das Volumen lag nur an einem Tag bei ca. 80 Stück; an den übrigen Tagen wurden deutlich weniger Aktien gehandelt. Auch hier zeigt sich, dass jedenfalls seit 2012 eine Marktenge vorherrschte. Angesichts des Umstands, dass die Antragsgegnerin in den Jahren 2012 und 2013 keine weiteren Aktien erwarb und damit schon ab Ende 2011 über rund 98,5 % der Aktien verfügte, so dass sich nur noch ein Bestand von 10.430 Aktien in Streubesitz befand, ist dieses Ergebnis auch nicht weiter überraschend.
Dagegen erscheint es nicht angebracht, die Betrachtungszeiträume auch noch auf den Börsenhandel mit C.J. V..-Aktien im Jahr 2011 auszudehnen. Dieser Zeitraum liegt zu weit vor dem Bewertungsstichtag, als dass hieraus noch tragfähige Schlussfolgerungen auf den Verkehrswert zum Bewertungsstichtag 14.02.2014 gezogen werden könnten. Gleiches gilt für außerbörsliche Erwerbe, die die Antragsgegnerin bis Ende 2011 vorgenommen hat. Außerdem haben außerbörslich gezahlte Preise regelmäßig keine Beziehung zum Verkehrswert der Aktie (BVerfGE 100, 289 Rn. 59) und sind deshalb unerheblich.
Schließlich bildet der für die Aktien der C.J. V.. AG in dem dreimonatigen Referenzzeitraum festgestellte Geldkurs auch nicht deshalb die Untergrenze einer angemessenen Abfindung, weil die Minderheitsaktionäre ihre Aktien für diesen Preis hätten veräußern können. Zwar betont das BVerfG, dass ein „existierender“ Börsenkurs nicht außer Betracht gelassen werden dürfe, weil es der Schutz der Minderheitsaktionäre gebiete, dass diese nicht weniger erhalten, als sie bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt der unternehmensrechtlichen Maßnahme erhalten hätten (BVerfG NJW 2007, 3266 Rn. 16). Allein die Existenz eines Geldkurses an 27 von 66 Börsentagen im Referenzzeitraum lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass die Minderheitsaktionäre in einem nennenswerten Umfang zu diesem Preis hätten deinvestieren können. Der Geldkurs bestimmt sich nach dem Preis, zu dem ein Marktteilnehmer bereit ist, das Wertpapier zu kaufen. Die Aussagefähigkeit eines solchen Geldkurses ist begrenzt; er lässt insbesondere nicht erkennen, in welchem Umfang Interessenten bereit sind, Aktien zu dem angebotenen Preis zu erwerben. Beim Geldkurs handelt es sich nicht um einen durch Angebot und Nachfrage bestimmten Preis. Die Antragsgegnerin weist zu Recht darauf hin, dass Geldkurse keine Börsenpreise sind, denn ein Börsenpreis setzt nach § 24 Abs. 3 BörsG voraus, dass tatsächliche Umsätze zugrunde liegen.
Dass im Referenzzeitraum keinerlei Handel stattgefunden hat und auch im letzten Jahr davor in einem nur sehr geringen Umfang C.J. V..-Aktien an der Börse gehandelt wurden, schließt es nach Auffassung der Kammer aus, den im Referenzzeitraum ausgewiesenen Geldkurs als Maßstab für den Verkehrswert der Aktie anzusehen (vgl. zu einem Fall besonderer Marktenge auch HansOLG Hamburg, Beschluss vom 07.01.2013 – 13 W 2/12 sowie OLG München ZIP 2014, 1589). Bei einer derartigen Marktenge, die dadurch gekennzeichnet ist, dass nur wenige Aktien in den Verkauf gelangt sind, genügt schon eine Nachfrage nach wenigen Aktien, um einen Geldkurs zu generieren, der aber nichts darüber aussagt, wie sich der Kurs bei einer nennenswerten Anzahl im Handel verfügbarer Aktien entwickeln würde. Schon das Angebot von 1.000 Aktien an der Börse hätte womöglich den Kurs einbrechen lassen. Es liegt der exemplarische Fall einer Marktenge vor, bei dem sich eben nicht abschätzen lässt, ob der Börsenkurs in einer realistischen Beziehung zum Verkehrswert steht und ob er den Minderheitsaktionären tatsächlich eine Deinvestition zu diesem Preis ermöglicht hätte, wenn sie mehr als nur eine unbedeutende Anzahl ihrer Papiere zum Verkauf gegeben hätten (vgl. OLG München, a.a.O., Rn. 17). Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Maßgeblichkeit des Börsenkurses als Untergrenze der Entschädigung nicht davon abhängen kann, ob die Gesamtheit der Aktionäre ihre Aktien zum Börsenpreis hätte verkaufen können. Erforderlich ist aber, dass es sich um einen realen Marktpreis handelt, der überhaupt Rückschlüsse auf den Verkehrswert ermöglicht und nicht um einen fiktiven Wert, der womöglich allein darauf beruht, dass keine oder – wenn man den Betrachtungszeitraum um einige Monate erweitert – nur sehr wenige Aktien in den Handel gelangt sind. Dem steht auch das vom gemeinsamen Vertreter angeführte Argument entgegen, dass der nach der Rechtsprechung für die Untergrenze der Barabfindung maßgebliche Börsenwert des Anteils auf einer Ermittlung eines durchschnittlichen Kurses im Referenzzeitraum beruht und damit eine typisierende und fiktive Betrachtung darstellt. Die darin liegende Bildung von durchschnittlichen Werten verfolgt den Zweck, kurzfristige Kursschwankungen auszugleichen, die nur vorübergehender Natur sind und deshalb zu zufälligen Verkehrswerten führen würden. Die Durchschnittsbildung hinsichtlich des Börsenkurses im Referenzzeitraum zur Schätzung eines fundierten Verkehrswerts hat jedoch nichts mit der hier entscheidenden Frage zu tun, ob der Börsenkurs überhaupt als Basis für eine Schätzung taugt. Das ist wegen der hier vorliegenden besonderen Marktenge und dem Umstand, dass im letzten Jahr vor der Strukturmaßnahme kein nennenswerter Handel an der Börse stattgefunden hat, nicht der Fall.
b) Unternehmenswert nach dem Ertragswertverfahren
Den auf die einzelne Stückaktie umgerechneten Unternehmenswert der C.J. V.. AG haben die Bewertungsgutachter nach dem Ertragswertverfahren mit € 123,94 ermittelt; die Abfindungsprüfer haben diese Berechnung nachvollzogen und sind ihr gefolgt. Der festgestellte Betrag wurde dementsprechend von der Antragsgegnerin als Barabfindung festgesetzt. Er stellt eine angemessene Entschädigung für den Aktienverlust der Minderheitsaktionäre dar.
39Das Ertragswertverfahren stellt die in der Praxis vorherrschende Methode zur Unternehmensbewertung dar. Es handelt sich anerkanntermaßen um eine geeignete betriebswirtschaftliche Methode zur Schätzung des Unternehmenswerts nach § 287 Abs. 2 ZPO (BGHZ 147, 108 Rn. 20 f.).
40aa) Das Ertragswertverfahren geht davon aus, dass sich der Wert eines Unternehmens durch den Barwert der mit dem Eigentum an dem Unternehmen verbundenen Nettozuflüsse an die Unternehmenseigner bestimmt. Dafür ist eine Prognose erforderlich, welche Überschüsse künftig erzielt werden und für Thesaurierung und Ausschüttung zur Verfügung stehen. Üblicherweise wird hierbei die Phasenmethode angewandt, bei der für die nächsten Jahren eine erste Phase (Detailplanungsphase) betrachtet wird und für die weitere Zukunft hierauf aufbauend die Entwicklung fortgeschrieben wird (vgl. IDW S 1 [2008] Abschn. 5.3). So sind Bewertungsgutachter und Abfindungsprüfer auch im vorliegenden Fall vorgegangen. Die Kammer folgt den dabei zugrunde gelegten Planungsannahmen, weil sie diese als eine brauchbare Ausgangsbasis für die vorzunehmende Schätzung erachtet.
Von den Bewertungsgutachtern und den Abfindungsprüfern wurde die Ertragswertermittlung zunächst auf der Ebene der O.. (GmbH & Co KG) durchgeführt, weil sich der Wert der C.J. V.. AG als reiner Holdinggesellschaft aus dem Wert ihrer Kommanditbeteiligung an der KG A.. ergibt, der wiederum fast ausschließlich durch deren Kommanditbeteiligung an der O.. (GmbH & Co KG) bestimmt wird. Dieses Vorgehen ist sachgerecht. Vor diesem Hintergrund kommt es für die hier vorzunehmende Bewertung zunächst auf die künftige Ertragskraft der O.. Group an.
Die Bewertungsgutachter haben sich für die Detailplanungsphase auf die Planungsrechnung der O.. Group gestützt. Verschiedene Antragsteller halten die hierzu vorliegenden Informationen für unzureichend und verlangen, dass die Kammer der Gesellschaft aufgeben möge, weitere Unterlagen vorzulegen (so etwa die Antragsteller zu 39) bis 43)). Die Kammer sieht hierzu keine Veranlassung, weil sie die vom Unternehmen vorgenommene Planung aus den nachfolgend noch zu erläuternden Gründen für plausibel hält. Sie verspricht sich von weiteren Unterlagen keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn, zumal die Planung selbst in die Entscheidungszuständigkeit der Gesellschaft fällt. Es ist nicht die Aufgabe der mit Spruchverfahren befassten Gerichte der Frage nachzugehen, ob auch andere Planungsannahmen vertretbar wären. Vielmehr ist für die Unternehmensbewertung von der Planung der Gesellschaft auszugehen, wenn sie auf plausiblen Annahmen beruht (vgl. OLG München, Beschluss vom 14.07.2009 – 31 Wx 121/06 -, BeckRS 2009, 21658 OLG Frankfurt AG 2015, 241 Rn. 55).
So verhält es sich hier. Es ist nach Auffassung der Kammer auszuschließen, dass zu Lasten der Antragsteller zu pessimistische Planungsannahmen angestellt wurden. Im Gegenteil stellt sich die Planung der O.. Group für die drei Geschäftsjahre 2013/2014 bis 2015/2016 der Detailplanungsphase als optimistisch dar. Diese Planung haben die Bewertungsgutachter (S. 66 des Gutachtens) mit Recht als „ambitioniert“ eingestuft, was nicht zuletzt auch dadurch bestätigt wird, dass die tatsächlich erzielten Ergebnisse im Geschäftsjahr 2013/2014 deutlich schlechter waren und nach heutigem Kenntnisstand für 2014/2015 nochmals schlechtere Ergebnisse zu erwarten sind. Dabei ist der Kammer klar, dass nach dem Stichtagsprinzip die tatsächlich eingetretene Entwicklung nur dann eine Rolle für die Bewertung spielen kann, wenn sie im Kern auch schon am Stichtag angelegt war. Das schließt es aber nicht aus, die tatsächliche Entwicklung als einen gewissen Indikator im Rahmen von Plausibilitäts-Betrachtungen anzusehen, wenn es um die Einschätzung geht, ob die damalige Prognose eher ambitioniert war oder womöglich im Hinblick auf den Bewertungsanlass zu Lasten der Minderheitsaktionäre bewusst pessimistisch gewählt wurde. Letzteres war hier mit Sicherheit nicht der Fall.
Dies verdeutlicht beispielsweise die Plan-Gewinn- und Verlustrechnung für die Detailplanungsphase und die Einbeziehung der vorhergehenden zwei Vergangenheitsjahre wie sie auf S. 48 des Bewertungsgutachtens und S. 24 des Prüfungsberichts festgehalten ist. Danach plant die O.. Group mit Umsatzerlösen, die ausgehend von T€ 11.596.565 und T€ 11.784.243 in den Ist-Jahren 2011/2012 und 2012/2013 stetig bis auf T€ 13.253.420 in 2015/2016 anwachsen sollen. Dies entspricht einer Steigerung des Umsatzwachstums von 1,7 % bzw. 1,6 % in den Ist-Jahren auf Werte von 4,3 %, 3,5 % und 6,3 % in den Jahren der Detailplanungsphase. Auch beim operativen Ergebnis (EBIT) ist danach eine deutliche und kontinuierliche Steigerung von T€ 259.035 und T€ 388.469 auf T€ 490.614 in 2015/2016 geplant. Kein wesentlich anderes Bild ergibt sich bei der zur Plausibilisierung der Planungsrechnung vorzunehmenden Bereinigung der Vergangenheitsjahre um einmalige und periodenfremde Effekte. Das EBIT liegt nach Bereinigung in den Ist-Jahren 2011/2012 und 2012/2013 bei T€ 213.665 und T€ 472.537 (Prüfungsbericht S. 24). Der letztgenannte Betrag wird zwar nach der Planung in 2013/2014 und 2014/2015 unterschritten (T€ 434.613 bzw. T€ 463.488). Danach erfolgt aber eine Steigerung auf T€ 490.164 in 2015/2016 und auf T€ 632.015 in dem von den Bewertungsgutachtern gebildeten Übergangsjahr 2016/2017, welches wiederum die Basis für die Fortschreibung in die Phase der Ewigen Rente bildet. Ähnliches gilt für die bereinigte EBIT-Marge, die sich von 1,8 % bzw. 4,0 % in den Ist-Jahren 201/2012 und 2012/2013 über Werte von 3,5 % und 3,6 % zu einer Marge von 4,5 % im Übergangsjahr 2016/2017 entwickeln soll.
Diese Planung erscheint auch plausibel, wenn die geplante Entwicklung für die einzelnen Geschäftssegmente Multichannel-Einzelhandel, Finanzdienstleistungen und Service betrachtet wird. Bewertungsgutachter und Abfindungsprüfer haben diese Segmente eingehend analysiert und das Markt- und Wettbewerbsumfeld untersucht. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse stehen in Einklang mit der Planungsrechnung. Das gilt insbesondere auch für die geplanten Wachstumsraten, die vom Abfindungsprüfer mit den Wachstumsraten von Unternehmen aus gleichen Geschäftsfeldern abgeglichen wurden. Letztere liegen zwar bei einigen Unternehmen der P. Group deutlich höher. Die Wachstumsraten der O.. Group von 1,7 % und 1,6 % in den Ist-Jahren 2011/2012 und 2012/2013 zeigen aber an, dass die Wachstumsraten einzelner Vergleichsunternehmen wie z.B. A. nicht erzielt werden können. Das liegt in Strukturunterschieden begründet, auf die die Abfindungsprüfer im Prüfungsbericht und auch noch einmal in ihrer Anhörung zu Recht hingewiesen haben (vgl. Protokoll zur Sitzung vom 21.05.2015, S. 13). Es bestehen vor diesem Hintergrund keine Bedenken dahin, dass die von der O.. Group für den Detailplanungszeitraum geplante Steigerung der Wachstumsraten auf 3,5 % bis 6,3 % in Anbetracht ihres spezifischen Geschäftsmodells und der Marktgegebenheiten unrealistisch niedrig sein könnte.
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist es, dass die Bewertungsgutachter zur Fortschreibung der Detailplanungsphase in die Phase der ewigen Rente ein Übergangsjahr 2016/2017 gebildet haben. Wie die Abfindungsprüfer in der mündlichen Verhandlung nochmals erläutert haben, war dieses Vorgehen angebracht, weil am Ende der Detailplanungsphase noch kein eingeschwungener Zustand vorliegt. Dies beruht unter anderem darauf, dass bestimmte Restrukturierungsmaßnahmen erst am Ende des Detailplanungszeitraums abgeschlossen sein werden und im Übergangsjahr die Veräußerung einer nicht unbedeutenden Beteiligung stattfinden soll. Außerdem diente die Bildung eines Übergangsjahrs dazu, die langfristig geplante Umsatzsteigerung im Segment der Finanzdienstleistungen durch die F.-Gruppe und deren Tochtergesellschaft Y. F. AG zu berücksichtigen.
Die Ergebnisse des Übergangsjahrs wurden sodann von den Bewertungsgutachtern für das nachhaltige Ergebnis in der Phase der ewigen Rente fortgeschrieben. Gegen die diesbezüglichen Annahmen und die für die Phase der ewigen Rente angenommene Ausschüttungsquote von 45 % gibt es nichts einzuwenden.
48bb) Zur Ermittlung des Barwerts sind im Rahmen des Ertragswertverfahrens die prognostizierten künftigen Nettozuflüsse mit einem Diskontierungszinssatz abzuzinsen. Heute wird zur Bestimmung des zur Abzinsung heranzuziehenden Kapitalisierungszinssatzes überwiegend auf das Capital Asset Pricing Model (CAPM) zurückgegriffen, wonach sich der Kapitalisierungszinssatz aus dem Basiszinssatz und einem Risikozuschlag zusammensetzt, der sich wiederum aus der Multiplikation der Marktrisikoprämie mit einem unternehmensspezifischen Betafaktor ergibt. Dieser Ansatz ist auch hier gewählt worden. Die von vielen Antragstellern vorgebrachte Kritik hinsichtlich der für die einzelnen Parameter eingesetzten Werte gibt keinen Anlass zu einer davon abweichenden Schätzung.
(1) Das gilt zunächst für den Basiszinssatz, der im Bewertungsgutachten ausgehend von den Zinsstrukturdaten der Deutschen Bundesbank für den Zeitraum September bis November 2013 mit 2,75 % (vor Steuern) ermittelt wurde (Bewertungsgutachten S. 69 f.). Die Abfindungsprüfer sind bei ihrer Überprüfung zu dem gleichen Ergebnis gelangt (Prüfungsbericht S. 35). Die insoweit angewandte Methodik entspricht den Empfehlungen des IDW und wurde in jüngerer Zeit verschiedentlich von der obergerichtlichen Rechtsprechung bestätigt (z.B. OLG Frankfurt, AG 2015, 504 Rn. 42 und AG 2015, 241 Rn. 66 ff.; OLG München, AG 2014, 453 Rn. 19; OLG Düsseldorf, NZG 2012, 1260, Rn. 40 ff.). Die Kammer schließt sich dem an. Zum Stichtag der Hauptversammlung hat sich keine Änderung des (gerundeten) Basiszinssatzes ergeben, so dass der Wert von 2,75 % vor bzw. 2,02 nach Ertragssteuern der Berechnung zugrunde gelegt werden durfte.
(2) Für die Berechnung des Risikozuschlags anhand des (Tax-)CAPM haben die Bewertungsgutachter eine Marktrisikoprämie von 5,0 % nach Ertragssteuern angesetzt. Die Abfindungsprüfer halten sogar eine höhere Marktrisikoprämie von 5,5 % nach Steuern für sachgerecht, was dem mittleren Wert der Bandbreite von 5,0 % bis 6,0 % aus dem Hinweis des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft des IDW (FAUB) vom 19.09.2012 entspricht. Da sich der von den Bewertungsgutachtern angesetzte Wert im Ergebnis werterhöhend auf die Barabfindung auswirkt, haben die Abfindungsprüfer das Angemessenheitsurteil von ihrer abweichenden Einschätzung zur Marktrisikoprämie nicht berührt gesehen.
Die Kammer folgt der von den Bewertungsgutachtern vorgenommenen Beurteilung. Die angenommene Marktrisikoprämie von 5,0 % (nach Steuern) ist bezogen auf den maßgeblichen Bewertungsstichtag 14.02.2014 nicht zu hoch.
Die Abfindungsprüfer haben in ihrem Prüfungsbericht im Einzelnen dargelegt, wie sich der Übergang des Halbeinkünfteverfahrens zur Abgeltungssteuer auf die Marktrisikoprämie ausgewirkt hat. Danach war nach Einführung der Abgeltungssteuer zunächst von einer Marktrisikoprämie nach Steuern in einer Bandbreite von 4,0 % bis 5,0 % auszugehen, was auch noch im November 2009 und im März 2011 vom FAUB bekräftigt wurde. Die weitere Entwicklung der Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise sowie das damit verbundene anhaltende historisch niedrige Zinsniveau haben den Fachausschuss im September 2012 veranlasst, eine Marktrisikoprämie von 5,0 % bis 6,0 % nach persönlichen Steuern zu befürworten. Diese Empfehlung eines Ausschusses des IDW als eines privatrechtlich organisierten Verbands der Wirtschaftsprüfer ist selbstverständlich nicht rechtssetzend und die Stichhaltigkeit der dafür angeführten Gründe ist – wie die Ausführungen der Antragsteller zeigen – nicht unumstritten. Sie stellt aber jedenfalls eine Expertenmeinung von mit der Unternehmensbewertung befassten Fachleuten dar, der einiges Gewicht zukommt. Von vielen Antragstellern wird in Spruchverfahren regelmäßig gemutmaßt, dass die Empfehlungen des IDW interessengesteuert seien; sie seien im Interesse der Unternehmen darauf gerichtet, die Unternehmenswerte und die daran anknüpfenden Abfindungen kleinzurechnen. Bei dieser Sichtweise wird jedoch der vom Abfindungsprüfer in seiner Anhörung zu Recht betonte Umstand übersehen, dass Strukturmaßnahmen, die zu Spruchverfahren führen, in der Praxis der Unternehmensbewertung eher seltene Bewertungsanlässe sind. Wesentlich häufiger ist die Unternehmensbewertung, um den Wert von Unternehmensbeteiligungen zu bestimmen oder aus Anlass geplanter Transaktionen (vgl. die Übersicht Abschn. 2.2 IDW S 1 i.d.F. 2008). Bei diesen viel zahlreicheren Bewertungsanlässen, für die die gleichen Bewertungsgrundsätze des IDW gelten sollen, gibt es keine Gründe anzunehmen, dass etwas anderes bewirkt werden soll, als eine ausgewogene und angemessene Bewertung, was bei einer geänderten Kapitalmarktsituation auch eine Anpassung der empfohlenen Bewertungsparameter nach sich ziehen kann.
Die im vorliegenden Fall zugrunde gelegte Marktrisikoprämie von 5 % (nach Steuern) bewegt sich jedenfalls im Bereich vertretbarer Schätzung nach § 287 ZPO. Sie liegt sogar noch in der Bandbreite der vor dem Hinweis des FAUB vom 19.09.2012 befürworteten Spanne von 4 % bis 5 % (nach Steuern), wenn auch an deren oberem Ende. Gegen ihren Ansatz bestehen im vorliegenden Fall keine Bedenken.
(3) Ferner erscheint der von den Bewertungsgutachtern angenommene Betafaktor von 0,85 (unverschuldet) angemessen, der das spezifische Unternehmensrisiko wiedergeben soll.
Da zunächst der Ertragswert der O.. (GmbH & Co KG) zu bestimmen ist, existiert kein unternehmenseigener Betafaktor, der zugrunde gelegt werden könnte. Für die O.. Group wurde der Betafaktor daher mithilfe einer Zusammenstellung von börsennotierten Vergleichsunternehmen abgeleitet. Das Vorgehen der Bewertungsgutachter ist auf S. 73 ff. des Bewertungsgutachtens im Einzelnen beschrieben. Danach wurden anhand von Vergleichsunternehmen branchenbezogene Betafaktoren ermittelt, die anschließend den Teilkonzernen der O.. Group zugewiesen und nach deren EBIT gewichtet wurden. So ergab sich ein gewichteter unverschuldeter Betafaktor von 0,88, den die Bewertungsgutachter auf 0,85 abgerundet haben. Die Abfindungsprüfer haben dieses Vorgehen überprüft und keinen Grund für Beanstandungen gefunden. Sie haben überdies zur Plausibilisierung eigene Berechnungen angestellt. Für die von ihnen zusammengestellte P. Group haben sie einen durchschnittlichen unverschuldeten Betafaktor von 0,89 (sowohl „raw“ als auch „adjusted“) ermittelt, was das von den Bewertungsgutachtern gefundene Ergebnis bestätigt. Der unverschuldete Betafaktor von 0,85 stellt nach allem eine geeignete Schätzgrundlage dar.
Der unverschuldete Betafaktor von 0,85 ist sodann entsprechend dem periodischspezifischen Verschuldungsgrad der O.. Group angepasst worden, was zu Betafaktoren für die maßgeblichen Zeiträume von 1,05 bis 1,30 geführt hat (1,14 für die Phase der ewigen Rente). Dieses „relevern“ ist angebracht, weil der Betafaktor das unternehmensspezifische Risiko abbilden soll, welches auch durch die Finanzierungsstruktur und den Verschuldungsgrad bestimmt wird. Auch insoweit ist den Berechnungen der Bewertungsgutachter zu folgen.
(4) Bei der Bestimmung des Ertragswerts der O.. Group wurde schließlich für die Phase der ewigen Rente ein Wachstumsabschlag von 1,1 % angesetzt. Mit dem Wachstumsabschlag soll das nachhaltige Wachstum in der Phase der ewigen Rente berücksichtigt werden, das – anders als in der Detailplanungsphase – nicht bereits bei der Prognose der finanziellen Überschüsse erfasst ist (vgl. OLG München NJW-RR 2014, 473 Rn. 26).
Die Bewertungsgutachter haben zur Bestimmung des Wachstumsabschlags die Inflationserwartung für die Länder und Regionen, in denen die O.. Group tätig ist, ermittelt und nach dem für die Phase der ewigen Rente angenommenen EBIT gewichtet. Sie sind so zu einer EBIT-gewichteten Inflationserwartung von 2,15 % gelangt. Ferner sind die Bewertungsgutachter davon ausgegangen, dass eine Überwälzung in Höhe der Hälfte der Inflationsrate stattfinden kann, was einer Wachstumsrate von (aufgerundet) 1,1 % entspricht.
Die Abfindungsprüfer haben unter Heranziehung des Verbraucherpreisindex für Deutschland Wachstumsraten von 0,9 % bis 1,0 % ermittelt, wobei davon ausgegangen wurde, dass das durchschnittliche Gewinnwachstum bei 45 % bis 50 % der durchschnittlichen Preissteigerungsrate liegt. Darüber hinaus haben sie aber auch die Wachstumsaussichten für die unterschiedlichen Geschäftsbereiche der O.. Group und deren Wettbewerbssituation berücksichtigt. Danach ist zu beachten, dass im Versandhandelsgeschäft ein Verdrängungswettbewerb stattfindet, der zu geringeren Margen führt. Im Finanzdienstleistungsbereich wird ebenfalls mit einem zunehmenden Wettbewerbsdruck gerechnet. Das Segment Service wird im Wesentlichen durch die Logistikdienstleistungen bestimmt, bei dem die Abfindungsprüfer angenommen haben, dass sich zu erwartende tarifliche Lohnanpassungen für Fahrer und Logistikpersonal und steigende Kraftstoffpreise negativ auf das Gewinnwachstum auswirken können. Diese branchenbezogenen Überlegungen verdeutlichen, dass der gewählte Wachstumsabschlag von 1,1% nicht zu niedrig bemessen ist.
Soweit von einigen Antragstellern hiergegen eingewandt wird, dass ein Wachstumsabschlag unterhalb der Inflationsrate auf ein reales Schrumpfen des Unternehmens hinauslaufe, handelt es sich um ein in Spruchverfahren immer wieder anzutreffendes Missverständnis. Wie der Abfindungsprüfer in seiner Anhörung erläutert hat, bedeutet ein Wachstumsabschlag von 1,1 % die Annahme, dass die Gewinne in diesem Umfang wachsen werden, was wiederum nur möglich ist, wenn inflationsbedingte Preissteigerungen auf der Aufwandsseite in vollen Umfang an den Kunden weitergegeben werden und darüber hinaus die Erlöse gesteigert werden können (Protokoll, S. 12, vgl. auch OLG Karlsruhe, BeckRS 2013, 13603). Außerdem ist zu beachten, dass den Anteilseignern in der Phase der ewigen Rente ein Wertbeitrag aus Thesaurierung zugerechnet wird, der zur Finanzierung des Wachstums zur Verfügung steht. Unter Einbeziehung des thesaurierungsbedingten Wachstums ergibt sich ein nachhaltiges Wachstum der Ausschüttungen von 5,55 % (Bewertungsgutachten S. 78). Von einem Schrumpfen kann also keine Rede sein.
(5) Der sich danach ergebende Ertragswert für die O.. Group von T€ 3.190.891 zum Bewertungsstichtag 14.02.2014 wurde sodann bei der Bewertung der KG A.. zugrunde gelegt, an der wiederum die C.J. V.. AG 26,375 % der Kommanditanteile hält. Die auf dieser Basis vorgenommen Berechnungen ergeben einen Unternehmenswert der C.J. V.. AG von T€ 85.887 bzw. umgerechnet auf die einzelne Stückaktie von € 123,94 (vgl. S. 88 des Bewertungsgutachtens). Der festgelegte Abfindungsbetrag ist damit überzeugend hergeleitet.
c) Die von den Bewertungsgutachtern und den Abfindungsprüfern zu Kontrollzwecken angestellten Berechnungen nach anderen Bewertungsmethoden haben zu keinen besseren Erkenntnissen geführt. Es ist danach festzuhalten, dass der nach dem Ertragswertverfahren bestimmte Unternehmenswert und der daraus abgeleitete Abfindungsbetrag in Höhe von € 123,94 je Stückaktie angemessen ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 15, 6 Abs. 2 SpruchG in der Fassung durch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 29.07.2013.
Die Gerichtskosten hat die Antragsgegnerin zu tragen. Es gibt keine besonderen Gesichtspunkte der Billigkeit im Sinne von § 15 Abs. 1 SpruchG, die es rechtfertigen würden ausnahmsweise den Antragstellern die Gerichtskosten aufzuerlegen.
Die Vergütung und die Auslagen des gemeinsamen Vertreters fallen ebenfalls der Antragsgegnerin zur Last (§ 6 Abs. 2 SpruchG).
Ihre außergerichtlichen Kosten haben die Parteien jeweils selbst zu tragen. Die Anordnung einer Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin sieht das SpruchG nicht vor. Für die Anordnung einer Übernahme von Kosten der Antragsteller durch die Antragsgegnerin nach § 15 Abs. 2 SpruchG besteht keine Veranlassung, nachdem die Anträge erfolglos waren.
IV.
Der Geschäftswert für die Gerichtsgebühren ist auf den in § 74 GNotKG geregelten Mindestwert von € 200.000,00 festzusetzen. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 entspricht der Geschäftswert zugleich dem Gegenstandswert für die Vergütung des gemeinsamen Vertreters.