Az.: 13 W 2/12
ISIN: DE0005259006 / WKN: 525900
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerinnen und unter Zurückweisung der Beschwerde der Antragstellerin zu 2 wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 20.12.2011 abgeändert:
1.) Die Ausgleichszahlung gem. § 304 Abs. 1 AktG aus dem zwischen den Antragsgegnerinnen zu 1.) und 2. abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrag vom 19.11.2001 wird auf € 1,85 (brutto) je Aktie abzüglich Körperschaftssteuerbelastung in Höhe des jeweils geltenden gesetzlichen Tarifs einschließlich Solidaritätszuschlages sowie weiter abzüglich der durch Anwendung der jeweils geltenden Steuermesszahl auf den Gewerbeertrag und hierauf des jeweils geltenden Hebesatzes ermittelten Gewerbeertragssteuerbelastung festgesetzt.
2.) Die Anträge der Antragsteller auf Festsetzung des Abfindungsbetrages gem. § 305 Abs. 1 AktG auf mehr als € 21,50 je Stückaktie werden zurückgewiesen.
Der Abfindungsbetrag ist für die Zeit vom 16.03.2002 bis zum 31.08.2009 mit jährlich 2 vom Hundert über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB, für die Zeit seit dem 01.09.2009 mit jährlich 5 vom Hundert über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 247 BGB zu verzinsen.
3.) Die Kosten des Verfahrens 1. Instanz einschließlich der in erster Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller tragen die Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldner.
Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin zu 2; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Die Vergütung für die Tätigkeit des Gemeinsamen Vertreters erster Instanz hat die Antragsgegnerin zu 1, diejenige für die zweite Instanz die Antragsgegnerin zu 2 zu tragen.
Gründe
I.
Wegen des Sach- und Streitstandes 1. Instanz wird auf die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
1.) Die Antragsgegnerinnen wenden sich mit ihrer am 10.01.2012 bei Gericht eingegangenen Beschwerde gegen die Erhöhung von Abfindungs- und Ausgleichsbetrag durch den ihnen am 28.12.2011 zugestellten Beschluss.
Sie beanstanden zunächst, dass der Zinsausspruch des Landgerichts nicht der gesetzlichen Regelung entspreche.
Weiter sei die Heraufsetzung des Abfindungsbetrages nach Maßgabe des gewichteten Durchschnittskurses in den drei Monaten vor Bekanntmachung der Strukturmaßnahme auf € 21,61 je Stückaktie nicht sachgerecht – tatsächlich habe seinerzeit hinsichtlich der …-Aktie Marktenge bestanden. Da tatsächlich im Referenzzeitraum nur 0,0059% der Aktien gehandelt worden seien, sei nicht nachvollziehbar, wie das Landgericht auf einen „regen Börsenhandel“ habe schließen können. Ebenso unzutreffend sei die Annahme des Landgerichts, die Bildung von über dem Limit der Dauerkauforder der Antragsgegnerin zu 1 von € 21,50 liegenden Kursen an nur zwei Handelstagen führe nicht zu der Annahme, dass diese Ausschläge ohne Bindung an die reale Wertschätzung des Unternehmens am Markt rein spekulativ gebildet worden seien.
Hinsichtlich des Ausgleichsbetrages wenden sich die Antragsgegnerinnen gegen die Anwendung der Grundsätze der sog. „Ytong-Entscheidung“ (BGH II ZB 17/01 vom 21.07.2003) durch das Landgericht.
Tatsächlich sei – in Übereinstimmung mit der herrschenden Ansicht im Schrifttum – weiterhin von der Nettoberechnung des Unternehmenswertes auszugehen und damit die am Stichtag zu prognostizierende Definitiv-Steuerbelastung vom Unternehmenswert in Abzug zu bringen. Der vom BGH hinsichtlich der künftigen Körperschaftssteuerbelastung vorgenommene Bruttoansatz verletze tatsächlich das im Übrigen auch vom BGH stets betonte Stichtagsprinzip bei der Unternehmensbewertung, ohne dass es hierfür eine tragfähige Begründung gebe.
Selbst wenn man dem Bruttoansatz des BGH folgen wolle, so müsse zumindest auch der Abzug der Gewerbeertragssteuer in gleicher Weise wie der Abzug der effektiven Körperschaftssteuerbelastung angeordnet werden, da es sich auch bei dieser um eine auf Unternehmensebene anfallende Ertragsteuer handele.
Daneben seien dem Landgericht mehrere Berechnungsfehler unterlaufen; insoweit wird auf Anl. AGG 14 a – c zum Schriftsatz der Antragsgegnerinnen vom 09.01.2012 Bezug genommen.
2.) Die Antragstellerin zu 2 beanstandet mit ihrer Beschwerde gleichfalls die Verzinsungsregelung des Landgerichts.
Im Übrigen ist sie der Auffassung, dass eine Abfindung von nicht weniger als € 22,- anzuordnen sei. Tatsächlich sei als Referenzperiode für die Festlegung des Aktienkurses nicht auf den Zeitraum von drei Monaten vor der ad-hoc-Mitteilung vom 06.12.2001 (mit der die Strukturmaßnahme bekannt gemacht wurde) abzustellen, da bis zur beschlussfassenden Hauptversammlung am 27.06.2002 fast sieben Monate vergangen seien. Maßgeblich abzustellen sei auf den in der Hauptversammlung im Juni 2002 gefassten Beschluss zur Bestätigung des Beschlusses vom 28.01.2002, da gem. § 244 AktG derartige Bestätigungsbeschlüsse nicht rückwirkend sondern nur ex nunc wirkten.
Im Übrigen dürfe ohnehin nicht auf die Grundsätze der „Stollwerck“-Entscheidung abgestellt werden, da diese Entscheidung aus dem Jahre 2010 stamme und daher nur mit Rücksicht auf die extrem lange Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens überhaupt anwendbar geworden sei.
Zudem sei der Basiszins mit 6% zu hoch angesetzt worden, sachgerecht sei abgeleitet aus der Zinsstrukturkurve ein Basiszins von 5,48%, während der Wachstumsabschlag von 1% zu niedrig angesetzt sei, da er noch unter dem Mittelwert der Empfehlung des IdW von 0,5 – 2% für das Jahr 2002 liege.
Die Antragsgegnerinnen halten dem entgegen, dass für die Bestimmung des maßgeblichen Referenzzeitraumes diejenige Hauptversammlung maßgeblich sein müsse, in der erstmals über den Gewinnabführungsvertrag abgestimmt worden sei. Nur so könne den Grundsätzen der „Stollwerck“-Entscheidung des BGH Rechnung getragen werden, wonach auf einen von den durch die Bekanntmachung der Strukturmaßnahme noch unbeeinflussten Börsenwert abzustellen sei. Zudem sei der Bestätigungsbeschluss im Juni 2002 nur rein vorsorglich im Hinblick auf erhobene Anfechtungsklagen gefasst worden.
Die Zinssätze habe das Landgericht zutreffend bestimmt.
3.) Die Antragstellerinnen zu 3 und 4 haben ihre Beschwerden unter dem 09.07.2012 zurückgenommen.
Mit Verfügung vom 02.02.2012 sind sämtliche Beteiligte des Verfahrens erster Instanz über die Einleitung des Beschwerdeverfahrens informiert worden, in der Folge haben lediglich die Antragsteller/innen zu 1, 6 und 7 die Zurückweisung der Beschwerden der Antragsgegnerinnen beantragt, in der Folge jedoch nicht weiter vorgetragen. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin zu 13 hat sich zur Akte gemeldet, jedoch gleichfalls nicht weiter vorgetragen.
II.
Die zulässigen Rechtsmittel der Antragsgegnerinnen haben teilweise Erfolg, die Beschwerde der Antragstellerin zu 2 ist zurückzuweisen.
Obwohl nunmehr durch § 5 Nr. 1 i.V.m. § 1 Nr. 1 SpruchG klargestellt ist, dass Antragsgegnerin des Spruchverfahrens im vorliegenden Fall der Überprüfung einer Abfindung bzw. eines Ausgleichs gem. §§ 304, 305 AktG nur die Antragsgegnerin zu 2 ist und das Beschwerdeverfahren gem. § 17 Abs. 2 S. 2 SpruchG neuem Recht folgt, ist auch die Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1 als statthaft und zulässig zu behandeln, da – nach alter Rechtslage zutreffend – auch sie durch den Tenor der landgerichtlichen Entscheidung verpflichtet wurde.
1.) Die Abfindung gem. § 304 AktG ist nicht höher als mit dem im Gewinnabführungsvertrag festgelegten Betrag von € 21,50 je Aktie anzusetzen.
Der Senat folgt dem Vorbringen der Antragsgegnerinnen darin, dass nicht auf den leicht höher liegenden gewichteten Durchschnittskurs von € 21,61 abzustellen ist, den das Landgericht herangezogen hat.
Die Antragsgegnerinnen haben bewiesen, dass dieser gewichtete Durchschnittskurs tatsächlich nicht dem Verkehrswert entsprach, da während des Referenzzeitraumes praktisch kein Börsenhandel stattgefunden hatte.
Ausweislich der Daten der „Deutschen Börse“ (Anl. AGG 9 und AGG 11) wurden zwischen dem 6.09. und dem 6.12.2001 an den Börsen in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt und Hamburg insgesamt 4.407 …-Aktien gehandelt, wobei eine Order in Düsseldorf am 6.12.2001 über 320 Aktien zu € 23,- bereits nach Bekanntgabe des Gewinnabführungsvertrages im Wege der ad-hoc-Mitteilung (Anl. AGG 8) an diesem Tage erfolgte und daher nicht zu berücksichtigen ist.
Der Referenzzeitraum ist damit zutreffend bestimmt: Mit den Grundsätzen der „Stollwerck“-Entscheidung (BGH II ZB 18/09 vom 19.07.2010) ist auf die drei Monate vor Bekanntgabe der Strukturmaßnahme abzustellen. Nur die von gerade durch die Strukturmaßnahme ausgelösten Spekulationen unbeeinflusste Marktkapitalisierung ist geeignet, die tatsächlichen Erwartung des Marktes an das Unternehmen und damit den wahren inneren Wert der Aktie wiederzuspiegeln. Aus eben diesem Grunde ist es auch – entgegen der Auffassung der Antragstellerin zu 2 – ohne Belang, dass auf einer Hauptversammlung im Juni 2002 ein Beschluss über die Bestätigung des ursprünglichen Beschlusses über den Gewinnabführungsvertrag vom 28.01.2002 gefasst wurde. Entscheidend ist, dass von der Strukturmaßnahme unbeeinflusste Daten zur Marktkapitalisierung nach Bekanntwerden der Maßnahme am 06.12.2001 nicht mehr vorlagen, womit auch dahinstehen kann, ob tatsächlich erst dem Beschluss vom 27.06.2002 konstitutive Wirkung zukam.
Von den 4.087 (s.o.) zu berücksichtigenden Aktien wurden 40 zu € 24,-, 40 zu € 24,50 und 40 zu € 25 gehandelt. Der gesamte Rest von 3.987 Aktien wurde zu € 21,50 verkauft und damit offenbar auf Grund der – unstreitig – von der Antragsgegnerin zu 2 erteilten auf diesen Preis limitierten Dauer-Kauforder gehandelt, was sich im Übrigen auch daraus ergibt, dass an allen vier Börsen nahezu durchgängig Geldkurse in Höhe von eben € 21,50 festgesetzt wurden.
Damit wurden im Referenzzeitraum insgesamt lediglich 0,022% des Aktienbestandes der … AG gehandelt und davon lediglich 0,00065% zu einem Preis, der über dem praktisch von der Antragsgegnerin gestellten Wert lag.
Damit kann nach Auffassung des Senats von einem nennenswerten Börsenhandel nicht die Rede sein, insbesondere zeigt schon der Umstand, dass die Preisbildung fast ausschließlich auf der Dauerorder der Antragsgegnerin zu 1 beruhte, dass hier von einer echten Marktpreisbildung nicht die Rede sein konnte.
In der Tat wäre den außenstehenden Aktionären ein Deinvestment zu € 21,50 ohne Weiteres möglich gewesen, der Handel minimaler Stückzahlen an nur drei Tagen zu etwas höheren Kursen lässt es jedoch als praktisch ausgeschlossen erscheinen, dass auch nur ein minimaler Bruchteil aller weiteren außenstehenden Aktien – nach den zutreffenden Feststellungen des Landgerichts etwa 502.000 Stück – tatsächlich zu mehr als € 21,50 hätte veräußert werden können – denn auch bezogen auf die Summe des außenstehenden Aktien wurden nur 0,024% zu mehr als € 21,50 gehandelt.
Vor dem Hintergrund, dass der tatsächliche Unternehmenswert je Aktie deutlich unter € 21,50, nämlich bei € 21,08 lag (s.u.), geht der Senat daher davon aus, dass der gewichtete Durchschnittskurs auf Grund extremer Marktenge im Referenzzeitraum den wahren Verkehrswert der …-Aktie nicht widerspiegeln konnte.
Es verbleibt daher bei dem im Gewinnabführungsvertrag festgelegten Abfindungsbetrag von € 21,50 je Aktie, womit die Anträge auf Festsetzung einer höheren Abfindung zurückzuweisen sind.
Zu korrigieren ist zugleich der Zinsausspruch: Gem. § 20 Abs. 5 EGAktG i.V.m. § 305 Abs. 3 S. 3 AKtG a.F. beträgt der Zinsfuß für die Zeit vom 16.03.2002 bis zum 31.08.2009 2%-Punkte über Basiszins, für die Zeit seither gem. § 305 Abs. 3 S. 3 AktG n.F. i.V.m. § 20 Nr. 5 EGAKtG 5%-Punkte über Basiszins.
2.) Auch der Ausspruch zum festen Ausgleichsbetrag ist zu berichtigen.
a) Zutreffend hat allerdings das Landgericht die Grundsätze der sog. „Ytong“-Entscheidung (BGH NJW 2003, 3272) des BGH angewandt, auch der Senat hält an den Grundsätzen dieser Rechtsprechung fest.
Allerdings ist nicht zu verkennen, das tatsächlich dass ansonsten die Bemessung auch des Ausgleichsbetrages beherrschende Stichtagsprinzip durchbrochen wird, indem der tatsächliche Auszahlungsbetrag von Faktoren abhängig gemacht wird – nach BGH zumindest dem jeweils geltenden KöSt-Tarif – die zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Unternehmensvertrages eben gerade noch nicht feststehen.
Mit dem BGH (aaO., Rz. 12, zitiert nach juris) ist der Senat jedoch der Auffassung, dass nur in dieser Weise die von Verfassungs wegen unabdingbare volle Entschädigung der Minderheitsaktionäre gesichert werden kann. Nur über die hinsichtlich der effektiven Steuerbelastung variable Bestimmung des Ausgleichs kann einerseits sichergestellt werden, dass von einer Senkung der Steuerbelastung (wie im vom BGH zu beurteilenden Sachverhalt) nicht nur die Mehrheitsaktionäre bzw. das herrschende Unternehmen profitieren bzw. eine Erhöhung der Steuerlast auf Unternehmensebene den Anspruch der Ausgleichsberechtigten angemessen mindert.
Da es bei der Bemessung des Anspruchs nach § 304 AktG – anders als etwa bei der Bestimmung der Abfindung nach squeeze out – um die Festlegung ggf. langjährig zu zahlender und nicht einmalig anfallender Beträge geht, ist es geboten, jedenfalls solche Veränderungen in der tatsächlichen Ertragslage auch nachträglich zu berücksichtigen, die – wie etwa die Höhe des KöSt-Satzes – letztlich von hoher Hand willkürlich verfügt werden können. Eben in diesem Punkt unterscheidet sich die effektive Steuerlast, auch wenn sie sich betriebswirtschaftlich als ein Aufwandsposten unter vielen darstellt, deutlich von den zahlreichen anderen Faktoren für die Bemessung des Ausgleichsanspruches, die – wie etwa die gewöhnlich angesetzten Kapitalisierungszinssätze, der durchschnittliche Investitionsaufwand eines Unternehmens oder auch seine durchschnittliche Produktivität – sich gleichfalls nachträglich (bezogen auf die zum Stichtag angestellte Prognose) als unzutreffend erweisen können. Denn während diese Faktoren (wenn auch mit allen Unwägbarkeiten des Prognose-Verfahrens) bezogen auf den Stichtag immerhin mit einer gewissen Plausibilität ermittelt und geschätzt werden können, womit es auch vor dem Hintergrund der Gewährleistung des Art. 14 GG gerechtfertigt ist, sie einmalig auf den Stichtag festzusetzen, gilt dies für künftige Änderungen von Steuersätzen keinesfalls. Es ist offensichtlich, dass die von vielfältigen finanz- und wirtschaftspolitischen Erwägungen abhängigen Festlegungen der Steuersätze, die sich etwa im Falle eines Regierungswechsels drastisch ändern mögen, von niemandem auch nur ansatzweise verlässlich prognostiziert werden können.
Dass es im Hinblick auf die Vielfalt möglicher Änderungen der steuerlichen Rahmenbedingungen (insbesondere hinsichtlich der Bemessungsgrundlage) letztlich nicht möglich ist, den festen Ausgleich im Hinblick auf jede mögliche denkbare gesetzliche Änderung auf dieser Ebene variabel zu fassen (vgl. etwa Baldamus, Der Einfluss der Körperschaftssteuer auf den sog. festen Ausgleich nach § 304 Abs. 2 S. 1 AktG, AG 2005, 77, 83), steht der durch Art. 14 GG geforderten Berücksichtigung von Veränderungen des KöSt-Satzes nicht entgegen, da nur so jedenfalls eine weitere Annäherung an die Bestimmung eines gerechten Ausgleiches erreicht werden kann.
Allerdings greift diese Argumentation auch hinsichtlich der Solidaritätszuschlages und der Gewerbeertragssteuer: Ersterer ist ein bloßer Zuschlag zur KöSt. und schwankt daher mit dieser, letztere ist auf Grund der gemeindlichen Kompetenz zur Bestimmung des Hebesatzes noch deutlich „anfälliger“ für nicht zu prognostizierende, durch die öffentliche Hand „willkürlich“ veranlasste Änderungen.
Demzufolge waren auch diese beiden Faktoren bei der Tenorierung des festen Ausgleichs als variable Abzugsposten zu berücksichtigen (vgl. hierzu: Baldamus aaO., S. 83; Schmidt-Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 304, Rn. 90; Großkommentar-AktG-Hasselbach/Hirte, 23. Lfg. 2005, § 304, Rn. 159).
Ausgehend hiervon stellt sich sodann der von den Antragsgegnerinnen beanstandete Nichtabzug der Gewerbeertragsteuer bei der Ermittlung der Jahresüberschüsse durch das Landgericht (wie Anlage 2 zum angefochtenen Beschluss zu entnehmen), als sachlich zutreffend dar. Ebenso konsequent ist es zugleich – eben zur Gewährleistung der „Bruttodividende“ – bei der Berechnung des Ausgleichs auch die persönliche Einkommenssteuer nicht (mit einem Durchschnittssatz) abzuziehen und schlicht an das Bruttoergebnis vor Steuern, also auch ohne Berücksichtigung der Minderheitenanteile, anzuknüpfen (deren Berücksichtigung im Übrigen nach Diskontierung ohnehin nicht zu einer Erhöhung des Ausgleichsbetrages führen würde).
b) Bezüglich der Schätzung der künftigen Ertragslage sind Einwendungen im Beschwerdeverfahren nicht geltend gemacht worden; der Senat folgt insoweit den Ausführungen der Kammer, in der Tat haben sich die von den Wirtschaftsprüfern bestätigten Zahlen des Unternehmens in den Jahren 2002 und 2003 als noch deutlich zu optimistisch erwiesen. Damit besteht keinerlei Ansatzpunkt für die Annahme, dass die Prognose zu Lasten der Minderheitsaktionäre etwa zu pessimistisch gefasst worden sein könnte.
c) Auch hinsichtlich der Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes folgt der Senat der Argumentation des Landgerichts.
Bezogen auf die Bestimmung des Basiszinssatzes hält der Senat an seiner ständigen Rechtsprechung fest, dass den zum Stichtag geltenden Empfehlungen des IdW mit Rücksicht auf die Bewertungspraxis der befassten Wirtschaftsprüfer erhebliche Bedeutung zukommt; jedenfalls für einen so weit vor der Umorientierung der Praxis auf die Ableitung des Basiszinssatzes aus der Zinsstrukturkurve liegenden Stichtag ist damit der Ansatz eines Wertes von 6% entgegen dem Beschwerdevorbringen der Antragstellerin zu 2 nicht zu beanstanden.
Gleiches gilt für die schlüssig begründete Festlegung des Risikozuschlages mit 3% und des Wachstumsabschlages in der ewigen Rente mit 1%: Beide Werte werden durch die tatsächliche – negative – Entwicklung der Unternehmenserträge in den Jahren 2002 und 2003, die einerseits für ein erhebliches inhärentes Risiko und andererseits gegen eine weitergehende Möglichkeit zur vollständigen Abwälzung der Inflation über die Preise sprechen.
d) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerinnen (vorgetragen mit Anl. AGG 14a) ist dem Landgericht bei der Berechnung der Ab- bzw. Aufzinsung kein Fehler unterlaufen.
Der Barwert der für die ewige Rente anzusetzenden Erträge von jährlich € 36.925 ist vom Landgericht ausgehend von einem Zinssatz von 8% zutreffend mit dem Faktor 12,5 auf T€ 461.563 ermittelt worden, dieser Wert ist sodann richtig auf das Ende des letzten Planjahres mit einem Abzinsungsfaktor von 0,73503 (vgl. etwa Abzinsungstabelle bei http://www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/bwl1/ub/fintab.pdf) abzuzinsen, womit sich ein Barwert von T€ 339.262 ergibt. Die von den Antragsgegnerinnen vorgelegte Berechnung (Anl. AGG 14a) setzt falsch den Abzinsungsfaktor für einen Zinsfuß von 9% an, während – wie oben ausgeführt – für die ewige Rente richtig ein Wachstumsabschlag von 1% vorzunehmen und daher mit 8% zu rechnen ist.
Der Ertrag der Planjahre von T€ 111.082 ist mit 9% für 28 Tage aufzuzinsen (Faktor 1,007000 = T€ 111.860), der Ertrag der Ewigen Rente von T€ 339.262 für den gleichen Zeitraum mit 8% (Faktor 1,006222 = T€ 341.373). Damit ergibt sich ein Ertragswert von T€ 453.233.
Dieser Betrag ist – wie vom Landgericht überzeugend dargelegt – mit einem zwischen risikolosem Basiszins und tatsächlichem Kapitalisierungszinssatz liegenden Zinsfuß, hier also 7,5% zu verrenten, womit sich ein jährlicher Bruttodurchschnittsgewinn von T€ 33.992 und damit verteilt auf 18.410.000 Aktien ein Ausgleichsbetrag von € 1,85 ergibt.
3.) Anlass zu einer Korrektur der Kostenentscheidung des Landgerichts besteht nicht: Jedenfalls die Erhöhung des Ausgleichsbetrages hat Bestand, womit weiterhin davon auszugehen ist, dass es der Billigkeit entspricht, die Antragsgegnerinnen mit den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu belasten (§ 306 Abs. 7 S. 7 AktG a.F., § 13a Abs. 1 S. 1 FGG); für die Kosten des Gemeinsamen Vertreters in erster Instanz haftet ohnehin nach § 306 Abs. 4 AktG a.F. nur die Antragsgegnerin zu 1.
Hinsichtlich der in zweiter Instanz angefallenen Kosten beruht die Kostenentscheidung auf §§ 17 Abs. 2 S. 2 i.V.m. 15 Abs. 2, 4 SpruchG.
Da es auf die Beschwerden der Antragsgegnerinnen einerseits zu einer (geringfügigen) Reduzierung des Abfindungsbetrages gekommen ist und sie auch im Hinblick auf die bezüglich Solidaritätszuschlag und Gewerbeertragsteuer neu gefasste Tenorierung erfolgreich gewesen sind, es aber andererseits bei der recht deutlichen Anhebung des Bruttobetrages der Ausgleichszahlung geblieben ist, bleibt es beim Grundsatz der Belastung der Antragsgegnerinnen mit den Gerichtskosten, während zugleich kein Anlass besteht, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen.
Die evtl. in zweiter Instanz entstandenen Kosten des Gemeinsamen Vertreters fallen nach § 17 Abs. 2 S. 2 i.V.m. 6 Abs. 2 S. 1 SpruchG der Antragsgegnerin zu 2 zur Last.