Die 2014 von der Börse genommene Generali Deutschland AG ist die Management-Holding der nach der Allianz zweitgrößten Erstversicherungsgruppe in Deutschland. Die Tochter der italienischen Assicurazioni Generali steuert den Konzern und seine verschiedenen Versicherungstöchter und Finanzdienstleister in Deutschland, darunter unter anderem AachenMünchener, Generali Versicherungen, CosmosDirekt, Central Krankenversicherung, Advocard Rechtsschutzversicherung, Deutsche Bausparkasse Badenia und Dialog.
Darüber hinaus fungiert sie als Rückversicherer der Konzerngruppe. Über ihre Töchter hat die Generali Deutschland AG im Jahr 2013 rund 13,5 Millionen Kunden. Im selben Jahr wird der geplante Squeeze-out der Minderheitsaktionäre verkündet. Dessen Vorgeschichte geht auf das Jahr 1997 zurück.
In jenem Jahr pokern sowohl die deutsche Allianz als auch die italienische Generali um die Übernahme des französischen Versicherers AGF. Die Beteiligten finden schließlich eine einvernehmliche Lösung. Diese sieht vor, dass die Allianz bei der AGF zum Zuge kommt und im Gegenzug Generali die Mehrheit am deutschen Versicherungskonzern AMB Aachener und Münchener Beteiligungs-AG übernimmt. Denn an letzterer sind sowohl die Allianz (5 Prozent) als auch die AGF (33,5 Prozent) beteiligt.
Die Assicurazioni Generali, die bis dato über ihre Deutschland-Tochter nur rund ein Prozent Marktanteil in Deutschland auf sich vereint hat, erwirbt die entsprechenden Anteile 1998. Darüber hinaus sichern sich die Italiener auch Aktien zweier weiterer AMB-Anteilseigner: der Dresdner Bank (13,5 Prozent) und der Münchener Rück (8 Prozent). Durch den Zukauf weiterer Aktien am Markt hält die Assicurazioni Generali 1998 schließlich gut 65 Prozent der AMB-Aktien.
Im Jahre 2000 bringen die Italiener die Generali Lloyd Gesellschaften in die AMB Generali Gruppe ein und beginnen damit, die übernommene AMB zu einer Holding für die Deutschland-Beteiligungen des europaweit agierenden Versicherungsriesen umzubauen.
Im Juli 2001 folgt die Umfirmierung der AMB Aachener und Münchener Beteiligungs-AG in die AMB Generali Holding AG. Schritt für Schritt werden nun Konzerntöchter verschmolzen und Aktionäre von Tochterunternehmen nach Squeeze-outs abgefunden.
Im März 2006 unterbreitet die Assicurazioni Generali schließlich über eine Tochtergesellschaft, der Generali Beteiligungs-GmbH, den Aktionären der AMB Generali Holding AG ein Übernahmeangebot in Höhe von 98 Euro je Aktie. Dadurch erhöhte die Assicurazioni Generali ihren Anteil an der börsennotierten Tochter auf gut 85 Prozent.
Im Januar 2009 firmiert das Unternehmen in Generali Deutschland Holding AG um. Im selben Jahr wird der Konzernsitz von Aachen ins benachbarte Köln verlegt.
Die Konsolidierung setzt sich fort und mündet aus Sicht der Aktionäre schließlich in einem Squeeze-out. Dieser wird mit der Stimmenmehrheit der Muttergesellschaft, die zu diesem Zeitpunkt 95,96 Prozent der Anteile auf sich vereint, am 4. September 2013 von der Hauptversammlung beschlossen und am 7. Mai 2014 in das Handelsregister eingetragen. Die Aktionäre sollen als Ausgleich eine Barabfindung von 107,77 Euro erhalten.
Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 11. August 2015 schließt die italienische Konzernmutter den Integrationsprozess der deutschen Tochter insofern ab, als das auf einer außerordentlichen Hauptversammlung erstens die Umfirmierung in Generali Deutschland AG und zweitens die Hauptsitzverlegung nach München beschlossen wird.
Die Bewertung
Die Generali Deutschland Holding AG ist die Management-Holding der mit rund 17,2 Milliarden Euro Beitragseinnahmen und mehr als 13,5 Millionen Kunden zweitgrößten Erstversicherungsgruppe in Deutschland im Jahr 2014.
Die Unternehmensgruppe ist sowohl in den Sparten Lebens- und Krankenversicherung als auch Schaden- und Unfallversicherungen tätig. Daneben bietet sie verschiedene Bankprodukte, z.B. Bausparen über die Badenia, und Dienstleistungen an.
Der Barabfindung in Höhe von 107,77 Euro pro Aktie liegt ein von der Assicurazioni Generali errechneter Unternehmenswert in Höhe von 5,785 Milliarden Euro zum Zeitpunkt des Squeeze-out zugrunde. Der Börsenkurs lag bei 100 Euro.
Wie unterschiedlich die Bewertung von Versicherungskonzernen ausfallen, zeigt allerdings schon der Blick auf die Bewertung der Versicherungskonzerne Gerling und AXA im Zuge anderer aktuellen Spruchverfahren. Der gesetzliche Pflichtprüfer hatte für die Gerling-Konzern Allgemeine Versicherungs-AG einen Unternehmenswert von gut einer Milliarde Euro testiert, wohingegen der gerichtlich bestellte Sachverständige einen Unternehmenswert von mehr als 2,5 Milliarden Euro ermittelte; im Falle der AXA Konzern AG hatte derselbe Abfindungsprüfer einen Ertragswert von 4,2 Milliarden Euro testiert, wohingegen der gerichtliche Sachverständige einen solchen von 7,4 Mrd. Euro – entspricht einer Differenz von 3,228 Milliarden Euro – ermittelte.
Allein die Tatsache, dass derselbe gesetzliche Pflichtprüfer nun auch die Bewertung der Generali Deutschland Holding AG testiert hat, war für zahlreiche Minderheitsaktionäre Anlass, ein Spruchverfahren anzustrengen.
Das Spruchverfahren
Am 4. Dezember 2013 fassten die Aktionäre der Generali Deutschland Holding AG auf ihrer außerordentlichen Hauptversammlung den Beschluss zur Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre nach dem Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsaktionären gemäß §§ 327a ff. AktG wie folgt: „Die auf den Inhaber lautenden Stückaktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) der Generali Deutschland Holding AG mit Sitz in Köln werden gemäß dem Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsaktionären (§§ 327a ff. des Aktiengesetzes) gegen Gewährung einer Barabfindung in Höhe von 107,77 EUR für je eine auf den Inhaber lautende Stückaktie mit einem anteiligen Betrag des Grundkapitals von 2,56 EUR auf die Hauptaktionärin, die Assicurazioni Generali S.p.A. mit Sitz in Triest, Italien, eingetragen im Handelsregister (Registro delle Imprese) Triest unter der Nummer 00079760328, übertragen.“
131 ehemalige Aktionäre der Generali Deutschland Holding AG haben daraufhin beim Landgericht Köln ein Spruchverfahren zur Überprüfung der Barabfindung eingeleitet.
Die Kritikpunkte der Antragsteller
Pessimistische Planung: Die von der Antragsgegnerin vorgelegte Planungsrechnung erscheint den Antragstellern zu pessimistisch. So ende das erste Planjahr bereits vier Wochen nach dem Bewertungsstichtag. Anstelle des im Konzerngeschäftsbericht ausgewiesenen Beitragswachstums in Höhe von 4,77 Prozent werde in der Planung nur ein solches von 3,69 Prozent ausgewiesen – dies entspricht einer Differenz von rund 190 Millionen Euro. Weil aber das Geschäftsmodell der Gesellschaft keinen außergewöhnlichen saisonalen Einflüssen ausgesetzt sei, wäre diese Abweichung unerklärlich. Die Planung der Beitragseinnahmen sei mit einem dauerhaften durchschnittlichen jährlichen Rückgang um 0,25 Prozent aus Sicht der Antragsteller nicht plausibel.
Fortschreibung der Krisenrenditen: Die in Folge der weltweiten Finanzmarktkrise gesunkenen Kapitalanlagerenditen würden für alle Ewigkeit auf dem niedrigen Niveau fortgeschrieben, wohingegen für Zwecke der Diskontierung der finanziellen Überschüsse von einem Anstieg der Renditeforderungen von Kapitalanlegern ausgegangen werde.
Ausschüttungsquoten: Für Zwecke der Planung wurde eine Ausschüttungsquote in Höhe von 80 Prozent zugrunde gelegt; erst in der Phase der ewigen Rente werde diese Quote auf 50 Prozent reduziert. Demgegenüber lag die durchschnittliche Ausschüttungsquote in der Vergangenheit unter 50 Prozent. Aufgrund der deutschen Besonderheit der Nach-Steuer-Bewertung führt das zu niedrigeren Unternehmenswerten, weil Ausschüttungen in der Planung höheren Steuerbelastungen unterworfen werden als Thesaurierungen, selbst wenn diese fiktiv den Anteilseignern zugerechnet werden.
Ertragswertverfahren ungenügend: Die Bewertung der Gesellschaft allein nach dem Ertragswertverfahren werde dem Geschäftsmodell der Gesellschaft nicht gerecht. Denn deren Wert definiere sich nicht durch eingesetzte Produktionsmittel und deren Finanzierung, sondern durch den Wert der langfristigen Versicherungsverträge. Dieser werde aber üblicherweise nach dem Market Consistent Embedded Value Verfahren ermittelt.
Unvollständige Unternehmensbewertung: Die Antragsteller halten die von der Antragsgegnerin vorgelegte Unternehmensbewertung für unvollständig. Dies folge bereits daraus, dass nur 40 Unternehmen, an denen die Gesellschaft beteiligt sei, direkt oder als Sonderwert ausgewiesen würden. Demgegenüber weise der Konzernabschluss der Gesellschaft insgesamt 121 Unternehmen aus, an denen die Gesellschaft mit mindestens 5 Prozent beteiligt sei. Darüber hinaus vermuten einzelne Antragsteller wesentliches Kunstvermögen, das nicht in der Bewertung auftauche. Hintergrund der Vermutung sei, dass die Gesellschaft als eine von 25 Aktiengesellschaften im „Corporate Collections“-Verzeichnis mit hohem Kunstvermögen ausgewiesen werde.
Die Parteien
Zuständiges Gericht: Landgericht Köln, 2. Kammer für Handelssachen; OLG Düsseldorf
Vorsitzender Richter: VRiLG Dr. Georg Lauber
Aktenzeichen: LG Köln, Az. 82 O 49/14; OLG Düsseldorf, Az. I-26 W 8/23 AktE
Antragsgegner: Assicurazini Generali S.p.A.
Antragsgegnervertreter: Rechtsanwälte Hengeler Mueller, Düsseldorf, Rechtsanwalt Dr. Daniel Wilm
Gemeinsamer Vertreter: RA Dr. Rainer Klocke, Köln
Sachverständiger: Am 17. August 2015 hat das Gericht beschlossen, Beweis zu erheben, ob die von der Antragsgegnerin gewährte Barabfindung in Höhe von 107,77 EUR je Aktie angemessen ist. Zum Sachverständigen wurde der WP, StB Andreas Creutzmann, c/o IVA VALUATION & ADVISORY AG, Landau/Pfalz bestellt.
Der Verfahrensverlauf
Am 4. Dezember 2013 fassten die Aktionäre der Generali Deutschland Holding AG auf ihrer außerordentlichen Hauptversammlung den Beschluss zur Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre nach dem Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsaktionären gemäß §§ 327a ff. AktG.
Die Eintragung und Bekanntmachung des Übertragungsbeschlusses erfolgte am 7. Mai 2014. 131 ehemalige Aktionäre der Generali Deutschland Holding AG haben daraufhin beim Landgericht Köln ein Spruchverfahren zur Überprüfung der Barabfindung in Höhe von 107,77 Euro eingeleitet.
Ein erster Termin zur mündlichen Verhandlung fand am 29. Mai 2015 statt. Das Gericht gab sogleich zu erkennen, dass es die Einholung eines Sachverständigengutachtens beabsichtige. Auf die Anhörung des Abfindungsprüfers wurde daher verzichtet. Die Verfahrensbeteiligten wurden aufgefordert, Vorschläge zur Person des Sachverständigen zu unterbreiten, nachdem sich die Antragsgegnerin gegen eine Bestellung der NPP Niethammer, Posewang & Partner GmbH, die in den Spruchverfahren Gerling-Konzern Allgemeine Versicherungs-AG und AXA Konzern AG für die oben beschriebenen starken Erhöhungen plädiert hat, gestellt hat. Zur Begründung führte sie aus, dass NPP „zu intensiv prüfe“.
Nach Durchsicht aller Vorschläge hat das Gericht am 17. August 2015 WP Creutzmann zum Sachverständigen bestellt. Dem Sachverständigen wurde aufgegeben, sein Gutachten „spätestens binnen zwei Jahren vorzulegen“. In seinem Gutachtem vom 23. Juni 2020 kommt der Sachverständige auf einen Wert von 132,83 Euro bzw. 136,74 Euro je Aktie. Mit Beschluss vom 8. Dezember 2020 wurde der Sachverständige vom Gericht gebeten, zu den Einwendungen der Verfahrensbeteiligten gegen das Hauptgutachten schriftlich Stellung zu nehmen. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. Dezember 2021 kommt der Sachverständige mit Berücksichtigung differenzierter Gewinnzuweisungen auf 130,67 Euro und ohne Berücksichtigung der Unterschiede auf 135,99 Euro je Aktie.
Mit Beschluss vom 28. Oktober 2022 (in unserer Datenbank verfügbar) setzte das Landgericht Köln die Barabfindung auf 135,99 Euro je Aktie fest und hob diese damit um mehr als 25 Prozent an. Gegen diesen Beschluss haben mehrere Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt. Nachdem das Landgericht mit Beschluss vom 19. Mai 2023 den Beschwerden nicht abgeholfen hat, wird die Sache in zweiter Instanz nunmehr vor dem OLG Düsseldorf verhandelt. Das Gericht hat den Beschwerdeführern mit Verfügung vom 2. November 2023 eine Frist zur Beschwerdebegründung bis zum 16. Februar 2024 gesetzt. Anschließend verfügte das Gericht mit Datum vom 23. Februar 2024 bis zum 10. Mai 2024 eine Frist zur Beschwerdeerwiderung und zur Stellungnahme für den gemeinsamen Vertreter.
Die Termine
4. Dezember 2013 – Hauptversammlung beschließt einen Squeeze-out gegen Barabfindung in der Höhe von 107,77 Euro (Ertragswert);
7. Mai 2014 – Eintragung und Bekanntmachung des Übertragungsbeschlusses
29. Mai 2015 – Termin zur mündlichen Verhandlung. Das Gericht erklärt sofort, ein Sachverständigengutachten einzuholen.
17. August 2015 – Beweisbeschluss Sachverständigengutachten
23. Juni 2020 – Sachverständigengutachten
23. Dezember 2021 – Ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen
28. Oktober 2022 – Beschluss des Landgerichts Köln (Anhebung der Barabfindung auf 135,99 Euro)
31. März 2023 – Beschwerdebegründungsfrist
19. Mai 2023 – Nichtzulassungsbeschluss
16. Februar 2024 – Begründungsfrist für die Beschwerdeführer
10. Mai 2024 – Frist Beschwerdeerwiderung und Stellungnahme gem. Vertreter
(Stand: 12. Juli 2024)
Jaeger meint
Gibt es etwas Neues? Danke.
Spruchverfahren Redaktion meint
Sehr geehrter Her Jaeger, zuletzt hatte das Gericht mit Verfügung vom 23. Februar 2024 eine Frist zur Beschwerdeerwiderung und zur Stellungnahme für den gemeinsamen Vertreter bis zum 10. Mai 2024 gesetzt.
Jaeger meint
Danke! Die Mühlen des Verfahrens laufen langsam….
Jaeger meint
Was bedeutet „19. Mai 2023 – Nichtzulassungsbeschluss“? Ist das Urteil des LG und die Erhöhung der Abfindung damit rechtskräftig? Danke.
Spruchverfahren Redaktion meint
Sehr geehrte(r) Herr/Frau Jäger, der Nichtzulassungsbeschluss des LG Köln vom 19. Mai 2023 bedeutet lediglich, dass das LG den Beschwerden nicht abgeholfen hat und das Verfahren an die 2. Instanz (in diesem Fall das OLG Düsseldorf) zur Entscheidung weiter verwiesen wird. Die Erhöhung der Abfindung ist damit noch nicht rechtskräftig. MfG, SV Redaktion
Jaeger meint
Danke!
Wagner meint
Die Feststellungen „desselben Prüfers“ wurden allerdings in beiden Fällen vom OLG bestätigt. Wenn das nicht zum Nachdenken Anlass geben sollte…
Spruchverfahren Redaktion meint
Ja, es wurde Beschwerde eingelegt. Den Beschwerdeführern wurde vom Gericht eine Begründungsfrist bis zum 31.03.2023 gewährt.
Jaeger meint
Wurde Beschwerde gegen die Entscheidung des LG eingelegt? Danke.