Das Unternehmen Winkler und Dünnebier wurde im Jahr 1913 als Hersteller von Faltmaschinen für Briefumschläge gegründet, wenig später kamen Schokoladenüberziehmaschinen hinzu. In acht Jahrzehnten entwickelte sich der Betrieb durch mehrere Übernahmen schließlich zu einem diversifizierten Spezialmaschinenhersteller.
Seit 1976 fertigte das Unternehmen auch Maschinen zur Herstellung von Papiertüchern, Servietten, Windeln und anderen Hygieneartikeln, seit 1998 außerdem Transport- und Palettieranlagen. Verkauft wurde 1996 indes das Geschäft mit Süßwarenmaschinen.
Im selben Jahr wandte sich Winkler und Dünnebier – bis dato familiengeführt – im Zuge einer Nachfolgeregelung dem Kapitalmarkt zu. So erwarb im Jahre 1996 der britische Finanzinvestor Doughty Hanson & Co. das Unternehmen. Im Jahre 1998 wandelten die neuen Investoren das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft um, die von da an als Winkler + Dünnebier AG firmierte. 1998 betrug der Emissionskurs an der Frankfurter Wertpapierbörse umgerechnet 44,99 Euro. Der Mehrheitsaktionär Doughty Hanson nutzte den Börsengang zum Verkauf seiner Anteile.
Die Geschäfte liefen nach der Jahrtausendwende allerdings eher schlecht als recht. Zum Jahresbeginn 2001 rutschte Winkler + Dünnebier in die Verlustzone. Im ersten Quartal verbuchte das Unternehmen einen Betriebsverlust von 300.000 D-Mark (153.000 Euro). Im gleichen Zeitraum des Vorjahres hatten die Rheinland-Pfälzer noch einen operativen Quartalsgewinn von 2,9 Millionen D-Mark (1,48 Mio. Euro) verbucht – im Jahr 2000 waren es insgesamt 14,7 Millionen D-Mark (7,52 Mio. Euro). Das Unternehmen leitete deshalb im Jahr 2001 Umstrukturierungen ein. Bis 2004 wurde die Mitarbeiterzahl um mehr als 600 Frauen und Männer auf rund 1300 Angestellte reduziert. Auch Produktlinien wurden eingestellt, überdies ein komplettes Werk in Spanien geschlossen. Winkler + Dünnebier konnte seine Verluste so auf 2,1 Millionen Euro vor Zinsen und Steuern (Ebit) im ersten Halbjahr 2004verringern, nachdem im gleichen Vorjahreszeitraum noch ein Fehlbetrag von 6,59 Millionen Euro zu Buche gestanden hatte.
Zu diesem Zeitpunkt begann sich indes die Hamburger Körner-Gruppe für Winkler + Dünnebier zu interessieren. Die von einer Stiftung kontrollierte und nicht börsennotierte AG, war selbst durch den Bau von Tabak- und Zigarettenmaschinen zum internationalen Konzern aufgestiegen. Bis zum Übernahmeangebot für Winkler + Dünnebier im Jahr 2004 hatte der Konzern schon zahlreiche mittelständische Firmen aufgekauft. Im Jahr vor dem Übernahmeangebot brachte es die Körner-Gruppe mit ihren damals mehr als sechzig Tochtergesellschaften und 8300 Mitarbeitern auf einen jährlichen Erlös von rund 1,3 Milliarden Euro, während die Winkler + Dünnebier AG mit ihren damals etwa 850 Mitarbeitern rund 133 Millionen Euro Jahreserlöse erwirtschaftete.
Im Zuge der Übernahme bot die Hamburger Holding pro Inhaberaktie einen Betrag von 9,75 Euro, nachdem die Aktie von Winkler + Dünnebier im Parketthandel zuvor bei 3,30 Euro pro Aktien gehandelt worden war. Der Körber-Anteil lag zum Zeitpunkt des Übernahmeangebots bei rund 24,9 Prozent. Zudem hatten die Hamburger mit einer W+D-Großaktionärin, der italienischen Finaf S.p.A., eine Kaufoption für die von ihr gehaltene 24,9-Prozent-Beteiligung ausgehandelt. Bis Ende 2009 erhöhte die Körber AG ihren Anteil so auf mehr als 95 Prozent.
Im November 2009 verkündeten die Hamburger schließlich ihren Squeeze-out-Plan. Wobei sie die Barabfindung für die Minderheitsaktionäre der Winkler + Dünnebier AG im Februar 2010 auf 15,55 Euro je Stückaktie festlegten. Im Zuge des Squeeze-out-Verfahrens wurde das Aktienkapital von Winkler + Dünnebier Ende April 2010 in Gänze auf die Körber AG übertragen. Die Minderheitsaktionäre wurden letztlich mit einem Betrag von 16,23 Euro pro Aktie abgefunden.
Die Bewertung
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Körber AG – seit Anfang 2006 hielt sie fast 90 Prozent der Aktienanteile – bereits maßgeblich in die geschäftliche Ausrichtung der Winkler + Dünnebier AG eingegriffen. So wurde beispielsweise die Geschäftsführung von Winkler + Dünnebier auf Druck des neuen Mehrheitseigners ersetzt. Im November 2008 machte der Vorstandsvorsitzende Dietmar Kurz („in gegenseitigem Einvernehmen wegen unterschiedlicher Geschäftsauffassungen mit dem Aufsichtsrat“) seinem Nachfolger Stephan Seifert Platz. Seifert war zuvor bereits Geschäftsführungsmitglied der Körber PaperLink GmbH, eines Körber-Tochterunternehmens. Im September 2009 musste auch der bis dato als Finanzvorstand der Winkler + Dünnebier AG wirkende Manfred Kühn („in beiderseitigem Einvernehmen“) seinen Posten räumen.
Im Juli 2009 winkte der Aufsichtsrat zudem ein Restrukturierungsprogramm durch, dass auch als Reaktion auf die im Herbst 2008 durch die Lehman-Pleite ausgelöste Finanzkrise geprägt war. Dieses Programm kostete das Unternehmen einmalig rund sechs Millionen Euro, sah Entlassungen und Kurzarbeit vor. Das reine Betriebsergebnis im Jahr 2009, dem Geschäftsjahr vor dem Squeeze-out, lag bei minus 21,8 Millionen Euro. Dennoch strebte die Unternehmensführung von Winkler+Dünnebier im Juni operativ die Erreichung des Break-even an, allerdings abhängig von der konjunkturellen Entwicklung.
Die Hoffnungen der Unternehmensführung wurden allerdings bis heute nicht erfüllt. Ein wichtiger Grund ist, dass die auf Brief- und Kouvertiermaschinen spezialisierte Winkler + Dünnebier GmbH sich trotz neuer Produkte („Brieffabrik“), Fokussierung auf das Servicegeschäft sowie weiterer Restrukturierungen nicht dem Trend hin zur Email- und papierloser digitaler Kommunikation entziehen konnte.
Das Spruchverfahren
Die bereits lange Verfahrensdauer ist auch dem Wechsel der Kammer geschuldet. Zunächst hatte das Gericht die Hoffnung geäußert, dass unter Moderation des gemeinsamen Vertreters ein Vergleich erzielt werden könnte. Angesichts von 88 Antragstellern mit 215.192 vom Squeeze-out betroffenen Aktien scheint eine vergleichsweise schnelle Lösung mit einer substanziellen Anhebung der Barabfindung allerdings kaum vorstellbar.
Anhaltspunkte dafür, dass die AG den Ertragswert zu niedrig ermittelt hat, bestehen zudem aus Sicht der aus dem Unternehmen gedrängten Aktionäre durchaus. Einzelne Antragsteller, wie zum Beispiel die Becon AG oder die VzfK haben eigene Wertberechnungen vorgelegt, welche zu deutlich höheren Barabfindungen führen.
Die Kritikpunkte der Antragsteller
Erlösplanung zu konservativ: Der Squeeze-out erfolgte kurz nach der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Umsätze und Ergebnisse der Gesellschaft waren daher im Geschäftsjahr 2009 stark rückläufig. Zum Bewertungsstichtag jedoch wies der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) bereits deutlich ansteigende Nachfrage und Aufträge aus. Dennoch habe die AG mit weiter fallenden Umsätzen geplant, anstelle mit steigenden Erlösen wie vom VDMA prognostiziert.
Materialkostenverringerung zu spät eingerechnet: Die Kritik an der Erlösplanung setze sich in den Materialkosten fort. Denn die von der AG geplante Verringerung der Materialkosten entsprechend der Aufteilung der Segmente hätte sich viel früher vollzogen als geplant.
Restrukturierungsauswirkungen zu spät eingerechnet: Die von der Gesellschaft bereits abgeschlossenen Restrukturierungsmaßnahmen fänden sich in der Planungsrechnung nur sukzessive wieder. Damit unterstelle die AG, dass diese Maßnahmen erst zukünftig abgeschlossen würden und sich erst dann auswirkten.
Die Parteien
Zuständiges Gericht: Landgericht Koblenz, 4. Kammer für Handelssachen
Vorsitzende Richterin: Vorsitzender Richter Edgar Becht
Aktenzeichen: LG Koblenz 4 HK O 97/15 UmwG (vormals: 3 HK O 49/10 UmwG)
Antragsgegner: Körber AG
Antragsgegnervertreter: Heisse Kursaw Eversheds München, Rechtsanwalt Dr. Sebastian Zeeck
Gemeinsamer Vertreter: Rechtsanwalt Dr. Ottmar Martini, Koblenz
Sachverständiger: Mit Verfügung vom 1. Juli 2011 hat das Gericht mitgeteilt, dass es sich ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht in der Lage sieht, einen fundierten Vergleichsvorschlag zu unterbreiten. Dieser sollte sodann von dem gemeinsamen Vertreter entwickelt und moderiert werden. Der gemeinsame Vertreter hatte nur geringfügige Änderungen am Kapitalisierungszinssatz vorgeschlagen, die zu einer Anhebung der Barabfindung von weniger als 8 Prozent geführt hätten. Das nahm die AG zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass danach keine Anhebung der Barabfindung geboten sei.
Gesellschaft: Winkler + Dünnebier AG, WKN: 779000 / ISIN: DE0007790008
Der aktuelle Verfahrensstand
zum Squeeze-out der Minderheitsaktionäre der Winkler + Dünnebier AG (Zielgesellschaft)durch die durch die Körber AG (Antragsgegnerin):
Die Hauptversammlung der Zielgesellschaft hat am 24. März 2010 den Beschluss gefasst, die auf den Inhaber lautenden Stückaktien der übrigen Aktionäre gegen Gewährung einer Barabfindung in Höhe von € 16,23 für je eine Aktie auf den Hauptaktionär gemäß §§ 327a ff. AktG zu übertragen. Die Antragsgegnerin hat ihr ursprüngliches Angebot von € 15,55 je Stückaktie aufgrund des gesunkenen Zinsniveaus angepasst. Davon betroffen waren 215.192 Aktien, das entspricht 3,50 Prozent des gezeichneten Kapitals.
Das Handelsregister hat den Übertragungsbeschluss am 30. April 2010 eingetragen und die Eintragung am 4. Mai 2010 bekannt gemacht.
Zum Zwecke der Bestimmung einer höheren Barabfindung haben 88 Aktionäre gemäß § 327f AktG Anträge auf Einleitung eines Spruchverfahrens gestellt. Diese Anträge sind unter Az. 4 HK O 97/15 UmwG beim Landgericht Koblenz anhängig.
Am 9. Februar 2015 fand die erste mündliche Verhandlung statt. Ausgangspunkt der Verhandlungen war das bisherige Angebot zur Abfindung von 16,23 Euro. Diskutiert wurde unter anderem der Planungsprozess, der regulär drei Jahre betragen habe. Die Grobplanungsphase habe der Bewertungsgutachter zusammen mit der Gesellschaft erstellt. Wobei die Bilanzplanung vom Bewertungsgutachter vorgenommen worden sei, die Gewinn- und Verlustrechnung hingegen von der Gesellschaft; allerdings sei lediglich das erste Planjahr im Detail geplant worden. Dafür seien auch die einzelnen Abteilungen befragt worden, wie viele Maschinen laut Kundenkontakt voraussichtlich abgesetzt werden könnten.
Die beiden Folgejahre waren hingegen mehr tendenziell geplant. Auf Nachfrage der Antragssteller gaben die Gutachter zu Protokoll, dass sie die einzelnen Abteilungen nur während der Prüfungsdauer befragt hätten, also bis Herbst 2009. Für den Bewertungsstichtag seien die Abteilungen hingegen nicht erneut befragt worden. Zu diesem Zeitpunkt, so die Kritik der Antragsteller wie der VzfK, hätte sich aber der Markttrend gewandelt. Dies gehe aus den Verlautbarungen des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) hervor. Die Prüfer entgegneten diesem Argument damit, dass der VDMA die gesamte Branche beträfe und nicht allein die Papiermaschinenindustrie. Dies wiederum konterten die Antragsteller mit dem Hinweis, dass sich die Verlautbarungen des VDMA gerade auf Papiermaschinen bezogen haben.
Diskutiert wurden des weiteren Basiszins, Marktrisikoprämie und Betafaktoren sowie Wachstumsabschlag. Das Gericht folgte in erster Einschätzung allen Annahmen der Prüfer. Wobei es durch Zitate wie, „wir sind Juristen und keine Betriebswirte“, deutlich machte, dass es selbst wenig von Unternehmensbewertung verstehe.
Die Prüfer wurden vom Gericht aufgefordert, die Fragen und Antworten der mündlichen Verhandlung im Nachgang aufzuzeichnen und dem Gericht zu übermitteln. Die Prüfer, nicht das Gericht, erstellen also das Protokoll.
Durch Ausscheiden der Vorsitzenden Richterin der 3. Kammer für Handelssachen ist das Verfahren auf die 4. Kammer übertragen worden. Daher hatte sich das Verfahren in die Länge gezogen.
Mit Beschluss vom 8. Juni 2017 hat das Landgericht Koblenz die Anträge der ehemaligen Aktionäre zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss haben mehrere Antragsteller Beschwerde eingelegt. Das Pfälzische OLG Zweibrücken wies mit Beschluss vom 23. November 2020 die Anträge im Beschwerdeverfahren zurück. Damit ist das Spruchverfahren rechtskräftig abgeschlossen.
Die Termine
24. März 2010 – Hauptversammlung beschließt einen Squeeze-out gegen Barabfindung in der Höhe von 16,23 Euro
30. April und 4. Mai 2010 – Eintragung und Bekanntmachung des Übertragungsbeschlusses
16. September 2014 – Das Gericht ordnet einen Termin zur mündlichen Verhandlung am
9. Februar 2015 an, nachdem sich zwischenzeitlich die Besetzung der Spruchkammer geändert hat.
9. Februar 2015 – Erster mündlicher Verhandlungstermin
2015 – Übersendung des Protokolls des ersten mündlichen Verhandlungstermins
8. Juni 2017 – Beschluss des LG Koblenz
23. November 2020 – Beschluss des Pfälzischen OLG Zweibrücken
Stand: 02.12.2020
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