Internet-Gigant IAC/InterActiceCorp vereinigt Online-Plattformen zur Vermittlung von Handwerker- und sonstigen Dienstleistungen unter dem Dach der HomeAdvisor-Gruppe.
Schon 2016 stieg IAC in das damalige Start-up-Unternehmen MyHammer ein.
Im Oktober 2016 veräußerte die Holtzbrinck Digital GmbH rund 70 Prozent des Grundkapitals an die HomeAdvisor GmbH, ein mittelbares Tochterunternehmen der IAC.
Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung stiegen die Umsatzerlöse seitdem von 9,5 Millionen Euro auf zuletzt rund 24 Millionen Euro jährlich und verdoppelte sich das Konzernergebnis.
IAC, welche über HomeAdvisor neben gleichartigen Plattformen in den USA und Kanada auch solche in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und Italien betreibt, verschmolz die MyHammer Holding AG im Wege der Aufnahme im Sinne des § 2 Nr. 1 UmwG auf sein Tochterunternehmen, die Instapro II AG.
Neben dem eCommerce-Sektor betreibt IAC noch Internet-Plattformen für „Search & Applications“ mit Seiten wie Ask.com sowie „Videos“ mit Seiten wie Vimeo oder The Daily Beast. Das Segment „Match Group“ mit Seiten wie Tinder wurde 2020 aus IAC abgespalten.
MyHammer betreibt, ebenso wie die HomeAdvisor Gruppe, digitale Marktplätze für Handwerks- und Dienstleistungsaufträge in Deutschland und Österreich. Die Gesellschaft tritt als Vermittler zwischen Verbrauchern einerseits und Handwerkern und Dienstleistern andererseits auf, den passenden Dienstleister für ihren Auftrag rund um Haus und Garten zu finden.
Anders als die von der Instapro II AG gehaltenen Anteile an der
- holländisch / italienischen Werkspot B.V.,
- britischen HomeAdvisor Limited bzw. MyBuilder Limited, und
- französischen Travaux.com S.à.r.l.
operiert die MyHammer Holding AG seit vielen Jahren erfolgreich und generiert Gewinne.
Mit der Verschmelzung will IAC daher vor allem Synergien heben.
Dem Erfordernis des Angebots einer Barabfindung gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 UmwG versuchte die Antragsgegnerin durch Delisting der Aktien der MyHammer Holding AG zu begegnen. Nach Ankündigung der Verschmelzung teilte die Gesellschaft am 17. Juni 2021 mit, „dass die Instapro II AG entschieden habe, die am 11. Februar 2021 angekündigte Verschmelzung der MyHammer Holding AG auf die Instapro II AG nicht mehr im Jahr 2021 durchzuführen. Der Vorstand der Instapro II AG hat weiterhin mitgeteilt, dass er gegenwärtig beabsichtigt, die Verschmelzungspläne im Jahr 2022 fortzusetzen.“
Weil die Instapro II AG selbst nicht börsennotiert ist und die Aktien der MyHammer Holding AG nach dem Delisting nur noch im Freiverkehr der Börse Hamburg gehandelt wurden, verzichtete die Antragsgegnerin auf ein Barabfindungsangebot.
Die Bewertung
Bedingt durch die Art der Strukturmaßnahme – Verschmelzung durch Aufnahme i. S. d. § 2 Nr. 1 UmwG – wurden nicht nur die Anteile der MyHammer Holding AG bewertet, sondern auch die der Instapro II AG und vor allem deren operative Töchterunternehmen, die Werkspot. B.V., die Home Advisor Limited bzw. MyBuilder Limited und die Travaux.com S.à.r.l.
Im Vordergrund steht damit die Prognose der Erträge der jeweiligen Unternehmungen und deren Verhältnis zueinander.
Die Bewertung erfolgte im Auftrag der Antragsgegnerin durch die BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft für jedes Unternehmen einzeln nach der Ertragswertmethode. Laut Berichtslage betrug der Ertragswert
- der MyHammer Holding AG rund 144 Millionen Euro, und
- der Instapro II AG unter Einschluss ihrer Töchterunternehmen 222 Millionen Euro.
Daraus errechnete die Antragsgegnerin ein Umtauschverhältnis von 1 zu 0,6418 bzw. 9 Aktien der Instapro II AG für je 14 Aktien der MyHammer Holding AG.
Aufgrund einer Änderung des Basiszinssatzes zum Bewertungsstichtag hat sich das Umtauschverhältnis angabegemäß auf 1 zu 0,6473 verändert. Darauf folgt rechnerisch eine bare Zuzahlung je MyHammer-Aktie in Höhe von 0,13 Euro, welche von der Antragsgegnerin jedoch nicht angeboten wurde.
Den allgemein gültigen Parametern des Kapitalisierungszinssatzes – Basiszinssatz und Marktrisikoprämie – kommt bedingt durch die Art der Strukturmaßnahme nur eine untergeordnete Rolle zu. Denn Veränderungen an diesen Parametern wirken sich nahezu gleichermaßen auf die Bewertung der Anteile der MyHammer und der Instapro II aus.
Anders verhält es sich mit unternehmensspezifischen Parametern, wie dem Beta-Faktor oder dem Wachstumsabschlag.
Das Spruchverfahren
Die ordentliche Hauptversammlung der MyHammer Holding AG vom 23. Juni 2022 hat dem Verschmelzungsvertrag zwischen der MyHammer Holding AG als übertragendem Rechtsträger und der Instapro II AG als übernehmenden Rechtsträger zugestimmt.
Eine Barabfindung sieht der Verschmelzungsvertrag nicht vor.
Stattdessen wurden 14 Aktien der MyHammer Holding AG gegen 9 Aktien der Instapro II AG eingetauscht:
Der Vertrag wurde am 2. August 2022 zur Eintragung im Handelsregister der Gesellschaft angemeldet. Die Eintragung erfolgte am 24. August 2022 mit dem Vermerk, dass die Verschmelzung „[…] erst mit der Eintragung in das Register des Sitzes des übernehmen-den Rechtsträgers wirksam“ wird. Diese Eintragung im Register der Antragsgegnerin erfolgte am 29. August 2022 und wurde am selben Tag bekannt gemacht.
Kritikpunkte der Antragsteller
Antragsteller, welche auf der beschlussfassenden Hauptversammlung Widerspruch gegen die Verschmelzung zu Protokoll gegeben haben, verlangen entsprechend § 29 Abs. 1 Satz 1 UmwG eine Barabfindung, welche sich am Unternehmenswert der MyHammer ausrichtet.
Die Verzögerung der bereits angekündigten Verschmelzung durch das nachträglich zwischengeschobene Delisting stelle einen Umgehungstatbestand dar. Überdies sei gesetzlich nicht gefordert, dass die Aktien im regulierten Markt gelistet sind; eine Notierung im Freiverkehr sei ausreichend. Zwar sei der Gesetzgeber wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass eine Barabfindung nur geschuldet sei, wenn die Aktien im regulierten Markt einer Börse notiert sind; dem sei aber aufgrund der FRoSTA-Entscheidung des Bundesgerichtshofs der Boden entzogen.
Die Antragsteller rügen den von der Antragsgegnerin behaupteten Unternehmenswert der MyHammer als – insbesondere im Verhältnis zur Instapro II – zu gering.
Die Antragsgegnerin plant, dass das Wachstum der MyHammer hinter der allgemeinen Marktentwicklung zurückbleiben soll, wohingegen die Töchter der Instapro ihre Marktstellung halten bzw. sogar ausbauen können. Diese Planung sei unplausibel, weil eigenen Angaben zufolge die Konkurrenzsituation für die Töchter der Instapro ungleich schwieriger sei und diese aufgrund ihrer Größe nur geringe Marktbeachtung finden.
Während die MyHammer schon in der Vergangenheit erhebliche Gewinne erwirtschaften konnte, verbuchten die Töchterunternehmen der Instapro bisher fast durchgehend Verluste. Diese Ergebnissituation soll sich innerhalb nur weniger Jahre umkehren.
Die Planung steht auch diametral zur tatsächlichen Entwicklung bis zum Bewertungsstichtag:
- Die britische Tochtergesellschaft der Instapro hat anstelle geplanter Gewinne in Höhe von 4,5 Millionen GBP tatsächlich Verluste in Höhe von 0,8 Millionen GBP erwirtschaftet.
- die französische Travaux.com hat den für 2022 gesamt geplanten Verlust in Höhe von 0,7 Millionen EUR bereits im ersten Quartal mit einem solchen von 0,8 Millionen EUR überschritten.
Angegriffen werden zudem einzelne Komponenten des Kapitalisierungszinssatzes:
Der einheitliche Ansatz des Basiszinssatzes wird für Länder wie Frankreich, Großbritannien und Italien aufgrund der dort herrschenden Zinsverhältnisse gerügt, weil für diese Länder auf Internetforen, wie basiszins.de, Zuschläge zwischen 0,4 und 1,9 Prozentpunkten verlangt werden.
Insbesondere aber sei das operative Risiko der MyHammer nicht mit dem der Töchterunternehmen der Instapro zu vergleichen, schon weil für diese exorbitante Wachstumsraten geplant seien. Damit steige auch das Risiko, dass diese Planungen verfehlt werden.
Zudem sind nur wenige der von der Antragsgegnerin herangezogenen Peer Group-Unternehmen auf dem Geschäftsfeld der hier zu bewertenden Unternehmen tätig.
Ähnliches gilt für den Wachstumsabschlag: Weil das von Analysten geschätzte Marktwachstum in Deutschland und Österreich die von der Instapro bedienten Märkten deutlich übersteigt, verlangen die Antragsteller für die MyHammer einen höheren Wachstumsabschlag.
Die Parteien
Zuständiges Gericht: Landgericht Berlin
Vorsitzender Richter: Oliver Pade
Aktenzeichen: 102 O 108/22 SpruchG
Antragsgegner: Instapro II AG
Antragsgegnervertreter: Rechtsanwälte Hengeler Müller
Gemeinsamer Vertreter: Rechtsanwalt Dr. Peter Dreier
Sachverständiger:
Gesellschaft: MyHammer Holding AG (WKN: A11QWW, ISIN: DE000A11QWW6)
Der aktuelle Verfahrensstand
Die ordentliche Hauptversammlung der Zielgesellschaft hat am 23. Juni 2022 dem am 10. Mai 2022 geschlossenen Verschmelzungsvertrag zwischen der MyHammer Holding AG als übertragendem Rechtsträger und der Instapro II AG als übernehmenden Rechtsträger zugestimmt.
Von der Maßnahme sind 1.097.610 Stück Aktien von Minderheitsaktionären betroffen.
Die Frist zur Stellung eines Antrags auf gerichtliche Bestimmung einer angemessenen Barabfindung bzw. baren Zuzahlung je MyHammer-Aktie endete am 29. November 2022. Insgesamt 172 Antragsteller haben einen Antrag auf Bestimmung einer angemessenen Barabfindung bzw. baren Zuzahlung gestellt. Mit Beschluss vom 31. Januar 2023 hat das Gericht der Antragsgegnerin eine Frist zur Stellungnahme bis zum 5. Mai 2023 eingeräumt. Bis zum 27. Oktober 2023 hatten die Antragsteller Zeit, zur Antragserwiderung Stellung zu nehmen.
Die Termine
16. Mai 2022 – Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung
23. Juni 2022 – Ordentliche Hauptversammlung
24. August 2022 – Eintragung des Vertrages im Handelsregister der MyHammer Holding AG
29. August 2022 – Eintragung des Vertrages im Handelsregister der Instapro II AG
29. November 2022 – Ende der Frist zur Einleitung eines Spruchverfahrens
5. Mai 2023 – Frist zur Stellungnahme für die Antragsgegnerin
9. Juni 2023 – Stellungnahme des gemeinsamen Vertreters
5. Juli 2023 – Antragserwiederung
27. Oktober 2023 – Frist zur Stellungnahme auf die Antragserwiderung
(Stand: 8. November 2023)
Schreiben Sie einen Kommentar