Am 1. Mai 1835 wurde die McKesson Europe AG als Gehe & Comp. Drogerie- und Farbwarenhandlung gegründet. 1903 erfolgte die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft und ein Jahrhundert später die Umfirmierung in Celesio AG.
Celesio ist ein Kunstwort, abgeleitet aus dem Lateinischen (caelestis = himmlisch bzw. göttlich).
Durch zahlreiche Übernahmen expandierte die Gesellschaft ab den 1950er Jahren stark und entwickelte sich bis Mitte der 2010er Jahre zu einem der führenden Handels- und Dienstleistungsunternehmen im Pharmamarkt.
Im Oktober 2013 kündigte die McKesson Corp. die Übernahme der Mehrheit der Anteile an der Gesellschaft vom damaligen Hauptaktionär Franz Haniel & Cie. an. Nachdem ein erstes Übernahmeangebot zum Preis von 23,00 Euro scheiterte, weil die zur Bedingung erhobene Annahmeschwelle von 75 Prozent der Aktien nicht erreicht wurde, wurde im Februar 2014 ein verbessertes Angebot zum Preis von 23,50 Euro je Aktie unterbreitet. Dabei hatte sich die McKesson Corp. durch den parallelen Erwerb von Wandelschuldverschreibungen das Überschreiten der 75-Prozent-Schwelle gesichert.
Ganz mit rechten Dingen ging das Angebot nicht zu: Denn im November 2017 erklärte der Bundesgerichtshof den Übernahmepreis für rechtswidrig, weil die McKesson Corp. höhere Vorerwerbspreise aus den Wandelschuldverschreibungen von 30,94 Euro bzw. 30,95 Euro je Aktie verschwiegen und stattdessen nur solche in Höhe von 19,05 Euro bis 21,66 Euro je Aktie behauptet hatte.
Am 22. Mai 2014 schlossen die damals noch als Celesio AG firmierende Gesellschaft (als beherrschte) und die Dragonfly GmbH & Co. KGaA, ein Investmentvehikel der McKesson Corp., (als herrschendes Unternehmen) einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, dem die ordentliche Hauptversammlung der Gesellschaft vom 15. Juli 2014 ihre Zustimmung erteilte. Der Vertrag wurde durch Eintragung im Handelsregister am 2. Dezember 2014 wirksam.
Gemäß dessen § 4 verpflichtete sich die Antragsgegnerin zur Zahlung eines jährlichen Ausgleichs in Höhe von 0,83 Euro (brutto) je Aktie der Gesellschaft.
Ausgleichszahlung, ebenso wie die Abfindung in Höhe von 22,99 Euro je Aktie, wurden in einem Spruchverfahren vom Oberlandesgericht Stuttgart rechtskräftig als angemessen beurteilt.
Die Muttergesellschaft, McKesson Corp., ist stark in den Opioidskandal in den USA verwickelt. Ab 1996 wurden dort durch Lobbyzahlungen an Politiker Schmerzmittel zugelassen, welche zur Abhängigkeit führten und welche in Deutschland schon seit fast einem Jahrhundert als Betäubungsmittel eingestuft wurden. In Folge der Abhängigkeit von den Opioiden stieg die Anzahl der Drogenabhängigen in den USA und die Zahl der Drogentoten stark an. Die McKesson Corp. war einer der Hauptvertriebspartner der Opioiden.
Zur Abwendung von Klagen stimmte ein Pharmakonsortium, dem auch die McKesson Corp. angehörte, in 2022 einem Vergleich zu, welcher Schadensersatzzahlungen in Höhe von gesamt rund 26 Milliarden USD vorsieht; allein auf die McKesson Corp. entfallen davon 7,4 Milliarden USD.
Im Juli 2021 kündigte die McKesson Corp. deshalb den Verkauf ihres Europageschäfts an. Entsprechend wurde der Geschäftsbetrieb der Gesellschaft von der McKesson Europe AG von der McKesson Corp. ausgeplündert und verkauft.
Zum Stichtag der Übertragung der Minderheitsaktionäre befand sich die McKesson Europe AG bereits im Besitz der Mannheimer PHOENIX group, dem europaweit führenden Pharmagroßhändler.
Die Bewertung
Nicht nur seit der „WCM“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (vom 21.02.2023 – II ZB 12/21) steht die Frage einer möglichen Bewertung nur nach dem Börsenkurs im Vordergrund; auch das zuständige Landgericht Stuttgart ist für seine Börsenkursaffinität bekannt (Beschlüsse vom 03.04.2018 – 31 O 138/15 KfH SpruchG [Kässbohrer] und vom 08.05.2019 – 31 O 25/19 KfH SpruchG [EUWAX]).
Jedoch sind die Aktien der McKesson Europe AG seit 2015/2016 delisted, weshalb auch seitdem keine Corporate News mehr von der Gesellschaft veröffentlicht wurden. Zwar wurden die Aktien bis zum Squeeze-out noch (ohne Veranlassung der Gesellschaft) an der Börse Hamburg im Freiverkehr gehandelt, jedoch misst auch die Antragsgegnerin dem Börsenkurs keine Bedeutung zu.
Den Ertragswert behauptet die Antragsgegnerin noch unterhalb des Börsenkurses mit nur 3,6 Mrd. Euro. Allein durch die von der McKesson Corp. vorgenommene Plünderung des Geschäftsbetriebs musste die Gesellschaft einen Verlust in Höhe von fast 1 Mrd. Euro verbuchen.
Die Barabfindung wurde daher von der Antragsgegnerin – entsprechend den Vorgaben der „Wella“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (vom 15.09.2020 –II ZB 6/20) – in Höhe des Barwerts der Ausgleichszahlungen aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit 24,13 Euro je Aktie (entspricht einem Unternehmenswert in Höhe von 4,9 Mrd. Euro) festgelegt.
Das Spruchverfahren
Die außerordentliche Hauptversammlung der Gesellschaft vom 6. April 2023 hat den Ausschluss der Minderheitsaktionäre mit 193.226.600 von 194.227.782 abgegebenen gültigen Stimmen beschlossen.
Der Ausschluss der Minderheitsaktionäre wurde mit Eintragung im Handelsregister am 14. Juni 2023 wirksam.
Die Wertverhältnisse stellen sich laut Berichtslage wie folgt dar:
Kritikpunkte der Antragsteller
Einer alleinigen Bewertung der Anteile nach dem Börsenkurs dürfte schon aufgrund des bereits in 2015/2016 vollzogenen Delisting der Boden entzogen sein.
Auch ist mit einer Anpassung des Ertragswerts beim hier zuständigen Landgericht Stuttgart kaum zu rechnen. Denn dieses zeichnet sich durch die geringsten Erfolgsquoten in Spruchverfahren in ganz Deutschland aus.
Hauptkritikpunkt ist daher die Berechnung des Barwerts der Ausgleichszahlungen:
Diese dürfte zwar methodisch richtig aus dem rechtskräftig festgelegten Ausgleich abgeleitet worden sein; jedoch dürfte der Diskontierungszinssatz der zukünftigen jährlichen Zahlungen zum Zankapfel im Spruchverfahren werden. Für diesen gilt – wie auch bei der Bestimmung des Ertragswerts: Je höher der Zinssatz, desto niedriger die Barabfindung.
Der Basiszinssatz beträgt zum Stichtag, entsprechend den Berechnungsvorgaben des IDW, ungerundet 2,22 Prozent; von der Antragsgegnerin wurde dieser auf 2,25 Prozent aufgerundet.
Den Risikozuschlag hat die Antragsgegnerin aus dem Credit Spread von der McKesson Corp. begebener Anleihen mit 1,5 Prozent ermittelt.
Allerdings hatte die McKesson Corp. ihre Anteile an der Antragsgegnerin bereits vor dem Bewertungsstichtag an die PHOENIX group verkauft, weswegen die Antragsteller auf deren Risikoprofil abstellen.
Die PHOENIX hat selbst eine Anleihe am Kapitalmarkt plaziert. Deren Verfallrendite (yield to maturity) behuapten die Antragsteller mit 2,39 Prozent. Im Vergleich zu laufzeitadäquaten Bundesanleihen, welche eine durchschnittliche Verfallrendite von 2,5 Prozent aufweisen, ergibt sich kein als Risikozuschlag zu berücksichtigender Credit Spread bzw. ist dieser sogar negativ.
Die Antragsteller machen deshalb eine angemessene Barabfindung in Höhe von 36,69 Euro bis 39,12 Euro je Aktie geltend.
Die Parteien
Zuständiges Gericht: Landgericht Stuttgart
Vorsitzender Richter: Dr. Alexander Schumann
Aktenzeichen: 31 O 68/23 KfHSpruchG
Antragsgegner: McKesson Europe Holdings GmbH & Co. KGaA (bereits umfimiert in PHOENIX International Beteiligungs GmbH)
Antragsgegnervertreter: Rechtsanwälte Gleiss Lutz
Gemeinsamer Vertreter: Rechtsanwalt Ulrich Wecker
Sachverständiger:
Gesellschaft: McKesson Europe AG (WKN: CLS100, ISIN: DE000CLS1001)
Der aktuelle Verfahrensstand
Die außerordentliche Hauptversammlung der Gesellschaft vom 6. April 2023 hat den Ausschluss der Minderheitsaktionäre wie folgt beschlossen:
„Die Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) der McKesson Europe AG werden gemäß §§ 72 Satz 1, 62 Abs. 5 UmwG, 327 a ff. AktG gegen Gewährung einer Barabfindung von 24,13 EUR je Stückaktie der McKesson Europe AG auf die McKesson Europe Holdings GmbH & Co. KG aA mit Sitz in Stuttgart als Hauptaktionär übertragen.“
Von der Maßnahme sind 10.218.677 Stück auf den Namen lautende Stückaktien der McKesson Europe AG betroffen.
Die Frist zur Stellung eines Antrags auf gerichtliche Bestimmung einer angemessenen Barabfindung endete am 14. September 2023.
Die Termine
24. Februar 2023 – Einladung zur außerordentlichen Hauptversammlung
6. April 2023 – Außerordentliche Hauptversammlung zum Squeeze-out
14. Juni 2023 – Eintragung des Squeeze-out-Beschlusses im Handelsregister
14. September 2023 – Ende der Frist zur Einleitung eines Spruchverfahrens
27. November 2023 – Bestimmung gem. Vertreter
20. Juni 2024 – Antragserwiderung
(Stand: 03.09.2024)
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