Vantage Towers war ursprünglich die Sendemastsparte des Vodafone Konzerns. Mit mehr als 90.000 Mikro- und Makrostandorten in Deutschland, Griechenland, Irland, Italien, Portugal, Rumänien, Spanien, Tschechien, Ungarn und dem Vereinigten Königreich nimmt Vantage Towers eine führende Stellung im Sendemast-Betrieb ein.
Die Hauptaktionärin, Oak Holdings, ist ein Joint Venture zwischen Vodafone und dem „Oak Consortium“. Letzteres besteht aus Global Infrastructure Partners (GIP), einem unabhängigen Fondsverwalter aus New York, und KKR & Co. Inc., einem weltweit führenden Investor, die zusammen Fondsvermögen im Wert von mehr als einer halben Billion US-Dollar verwalten.
Vodafone hatte im März 2021 knapp 19 Prozent seiner Funkturmsparte Vantage mit einem Ausgabepreis je Aktie von 24,80 Euro an die Börse gebracht.
Am 13. Dezember 2022 hatte Oak Holdings ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot für die zu diesem Zeitpunkt noch im Streubesitz befindlichen gut 18 Prozent Aktien der Vantage Towers zum Preis von 32,00 Euro veröffentlicht.
Am 28. März 2023 lud Vantage zu einer außerordentlichen Hauptversammlung zur Beschlussfassung über den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ein.
Danach, am 5. April 2023, unterbreitete Oak Holdings den außenstehenden Aktionären der Vantage Towers ein Delisting-Erwerbsangebot zum Preis von wiederum 32,00 Euro.
Im Zuge der Angebote wurden Oak Holdings weniger als 8 Prozent der Aktien der Vantage Towers angedient.
Am 5. Mai 2023 stimmte die außerordentliche Hauptversammlung der Vantage Towers mit den Stimmen der Oak Holdings dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zu. Dieser sieht eine Abfindung in Höhe von 28,24 Euro je Aktie bzw. einen jährlichen Ausgleich in Höhe von 1,63 Euro (brutto) je Aktie vor.
Stimmrechtsmitteilungen zufolge ist auch der US-Milliardär Paul Singer mit seinen Elliott-Fonds mit rund 3 Prozent an der Vantage Towers beteiligt.
Die Bewertung
Bereits die Angebote (frewilliges öffentliches Übernahmeangebot und Delisting-Erwerbsangebot) unmittelbar vor Abschluss des Unternehmensvertrages – der Vertragsentwurf lag bereits vor Veröffentlichung des Delisting-Erwerbsangebots vor – indizieren einen höheren als von Oak Holdings behaupteten Unternehmenswert.
Denn weil Oak zu diesem Zeitpunkt bereits über die notwendige Stimmenmehrheit zum Abschluss des Vertrages verfügte, konnte in den Angebotspreisen auch kein sog. „Paketzuschlag“ (Aufpreis für den Erwerb von Stimmrechtsquoren) enthalten sein.
Für die Bestimmung des als Wertuntergrenze maßgeblichen Börsenkurses hat Oak auf einen Referenzzeitraum vor Veröffentlichung der Absicht zur Abgabe des Übernahmeangebots abgestellt, weil darin die Absicht mitgeteilt wurde, einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abschließen zu wollen oder bei Erreichung eines höheren Stimmrechtsquorums den Ausschluss der Minderheitsaktionäre. In diesem Zeitraum betrug der nach der BGH-Rechtsprechung maßgebliche Umsatz gewichtete Durchschnittskurs 26,89 Euro.
Jedoch verfügte Oak Holdings zu diesem Zeitpunkt noch nicht über die notwendigen regulatorischen Freigabebescheinigungen, um die Transaktion durchführen zu können. Diese waren zum Großteil noch nicht einmal beantragt. So hat die EU-Kommission erst am 22. Februar 2023 die Genehmigung zum Zusammenschluss erteilt, weshalb die Partnerschaft zwischen Vodafone, GIP und KKR auch erst am 23. März 2022 bekanntgegeben wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt betrug der nach der BGH-Rechtsprechung maßgebliche Umsatz gewichtete Durchschnittskurs 32,95 Euro.
Für Zwecke der Bestimmung von Abfindung und Ausgleich hat Oak Holdings auf den Ertragswert von Vantage Towers abgestellt und diesen zum Stichtag mit 14,283 Mrd. Euro inkl. der als Sonderwert behandelten Beteiligungen an der Cornerstone Telecommunications Infrastructure Limited und der Infrastrutture Wireless Italiane SpA behauptet.
Das Spruchverfahren
Die außerordentliche Hauptversammlung der Gesellschaft vom 5. Mai 2023 hat den Vertrag mit 455.215.731 von 463.307.793 abgegebenen gültigen Stimmen beschlossen. Der Vertrag wurde mit Eintragung im Handelsregister am 13. Juni 2023 wirksam.
Die Wertverhältnisse stellen sich wie folgt dar:
Kritikpunkte der Antragsteller
Der am Verfahren beteiligte Fonds Cornwall (Luxembourg) S.a.r.l., hinter dem Paul Elliott Singer steht, hat mehrere Privatgutachten in das Spruchverfahren eingebracht. Diese analysieren sowohl die von Oak prognostizierten finanziellen Überschüsse ( Expert Opinions der Eden McCallum LLP) als auch die Parameter des Kapitalisierungszinssatzes und die Plausibilisierung über Multiplikatoren (Stellungnahmen der Rödl & Partner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft).
Eden McCallum kommt aufgrund öffentlich verfügbarer Informationen zu dem Schluss, dass die Annahmen Oaks zu den
- Umsatzerlösen aus Vermietungen („Tenancy“) zu gering,
- Aufwendungen für Grundstücksmieten überhöht und
- langfristigen Inflationsannahmen zu niedrig sind.
Außerdem sehen Antragsteller die Kooperation von Vantage mit der 1&1 Mobilfunk GmbH nicht ausreichend in den Planzahlen gewürdigt: Denn um die mit der Lizenzerteilung verbundenen Auflagen zu erfüllen, muss 1&1 rund 12.600 Funkmasten und 500 Rechenzentren aufbauen. Um dieses Ziel zu erreichen, kündigte 1&1 den Vertrag mit Telefónica Deutschland, der geschätzten Umsatz von 500 bis 600 Mio. Euro umfasste und wechselte zu Vantage Towers.
Darüber hinaus kritisieren alle Antragsteller und insbesondere die von Cornwall beauftragten Privatgutachter den von Oak angenommenen Kapitalisierungszinssatz als überhöht.
Oak hat das operative Risiko aus einer internationalen Peer Group abgeleitet und dazu auf den globalen MSCI World Index als Proxy des Marktportfolios abgestellt. Dann aber darf nach obergerichtlicher Rechtsprechung die Marktrisikoprämie nicht aus einem (nur) deutschen Marktportfolio abgeleitet werden, wie dies Oak unter Verweis auf die FAUB-Empfehlungen getan hat. Zum Stichtag belief sich die globale Marktrisikoprämie auf rund 4,0 Prozent und lag damit weit unter der von Oak verwendeten Empfehlung des FAUB von (im Mittel) 5,75 Prozent.
Für die Bestimmung des Betafaktors hat Oak auf eine internationale Peer Group und ausschließlich auf eine Berechnung über einen Zeitraum von 5 Jahren mit wöchentlichem Renditeintervall abgestellt und behauptet einen unverschuldeten Betafaktor von 0,65.
Das wird insbesondere von den von Cornwall beauftragten Privatgutachtern kritisiert, weil Oak auf diese Weise den Betafaktor gegenüber der in der Praxis üblichen Betrachtung über mehrere verschiedene Zeiträume und Intervalle sowie Vergleichsindices um bis zu 85,7 Prozent nach oben verzerrt hat. Danach bewegt sich der unverschuldete Betafaktor in einer Bandbreite von 0,35 bis 0,62, im Mittel bei 0,57.
Wollte man dagegen auf die Empfehlung des FAUB zur Marktrisikoprämie abstellen, dürfte der Betafaktor nach obergerichtlicher Rechtsprechung nicht im Wege der Regression gegen einen globalen, sondern allenfalls lokale Indices ermittelt werden. In diesem Falle beträgt das Mittel sogar nur 0,51.
Das lässt noch die Einwände der Antragsteller gegen die von Oak vorgenommene Adjustierung des Betafaktors und mögliche Fehler bei der Bestimmung von Fremdkapitalrisiken (Debt Beta) der Peer Group-Unternehmen unberücksichtigt.
Auch der Wachstumsabschlag ist zwischen den Parteien streitig. Zwar geht Oak mit einem Wachstumsabschlag von 1,5 Prozent schon über den in aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen fast mantraartig angenommenen Abschlag von 1,0 Prozent hinaus. Jedoch liegt dieser immer noch weit unter den tatsächlich langfristig erwarteten Inflationsraten der Länder, in denen Vantage Towers tätig ist. Dem kommt deshalb Bedeutung zu, weil die Umsatzerlöse zu fast 95 Prozent an die allgemeinen Inflationsraten gebunden sind.
Weil zudem Vantage Towers selbst im größten Aufwandsposten, den Grundstücksmieten, hohes Einsparpotenzial sieht, ist laut Antragstellern mit einem Wachstumsabschlag von mindestens 2,0 Prozent, keinesfalls aber unter 1,8 Prozent, zu rechnen.
Auch die Höhe der als Sonderwert behandelten Beteiligungen an Cornerstone und INWIT stehen genau im Streit wie die Behandlung der in der Bilanz der Vantage Towers ausgewiesenen liquiden Zahlungsmittel in Höhe von 177,5 Mio. Euro, die unberücksichtigt blieben.
Die Antragsteller rechnen daher Unternehmenswerte für die Vantage Towers AG bis über 23 Mrd. Euro vor, was Abfindungen von über 42 Euro je Aktie entspricht.
Solche Werte rechtfertigen die Antragsteller auch mit vergleichenden Betrachtungen über Multiplikatoren, insbesondere dem Transaction-Multiplikator für die Funkturmsparte der Deutschen Telekom, GD Towers, welche mit Wirkung zum 1. Februar 2023 zu 51 Prozent verkauft wurde.
Die Parteien
Zuständiges Gericht: Landgericht Düsseldorf
Vorsitzende Richterin: Dr. Anke Benda
Aktenzeichen: 31 O 1/23 [AktE]
Antragsgegner: Oak Holdings GmbH
Antragsgegnervertreter: Linklaters LLP, federführend Rechtsanwalt Stephan Oppenhoff
Gemeinsamer Vertreter: Dr. Peter Dreier
Sachverständiger:
Gesellschaft: Vantage Towers AG, WKN: A3H 3LL / ISIN: DE000A3H3LL2
Der aktuelle Verfahrensstand
Die außerordentliche Hauptversammlung der Gesellschaft vom 5. Mai 2023 hat dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der Oak Holdings GmbH als herrschendem und der Vantage Towers AG als beherrschtem Unternehmen zugestimmt.
Von der Maßnahme sind 54.320.359 auf den Namen lautende Stückaktien der Vantage Towers AG betroffen.
Die Frist zur Stellung eines Antrags auf gerichtliche Bestimmung einer angemessenen Barabfindung endete am 13. September 2023.
36 außenstehende Aktionäre haben einen solchen Antrag gestellt.
In ihrer Antragserwiderung vom 14. Februar 2024 verteidigt die Antragsgegnerin die Höhe der Kompensationen. Die Antragsteller hatten Gelegenheit zur Antragserwiderung Stellung zu nehmen.
Die Termine
5. Mai 2023 – Außerordentliche Hauptversammlung
13. Juni 2023 – Eintragung des BGV im Handelsregister
13. September 2023 – Ende der Frist zur Einleitung eines Spruchverfahrens
14. Februar 2024 – Antragserwiderung der Antragsgegnerin
(Stand: 18. September 2024)
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