Grohe hat eine bewegte Geschichte in der jüngeren Vergangenheit. Das einstige Familienunternehmen wurde 1998 an eine Investorengruppe verkauft. Danach wechselte die Gesellschaft zunächst in den Besitz einer internationalen Investorengruppe, bevor es 2014 von der japanischen LIXIL Gruppe gekauft wurde.
In dieser Zeit nahm das Unternehmen eine rasante Entwicklung: Zum Zeitpunkt des Verkaufs durch die Familie Grohe war das Unternehmen rund 900 Millionen Euro wert. Bereits 2004 beim Weiterverkauf musste die Investorengruppe Texas Pacific Group und CSFB Private Equity bereits 1,5 Milliarden Euro zahlen.
Die Gesellschaft wurde restrukturiert, die Beschäftigtenzahl in Deutschland stark gesenkt. Das löste die von dem früheren Bundesminister Franz Müntefering angestoßene „Heuschreckendebatte“ aus. Skandale und Skandälchen umrahmten die Unternehmensgeschichte. 2010 musste Grohe wegen Beteiligung an einem illegalen Preiskartell ein Bußgeld von rund 55 Millionen Euro zahlen. 2015 musste ihr Beteiligungsunternehmen Jojou, welches den chinesischen Markt für Badarmaturen abdeckte, Insolvenz anmelden, nachdem Bilanzmanipulationen aufgedeckt wurden.
Mit LIXIL ist nun ein strategischer Partner eingetreten. Denn LIXIL ist einer der weltgrößten Baustoffproduzenten. Grohe ergänzt das Sortiment von LIXIL, weswegen beide Seiten signifikante Synergien erwarteten.
Zur endgültigen Übernahme verlangte die LIXIL-Tochter Grohe Beteiligungs GmbH im Mai 2017 den Ausschluss der übrigen Aktionäre der Grohe AG. Der wurde sodann am 21. November 2017 beschlossen und mit Eintragung im Handelsregister am 7. Dezember 2017 vollzogen.
Kurz vor der Übernahme durch LIXIL wurde Grohe bereits mit rund vier Milliarden Euro bewertet. Zum Zeitpunkt des Squeeze out der Minderheitsaktionäre dagegen wurde das Unternehmen „nur“ noch mit 3,865 Milliarden Euro bewertet.
Die Bewertung
Grohe wird seit Jahren fremdbeherrscht. Mit der Grohe Beteiligungs GmbH, welche die Anteile für die jeweiligen Hauptaktionäre in der Vergangenheit bündelte, bestehen bereits seit 2004 Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge. Die Organe beider Gesellschaften sind personenidentisch.
Damit hatte der Hauptaktionär auch entscheidenden Einfluss auf die Bewertung von Grohe. Das dürfte einer der Gründe sein, warum der Wert des Unternehmens in den letzten fünf Jahren trotz starker Umsatzzuwächse und deutlich gesunkenem Zinsniveau nicht etwa gestiegen, sondern gesunken sein soll!
Ausgehend von Umsatzerlösen in Höhe von 1,1 Milliarden Euro im Jahr 2014 sieht die Unternehmensplanung eine kontinuierliche Steigerung bis auf 1,9 Milliarden Euro jährlich vor. Auch die Ergebnisse (vor Steuern) sollen von 128 Mio. Euro auf 228 Mio. Euro jährlich ansteigen.
Das lässt es umso verwunderlicher erscheinen, dass der Unternehmenswert fünf Jahre zuvor höher eingeschätzt wurde.
Das Spruchverfahren
Auf der ordentlichen Hauptversammlung der Grohe AG am 21. November 2017 wurde der Ausschluss der Minderheitsaktionäre wie folgt beschlossen:
„Die auf den Namen lautenden Stückaktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) der Grohe AG mit Sitz in Hemer werden gemäß dem Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsaktionären (§§ 327a ff. des Aktiengesetzes) gegen Gewährung einer Barabfindung in Höhe von 63,48 EUR für je eine auf den Namen lautende Stückaktie mit einem rechnerischen Nennwert von 1 EUR auf die Hauptaktionärin, die Grohe Beteiligungs GmbH mit Sitz in Hemer, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Iserlohn unter der Nummer HRB 5056, übertragen.“
Zur Festlegung der Barabfindung hat der Hauptaktionär ein Bewertungsgutachten von PwC eingeholt. Diese hat den Unternehmenswert der Gesellschaft nach dem Ertragswertverfahren mit 3.865 Millionen Euro, entspricht 63,48 Euro je Aktie errechnet.
Weil die Aktien der Gesellschaft nicht börsennotiert sind, kam der Börsenkurs auch nicht als Wertuntergrenze in Betracht. Von der Maßnahme sind auch nur noch rund 79 Tausend Aktien von Minderheitsaktionären betroffen.
Kritikpunkte an der Bewertung
Wertverhältnisse: Schon 2013 wurde das Unternehmen mit rund vier Milliarden Euro bewertet. Trotz deutlich besserer wirtschaftlicher Lage und gesunkenem Diskontierungszins ist der Wert jedoch nicht etwa gestiegen, sondern gesunken.
EBIT-Marge: Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass die geplanten Ergebnismargen weit hinter denen der Wettbewerber zurückbleiben. So soll Grohe im Durchschnitt eine EBIT-Marge von rund 16 Prozent erwirtschaften, ihr Konkurrent Geberit hingegen eine solche von rund 26 Prozent.
Synergien: Anders als bei früheren Übernahmen durch Finanzinvestoren – „Heuschrecken“ – steht LIXIL Grohe als strategischer Partner beiseite. Beide Seiten erwarten Ergänzungen ihrer Produktpaletten und daraus signifikante Synergien, die aber in der Bewertung nicht auftauchen.
Pensionsverpflichtungen: Unklar erscheint die Behandlung der Pensionsverpflichtungen. Grohe weist in der Bilanz Rückstellungen für Pensionszusagen in Höhe von 273 Millionen Euro aus. Diese werden als Sonderwert vom Unternehmenswert in Abzug gebracht. Gleichzeitig wird aber auch der Verkauf der Pensionsverpflichtungen in der Planung simuliert und hieraus ein negativer Ergebnisbeitrag in Höhe von 131 Millionen Euro berücksichtigt.
Die Parteien
Zuständiges Gericht: Landgericht Dortmund; Oberlandesgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: 18 O 7/18 (AktE); I-26 W 3/21
Antragsgegner: Grohe Beteiligungs GmbH
Antragsgegnervertreter: Clifford Chance Deutschland LLP
Gemeinsamer Vertreter: Herr RA Dr. Peter Dreier
Sachverständiger:
Gesellschaft: Grohe AG (WKN: A0DP20, ISIN: DE000A0DP200)
Der Verfahrensverlauf zum Squeeze-out
Die ordentliche Hauptversammlung der Zielgesellschaft hat am 21. November 2017 die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer Barabfindung in Höhe von 63,48 Euro je Aktie beschlossen.
Betroffen sind insgesamt 78.942 Stammaktien der Zielgesellschaft, was unter Abzug der von der Gesellschaft gehaltenen eigenen Aktien 0,13 Prozent des Grundkapitals entspricht.
Der Beschluss wurde am 7. Dezember 2017 in das Handelsregister eingetragen und am 11. Dezember 2017 bekannt gemacht. Mit Eintragung in das Handelsregister sind die Aktien der übrigen Aktionäre auf den Hauptaktionär übergegangen.
Die erste mündliche Verhandlung fand am 14. Februar 2019 statt. Am 5. September 2019 wurde der sachverständige Prüfer, Dr. Franken, angehört. Mit Beschluss vom 3. Juli 2020 wies das Landgericht Dortmund die Anträge auf Festsetzung einer höheren Barabfindung zurück. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass weder die angesetzte Marktrisikoprämie von 5,5 Prozent nach Steuern noch der unverschuldete Betafaktor von 0,9 oder der Wachstumsabschlag in Höhe von 1,5 Prozent zu beanstanden seien.
Hiergegen hatten mehrere Antragsteller Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt. Mit Beschluss vom 9. Mai 2022, Az.: I-26 W 3/21 wies das Oberlandesgericht Düsseldorf die Beschwerden zurück (Beschluss ist ab sofort in unserer Datenbank verfügbar).
Die Termine
13. Oktober 2017: Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung
21. November 2017: Ordentliche Hauptversammlung mit Beschluss Squeeze-out
7. Dezember 2017: Eintragung des Squeeze-out im Handelsregister
11. Dezember 2017: Bekanntmachung der Eintragung des Squeeze-out
12. März 2018: Ablauf Antragsfrist zur Einleitung eines Spruchverfahrens
14. Februar 2019: Erste mündliche Verhandlung
5. September 2019: Anhörungstermin sachverständiger Prüfer
3. Juli 2020: Beschluss des Landgerichts Dortmund
9. Mai 2022: Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf
(Stand: 23. Mai 2022)
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