Nixdorf: 1968 als Nixdorf Computer AG von Heinz Nixdorf gegründet, wandelte sich im Laufe der Zeit in verschiedene Geschäftssparten. Nach der Übernahme der Mehrheit der Aktien im Jahr 1990 durch Siemens avancierte die neue Siemens Nixdorf Informationssysteme AG zum größten europäischen Computerkonzern.
1995 wurden Teile der Bereiche Informationstechnologie und Telekommunikation herausgelöst; die restliche Gesellschaft wurde 1998 aufgelöst und vollständig in die Siemens AG integriert.
Am 1. Oktober 1999 läutete dann die Geburtsstunde der heutigen Diebold Nixdorf AG. Die handels- und bankspezifischen Aktivitäten der Gesellschaft wurden im Wege eines Carve-out aus dem Siemens-Konzern herausgelöst und von den Kapitalbeteiligungsgesellschaften Kohlberg Kravis Roberts und Goldman Sachs Capital Partners übernommen. Nachdem die Gesellschaft zunächst als Wincor Nixdorf International GmbH firmierte, erfolgte am 19. Mai 2004 der Börsengang. Die Gesellschaft ist einer der Global Player für Bankautomaten und elektronische Geldterminals einschließlich der zugehörigen Software. Nach diversen Kapitalerhöhungen betrug das Grundkapital zuletzt 33.084.988,00 Euro.
Umsatz und Ergebnisse der Gesellschaft entwickelten sich seit ihrer Ausgründung aus dem Siemens-Konzern stetig steigend, bevor die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008/09 das Unternehmen beutelte.
Am 23. November 2015 gab die amerikanische Diebold, Incorporated ihre Absicht bekannt, ein Übernahmeangebot für die Wincor Nixdorf AG abzugeben. Der Angebotspreis betrug 38,98 Euro in bar plus 0,434 Stammaktien der Diebold, Incorporated für jede angediente Stückaktie. Am Tag der Veröffentlichung des Angebots betrug der Aktienkurs der Bieterin 35,00 USD, woraus sich ein Gesamtpreis von rund 56 Euro pro Aktie errechnete.
Noch im November 2015 starteten Wincor Nixdorf und Diebold, Inc. die Vorbereitungen zum Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages, der dann auf der außerordentlichen Hauptversammlung am 26. September 2016 beschlossen wurde. Mit Eintragung ins Handelsregister erlangte der Vertrag am 14. Februar 2017 seine Wirkung.
Den Wert der Wincor Nixdorf AG beziffert die Diebold, Inc. mit rund 1,64 Mrd. Euro, was einem Anteilswert von 55,02 Euro je Stückaktie entspricht. Demgegenüber haben Analysten, wie etwa die Deutsche Bank, auf Basis der vorgelegten Unternehmensbewertung und der darin enthaltenen Planung ein Kursziel von 74,00 Euro ausgegeben. Entsprechend wurden gegen den Beschluss der Hauptversammlung zur Zustimmung zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen erhoben. Im Zuge dieser Klagen verpflichtete sich die Diebold, Inc. für den Fall, dass ein Spruchverfahren zu keiner höheren Barabfindung als 55,50 Euro führt, jedem Aktionär seine Aktie gegen Zahlung dieser erhöhten Barabfindung abzukaufen. Nicht zuletzt wegen der großen Kluft zwischen Analystenschätzungen und der (erhöhten) Barabfindung ist ein Spruchverfahren eingeleitet worden. Dazu wurden von mehreren Aktionären schon auf der Hauptversammlung Bewertungsfehler gerügt, welche zu einem deutlich höheren Unternehmenswert führen könnten.
Auf der außerordentlichen Hauptversammlung wurde auch die Umfirmierung der Gesellschaft von Wincor Nixdorf AG in Diebold Nixdorf AG beschlossen.
Die Bewertung
Von der Talfahrt im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise zeigte sich die Diebold Nixdorf AG zuletzt gut erholt; „Der im Geschäftsjahr 2015/2016 erreichte Umsatz ist der höchste und das operative Ergebnis der zweithöchste Wert in der Geschichte des Unternehmens.“ (Quelle: Geschäftsbericht 2015/2016 der Gesellschaft). Tatsächlich erwirtschaftete die Gesellschaft einen Umsatz von 2,579 Mrd. Euro und einen operativen Gewinn von 194 Mio. Euro.
Dieses Geschäftsjahr endete nur vier Tage nach der Beschluss fassenden Hauptversammlung vom 26. September 2016. Es bildet das erste Planjahr in der Unternehmensbewertung, die sich somit aus nur zwei von der Gesellschaft selbst geplanten Geschäftsjahren speist. Dieser Planungshorizont wurde von der Hauptaktionärin um ein Konvergenzjahr erweitert.
Aus dem Verbund von Nixdorf und Diebold entsteht einer der größten Anbieter weltweit für Bankautomaten und Zahlungssysteme. Verbundeffekte zwischen Nixdorf und Diebold, Inc. fließen dennoch nur mit höchstens 16 Mio. Euro p.a. in die Planung ein.
Für die Phase der ewigen Rente wird mit einem Wachstum von nur noch 0,75 Prozent gerechnet, obgleich Marktstudien bis dahin ein kontinuierliches Wachstum von jährlich gut vier Prozent prognostizieren.
Sonderwerte bzw. nicht betriebsnotwendiges Vermögen haben Bewertungsgutachter und der vom Gericht bestellte Vertragsprüfer nicht identifiziert und bewertet.
Das Spruchverfahren
Zur Bestimmung des Unternehmenswertes und zur Festlegung der Barabfindung und der Ausgleichszahlung hat die Hauptaktionärin ein Bewertungsgutachten von PricewaterhouseCoopers eingeholt. Diese hat den Ertragswert der Gesellschaft zunächst mit 1,59 Mrd. Euro errechnet.
Entsprechend der Stichtagserklärungen des Bewertungsgutachters und des vom Gericht bestellten Vertragsprüfers wurde der Unternehmenswert der Nixdorf AG auf der Hauptversammlung wegen des bis dahin gesunkenen Basiszinssatzes auf rund 1,64 Mrd. Euro und die Barabfindung von zunächst 53,34 Euro je Stückaktie auf 55,02 Euro erhöht. Allen Aktionären, die in der Gesellschaft verbleiben wollen, bietet die Hauptaktionärin einen jährlichen Ausgleich von brutto 3,13 Euro je Stückaktie (entspricht 2,82 Euro nach Steuern) an.
Die Umsatzplanung sieht ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 3,5 Prozent in der Detailplanungsphase vor. Danach wird das Wachstum „abgeschmolzen“, so dass sich einschließlich der Phase der ewigen Rente nur noch ein Umsatzwachstum von gut 2 Prozent errechnet. Ähnlich verhält es sich mit den operativen Ergebnissen, die bei Margen zwischen 7 und 8 Prozent ein Gesamtwachstum von jährlich durchschnittlich 2,2 Prozent aufweisen. Die Ergebnisse nach Steuern sollen sogar dauerhaft sinken.
Die hohen Umsatzerlöse des Geschäftsjahres 2015/2016 und der Gewinnsprung veranlassten die Analysten ihr Kursziel für die Aktie auf 74 Euro zu erhöhen.
Die Hauptaktionärin hat die Barabfindung in dem in den Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen abgeschlossenen Vergleich auf 55,50 Euro je Stückaktie angehoben.
Von der Maßnahme sind fast 7 Millionen Aktien von Minderheitsaktionären betroffen. Anträge auf Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung wurden beim zuständigen Landgericht Dortmund gestellt.
Die Kritikpunkte an der Bewertung
Planung: Obwohl die Gesellschaft auf einem Wachstumsmarkt tätig ist und die Hauptaktionärin selbst ein Marktwachstum von über vier Prozent prognostiziert, weist die Planung nur ein solches von gut zwei Prozent aus. Die Ergebnisse nach Steuern sinken auf Dauer unter das des letzten IST-Jahres, das aufgrund des nur viertägigen Abstands zur Hauptversammlung dem ersten Planjahr entspricht.
Verbundeffekte: In der Angebotsunterlage zum freiwilligen Übernahmeangebot unterstrich die Diebold, Inc. die aus dem Zusammenschluss erwarteten Synergien. Erwartet wurden von ihr selbst jährliche positive Verbundeffekte von 150 Mio. Euro. Davon bleiben aber in der nun vorgelegten Unternehmensbewertung nur noch maximal 16 Mio. Euro übrig, nachdem die Nixdorf anfangs noch mit Verbundkosten belastet wird.
Betafaktor: Die Hauptaktionärin hat den unternehmenseigenen Betafaktor als voll statistisch valide und die Aktien der Nixdorf AG als voll liquide beurteilt, so dass nach durchgehender Rechtsprechung der Oberlandesgerichte das Risiko der Investition in Aktien der Nixdorf allein nach dem unternehmenseigenen Betafaktor bestimmt wird. Diesen gibt die Hauptaktionärin mit 0,95 an; trotzdem verwendet sie für die Bewertung einen aus einer Peer Group abgeleiteten Faktor von 1,1.
Auch die Marktrisikoprämie in Höhe von 5,5 Prozent nach Steuern wird von dem zuständigen Landgericht Dortmund kritisch beurteilt. Zuletzt führte das Gericht aus, dass der vom FAUB empfohlenen Erhöhung der Risikoprämie um einen Prozentpunkt aus Anlass der Finanz- und Wirtschaftskrise die empirische Grundlage fehle. Auch den Wachstumsabschlag in Höhe von nur 0,75 Prozent werden Minderheitsaktionäre so nicht hinnehmen.
Die Parteien
Zuständiges Gericht: Landgericht Dortmund; Oberlandesgericht Düsseldorf
Vorsitzender Richter: VRichterLG Michael Pachur
Aktenzeichen BuG: 18 O 9/17 [AktE]; I-26 W 7/22 AktE
Aktenzeichen SO UmwG: 18 O 29/19 [AktE]; I-26 W 2/24 [AktE]
Antragsgegner: Diebold Holding Germany Inc. & Co. KGaA (nunmehr: Diebold Nixdorf Holding Germany GmbH)
Antragsgegnervertreter: SZA Schilling, Zutt & Anschütz Rechtsanwaltsgesellschaft mbH; RA Dr. York Schnorbus, c/o Sullivan & Cromwell LLP,
Gemeinsamer Vertreter: Rechtsanwalt Dr. Daniel Lochner, Bonn
Gesellschaft: Diebold Nixdorf AG (vormals: Wincor Nixdorf AG)
Der Verfahrensverlauf
zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag.
Die außerordentliche Hauptversammlung der Zielgesellschaft hat am 26. September 2016 dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der Antragsgegnerin als herrschender und Nixdorf als beherrschter Gesellschaft zugestimmt. Die Barabfindung wurde im Vertrag auf 55,02 Euro je Stückaktie, der Ausgleich auf 3,13 Euro (brutto) je Stückaktie festgelegt.
Betroffen sind nach derzeitigem Stand insgesamt 6.939.451 Stammaktien der Zielgesellschaft, was unter Abzug der von der Gesellschaft gehaltenen eigenen Aktien 23,27 Prozent des Grundkapitals entspricht.
Der Beschluss wurde am 14. Februar 2017 in das Handelsregister eingetragen und am selben Tag bekannt gemacht. Mit Eintragung in das Handelsregister ist der Unternehmensvertrag wirksam geworden.
Vor dem Landgericht Dortmund läuft ein Spruchverfahren zur Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung und des Ausgleichs. Am 29. November 2018 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der das Gericht einen Vergleichsvorschlag unterbreitete. Der Vergleichsvorschlag sieht eine Erhöhung der Barabfindung von 55,02 Euro auf 62,50 Euro vor. Nach dem Nichtzustandekommen des Vergleichs wurde für den 21. November 2019 ein Anhörungstermin anberaumt, der wegen eines Befangenheitsantrags gegen den sachverständigen Prüfer wieder aufgehoben worden ist. Mit Beschluss vom 27. Februar 2020 wies das Gericht das Ablehnungsgesuch gegen die sachverständigen Prüfer zurück.
Mit Schriftsatz vom 9. April 2021 nimmt die Antragsgegnerin Stellung zu den Hinweisen der Kammer in der Verfügung vom 25. November 2020. Im Anhörungstermin des sachverständigen Prüfers am 9. September 2021 erhob das Gericht keine Einwände gegen die Planungsrechnung. Das Gericht verlangte aber eine genauere Aufstellung der Synergien und der Transaktionskosten, die von der Antragsgegnerin nunmehr innerhalb von 4 Monaten nachgeliefert werden muss. Weitere Streitpunkte waren die Marktrisikoprämie und der Beta-Faktor.
Mit Beschluss vom 6. April 2022 wies das Landgericht Dortmund sowohl die Anträge auf eine höhere Barabfindung als auch die Anträge auf einen höheren Ausgleich zurück. In seiner Begründung führt das Gericht im Wesentlichen aus, dass keine Korrekturen an den Planungen der Gesellschaft vorzunehmen seien. Unschärfen in einer Größenordnung von ca. 1 Prozent seien vor dem Hintergrund, dass eine Bewertung mit Unsicherheiten behaftet ist, hinzunehmen.
Mehrere Antragsteller haben gegen den Beschluss des Landgerichts Dortmund Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 13. März 2023 setzte das zuständige OLG Düsseldorf der Antragsgegnerin eine Beschwerdeerwiderungsfrist bis zum 31. Dezember 2023.
zum verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out
Am 31. Januar 2019 schlossen die Diebold Nixdorf AG und die Diebold Holding Germany Inc. & Co. KGaA (nunmehr: Diebold Nixdorf Holding Germany GmbH) einen Verschmelzungsvertrag durch den die Diebold Nixdorf AG ihr Vermögen auf die Diebold Holding Germany Inc. & Co. KGaA übertrug. Auf der Hauptversammlung der Diebold Nixdorf AG am 14. März 2019 erfolgte die Zustimmung zum verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out. Die Barabfindung wurde auf 54,80 Euro je Aktie festgesetzt. Am 10. Mai 2019 wurde der Übertragungsbeschluss in das Handelsregister beider Gesellschaften eingetragen.
Im anschließenden Spruchverfahren, Az.: 18 O 29/19 wies das Landgericht Dortmund die Anträge auf Festsetzung einer höheren Barabfindung mit Beschluss vom 1. September 2023 (hier aus unserer Datenbank abrufbar) zurück. Gegen diesen Beschluss haben einige Antragsteller Beschwerde eingelegt.
Die Termine
23. November 2015 – Ankündigung eines freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebots durch die Diebold, Inc.
5. Februar 2016 – Veröffentlichung der Angebotsunterlage
8. April 2016 – Bekanntmachung der Absicht des Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages
26. September 2016 – Hauptversammlung (Beschlüsse: Zustimmung zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag sowie Änderung der Firma)
14. Februar 2017 – Eintragung Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages im Handelsregister
7. November 2018 – Ankündigung verschmelzungsrechtlicher Squeeze-out
29. November 2018 – Mündliche Verhandlung zum BuG
31. Januar 2019 – Abschluss Verschmelzungsvertrag
14. März 2019 – Hauptversammlung (Beschluss: Zustimmung zum verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out)
10. Mai 2019 – Eintragung verschmelzungsrechtlicher Squeeze-out im Handelsregister
13. September 2019 – Stellungnahme des sachverständigen Prüfers zur Vorbereitung der Anhörung (BuG)
27. Februar 2020 – Beschluss zum Ablehnungsgesuch (BuG)
9. September 2021 – Termin zur Anhörung des sachverständigen Prüfers (BuG)
6. April 2022 – Beschluss des Landgerichts Dortmund (BuG)
1. September 2023 – Beschluss des Landgerichts Dortmund (SO UmwG)
Beschwerdeverfahren zum BuG und zum SO UmwG laufen vor dem OLG Düsseldorf
31. Dezember 2023 – Beschwerdeerwiderungsfrist für die Antragsgegnerin und den gemeinsamen Vertreter im Spruchverfahren zum BuG
6. Dezember 2024 – Beschwerdeerwiderungsfrist für die Antragsgegnerin und den gemensamen Vertreter im Spruchverfahren zum SO UmwG
(Stand: 17. Oktober 2024)
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