Der europäische Bankenmarkt im Jahr 2005 war geprägt durch einen Trend zur Konsolidierung. Vor allem das italienische Institut Unicredit ging dabei voran. Ausgehend von der Privatisierung des staatlichen Finanzinstituts Credito Italiano stieg das Geldhaus durch zahlreiche Zusammenschlüsse und Übernahmen innerhalb weniger Jahre zur größten Bank Italiens auf.
In Deutschland hingegen ließ eine Konsolidierung bis ins Jahr 2005 auf sich warten. Spitzeninstitute wie die Deutsche Bank hatten im Vergleich zu den 90er Jahren im europäischen Vergleich der Bilanzsummen und Börsenwerte deutlich an relativer Größe eingebüßt. Dennoch hatte sich keine der damals vier großen deutschen Banken – darunter die Deutsche Bank, die HypoVereinsbank, die Commerzbank und die damals von der Allianz kontrollierte Dresdner Bank – zu einem großen Zukauf oder einer Fusion durchringen können.
Es war schließlich die Mailänder Großbank Unicredit, die im Juni 2005 die Konsolidierung des deutschen Bankenmarktes durch die Übernahme der Münchner HypoVereinsbank einschließlich ihrer Töchter Bank Austria Creditanstalt und der polnischen BPH einleitete. Es war die bis dato größte, grenzüberschreitende Bankenfusion Europas. Den Kaufpreis von am Ende rund zwanzig Milliarden Euro zahlte Unicredit in eigenen Aktien.
Die Bewertung
Durch den Zusammenschluss von Unicredit und der HypoVereinsbank entstand die damals nach Börsenwert neuntgrößte Bank in Europa. Neben der Marktführerschaft im Heimatmarkt Italien, war Unicredit durch die Bank Austria auch in Österreich und Osteuropa und dank der HypoVereinsbank auch in Deutschland stark vertreten. Dies hat vor allem zur geografischen Diversifizierung von Unicredit beigetragen.
Die Bedeutung dieser Diversifizierung ist nach der Finanzkrise deutlich geworden. Denn die in den Jahren der Übernahme hochprofitable Konzernmutter leidet seither an den Krisenfolgen, den verschärften europäischen Eigenkapitalrichtlinien und einer sich hinziehenden Rezession in Italien. Seit 2008 musste Unicredit drei Kapitalerhöhungen durchführen.
Darüber hinaus nahm die Großbank im dritten Quartal 2011 Abschreibungen in Höhe von 9,6 Milliarden vor. 2013 verbuchte die italienische Großbank durch weitere Abschreibungen und Rückstellungen für faule Kredite einen Verlust von rund 14 Milliarden Euro. Die Konzerntöchter haben demgegenüber seit der Finanzkrise eine vergleichsweise solide Gewinnentwicklung gezeigt. 2012 überwies die HVB an die Mailänder Konzernmutter sogar eine außerordentliche Ausschüttung von einer Milliarde Euro – über die Dividendenausschüttung von 1,5 Milliarden Euro hinaus. Im Frühjahr 2014 bezeichnete Unicredit-Verwaltungsratschef Giuseppe Vita die deutsche Konzerntochter als „Juwel“.
Als Kapitalquelle dienten darüber hinaus die Veräußerungen von Beteiligungen der HypoVereinsbank nach der Übernahme. Bemerkenswerte Transaktionen waren 2007 der Verkauf der HVB-Tochter Indexchange, eines Anbieters börsengehandelter Indexfonds, an die britische Barclays Bank für rund 240 Millionen Euro. Darüber hinaus 2014 der Verkauf der DAB, der Direktbanktochter der HVB, für rund 354 Millionen Euro an die französische Großbank BNP Paribas.
Nicht zuletzt erhoffte sich Unicredit durch die Übernahme der HypoVereinsbank und ihrer Tochter Bank Austria bis Ende 2008 jährlich bis zu einer Milliarde Euro durch Synergien einzusparen, etwa durch Vereinheitlichung von Marke, Produkten, Strukturen und durch Personalabbau. Mit der strukturellen Eingliederung der HypoVereinsbank ging auch die Übertragung der HVB-eigenen Fondsgesellschaften Activest und Nordinvest an die Unicredit-Tochter Pioneer einher. Ebenso der auf einer außerordentlichen Hauptversammlung im Oktober 2006 beschlossene Verkauf der HypoVereinsbank-Tochter Bank Austria an das italienische Mutterinstitut.
Im Gegenzug überließ Unicredit der deutschen Tochter im April 2007 ihr im Vergleich zum HVB-Investmentbanking deutlich kleineres Investmentbanking-Geschäft, das im Wesentlichen in der Unicredit-Tochter Unicredit Banca Mobiliare gebündelt war. Die Integration der deutschen Tochter in den europaweit nach Divisionen gegliederten Bankkonzern lief so reibungslos, dass sich Unicredit schon 2007 eine weitere große Übernahme zutraute: Für rund 22 Milliarden Euro übernahmen die Mailänder in diesem Jahr die Römische Bank Capitalia. So stieg Unicredit zur damals nach Marktwert größten Bank der Euro-Zone auf.
Das Spruchverfahren
Das Spruchverfahren zwischen Unicredit und den Altaktionären der HypoVereinsbank gehört zu den komplexesten, die derzeit geführt werden. Dem Verfahren vorausgegangen war der im Januar 2007 überraschend von Unicredit verkündete Plan, die an der Frankfurter Börse notierte Tochter HVB und die an der Wiener Börse notierte Tochter BA-CA vom Kurszettel zu streichen und Altaktionäre per Squeeze-out auszuschließen.
Das Verfahren ist geprägt von der hohen Anzahl Verfahrensbeteiligter: 302 ehemalige Aktionäre der HVB hatten 2007 beim Landgericht München I Antrag auf Einleitung eines Spruchverfahrens gestellt, um dort über eine höhere und aus ihrer Sicht angemessenere Barabfindung zu verhandeln. Das Verfahren ist darüber hinaus geprägt von den sehr unterschiedlichen Ansätzen, mit denen die Altaktionäre und Antragsteller ihre Antragsziele verfolgen.
Hauptsächlich geht es den Antragstellern um das aus ihrer Sicht zu billig verkaufte Osteuropageschäft und anderer Beteiligungen – im Wesentlichen die Bank Austria. Darüber hinaus werfen die Antragsteller der Konzernmutter vor, das auf die HVB übertragene Investment-Banking der Italiener zu hoch bewertet zu haben.
Kritikpunkte der Antragsteller
Bewertung des Osteuropageschäfts: Die Beteiligung an der Bank Austria und das Osteuropageschäft der HVB seien beim Verkauf an Unicredit zu niedrig bewertet worden.
Bewertung des übertragenden Investmentbankings: Das von der HVB übernommene Investmentbanking der Unicredit sei zu hoch bewertet worden.
Schadensersatzansprüche: Die Kaufpreise für die Osteuropabeteiligungen seien zu niedrig angesetzt worden.
Die Parteien
Zuständiges Gericht, Vorsitzender Richter: LG München I, Dr. Helmut Krenek; Bayerisches Oberstes Landesgericht
Aktenzeichen: 5HK O 16226/08; 102 W 158/22
Antragsgegner: UniCredito Italiano SpA
Gemeinsamer Vertreter: RA, WP, StB Walter L. Grosse
Sachverständiger: Prof. Dr. Christian Aders, ValueTrust Financial Advisors SE und Andreas Creutzmann, IVA Valuation & Advisory AG
Der aktuelle Verfahrensstand
zum Squeeze-out der Minderheitsaktionäre der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG (Zielgesellschaft) durch die UniCredito Italiano Società per Azioni (Antragsgegnerin)
Die Hauptversammlung der Zielgesellschaft vom 26. und 27. Juni 2007 hat den Beschluss gefasst, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer Barabfindung in Höhe von 38,26 Euro auf die Antragsgegnerin zu übertragen.
Zum Zwecke der Bestimmung einer höheren angemessenen Barabfindung haben 302 Aktionäre der Zielgesellschaft gemäß § 327f AktG Anträge auf Einleitung eines Spruchverfahrens gestellt. Diese Anträge sind unter Az. 5HK O 16226/08 beim Landgericht München I anhängig.
Das Verfahren hat zwei eigenständige Bewertungskomplexe zum Gegenstand. Mit Fortführungswerten wurde der zukünftige Kernmarkt, insbesondere Deutschland, geplant. Dagegen hat die HVB auf Veranlassung der Antragsgegnerin ihre Anteile an der Bank Austria Creditanstalt und ihr gesamtes Osteuropageschäft veräußert.
Entsprechend gilt es im Spruchverfahren den Zukunftsmarkt zutreffend zu bewerten und gesondert zu prüfen, ob die als Sonderwert behandelten Anteile an der Bank Austria und dem Osteuropageschäft zu niedrig angesetzt wurden.
Nach einer ersten mündlichen Verhandlung am 15. April 2010 hat das Gericht zunächst beschlossen, Beweis nur hinsichtlich des geplanten Ertragswerts der zukünftigen Kernmärkte zu erheben. Für die Bewertung der Anteile der Bank Austria sollten dagegen Anfechtungsklagen und auf Schadensersatz gerichtete Zivilklagen abgewartet werden.
Am 5. September 2014 erweiterte das Gericht seinen Beweisbeschluss auch auf die Bank Austria Credit Anstalt und das Osteuropageschäft der HypoVereinbank.
Vor der jüngsten mündlichen Verhandlung am 17. Dezember 2014 kam es indes zu einer interessanten Entwicklung: Das Oberlandesgericht teilte mit einer Verfügung am 25. November seine Einschätzung zum Verfahrensstand mit. Außerdem schlugen die Richter einen Vergleich vor, um das Verfahren zu beendet. Danach sollte die Kostenentscheidung der ersten Instanz Bestand haben, die Kosten des Berufungsverfahrens gegeneinander aufgehoben werden und der Rechtsstreit für erledigt erklärt werden.
Nach der Rechtskraft der Bestätigungsbeschlüsse könne es jetzt nur noch um die Nichtigkeitsgründe gehen, so die Richter. Dazu hätte der Senat Beweis zu erheben, wobei einziger Prüfungsmaßstab der bisherige Sachvortrag der Parteien sei. Nachdem das Landgericht München I im Spruchverfahren Beweis zum Verkauf des Osteuropageschäfts erheben würde, sei das Rechtsschutzziel zumindest insoweit erreicht.
In der mündlichen Verhandlung lehnten Kläger diesen Vorschlag allerdings ab. Der Prüfungsgegenstand sei nicht kongruent, da die Ansprüche auf Nachteilsausgleich aus dem Zeitraum zwischen dem Vertragsschluss und dem Squeeze-out nicht abgedeckt seien.
Angesichts der weiteren Risiken ließ es das Gericht offen, wie es weiter vorgehe. Es gab den Parteien jedoch bis zum 27. Februar 2015 die Gelegenheit, dem Vergleichsvorschlag zuzustimmen. Nachdem das nicht erfolgte, wies das Gericht mit Urteil vom 1. April 2015 die Klagen ab.
Im Spruchverfahren der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG haben die Sachverständigen am 2. Oktober 2017 ihre Gutachten abgeschlossen. Die Sachverständigen kommen zu einem Wert in Höhe von 41,55 Euro je Aktie. Das entspricht einer Erhöhung von 3,29 Euro bzw. 8,6 Prozent je Aktie. Weitere Sachverhalte wie die Auslandsgesellschaften werden Gegenstand späterer Gutachten sein.
In weiteren Ergänzungsgutachten vom 25. Februar 2020, 11. Mai 2020 sowie 31. Mai 2021 hat der Sachverständige zu weiteren Fragen Stellung genommen.
In der mündlichen Verhandlung am 10. und 11. November 2021 wurden die Sachverständigen angehört. Die Sachverständigen verteidigten die von ihnen angesetzte Marktrisikoprämie in Höhe von 5,5 % nach persönlichen Steuern, räumten jedoch ein, dass eine Marktrisikoprämie in Höhe von 5,0 % genauso plausibel sei. Der Beta-Faktor wurde von den Sachverständigen bereits auf 1,0 abgesenkt. Annehmbar sei aber auch der eigene Beta-Faktor in Höhe von 0,9 (im Mittel gerundet). Diesen hielten die Sachverständigen jedoch für weniger geeignet, weil sich das Handelsvolumen nach Übernahmegerüchten verändert und der Kurs sich zeitweilig abgekoppelt habe. Die Sachverständigen beurteilten 50%-ige Ausschüttungsquoten für alle Teilbereiche als plausibel. Weitere Themen der mündlichen Verhandlung waren Einzelaspekte der Planungsrechnung, die Kapitalentlastung nach Basel II und die Risikovorsorge der BA-CA, die laut Gericht im Terminal Value mit 0,54% der RWA statt mit 0,64% anzusetzen sei.
Mit Beschluss vom 22. Juni 2022 wies das Landgericht München I die Anträge auf Festsetzung einer höheren Barabfindung zurück. Im Wesentlichen führte das Gericht aus, dass der Unternehmenswert einschließlich der sich aus den Veräußerungen von Assets der Gesellschaft ergebenden Sonderwerten zwar insgesamt auf 32.155 Mio. Euro und sich daraus eine Abfindung von 40,07 Euro je Aktie errechnen würde, die jedoch noch nicht die Unangemessenheit der im Beschluss der Hauptversammlung festgesetzten Barabfindung nach sich ziehe. Der Beschluss kann in unserer Datenbank abgerufen werden.
Mehrere Antragsteller haben gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt.
Die Termine
15. April 2010 – Erste mündliche Verhandlung
27. Mai 2011 – Beweisbeschluss zur Bestimmung des Unternehmenswertes der HypoVereinbank; bestellt Andreas Creutzmann (IVA Valuation & Advisory AG) und Dr. Christian Aders (c/o Duff & Phelps).
5. September 2014 – Erweiterung des Beweisbeschlusses auch auf die Bank Austria Credit Anstalt und das Osteuropageschäft.
17. Dezember 2014 – Anfechtungsklage (OLG München, 7 U 2216/08 – Anfechtungsklage HV 25.10.2006): Mündliche Verhandlung. Dabei ging es auch um die Übertragung des Osteuropa-Geschäfts der HypoVereinsbank auf die UniCredit-Gruppe sowie die Angemessenheit des Kaufpreises.33
27. Februar 2015 – Anfechtungsklage (OLG München, 7 U 2216/08 – Anfechtungsklage HV 25.10.2006): Das Gericht hat den Klägern der Anfechtungsklage bis zum 27. Februar 2015 Zeit gegeben, einem vorgeschlagenen Vergleich zuzustimmen.
1. April 2015 – Anfechtungsklage (OLG München, 7 U 2216/08 – Anfechtungsklage HV 25.10.2006): Klageabweisung
2. Oktober 2017 – Sachverständigengutachten (41,55 Euro je Aktie, d.h. Erhöhung um 3,29 Euro bzw. 8,6 % je Aktie)
22. Januar 2018 – Mündliche Verhandlung im Greminalverfahren Bank Austria
25. Februar 2020 – Ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen
11. Mai 2020 – Zweite ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen
31. Mai 2021 – Dritte ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen
10./ 11. November 2021 – Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und Anhörung des Sachverständigen
8. April 2022 – Verkündungstermin (verschoben)
22. Juni 2022 – Beschluss des Landgerichts
Beschwerdeverfahren läuft
1. August 2022 – Frist zur Beschwerdebegründung
28. April 2023 – Begründungsfrist sofortige Beschwerden
15. September 2023 – Erwiderungsfrist Beschwerdegegnerin
15. Januar 2024 – Frist zur Stellungnahme für den gemeinsamen Vertreter
(Stand: 19. Februar 2024)
Svenglückspilz meint
Ach mal ganz was Neues eine Terminverschiebung aber wer jetzt noch dabei ist hat eh Nerven wie Drahtseile und volles Vertrauen in eine zeitnahe Klärung 😉
VG Svenglückspilz
PS: bin nächsten Mittwoch auf den Effecten Spiegel gespannt mal schauen wer jetzt wieder auf der Bremse steht
Bauer Rolf S. meint
Hat schon jemand was gehört? ES hatte in der Ausgabe von letzter Woche etwas die Befürchtung, dass es wieder eine Verzögerung gibt. Hat hier schon jemand Erfahrung wie man seine Ansprüche bei einem positiven Urteil durchsetzt? Manche Banken haben ja Onlinebelege älter 10 Jahre gelöscht. Ist man in der Nachweispflicht oder geht das quasi automatisch über die Depotbank. VG Svenglückspilz
Svenglückspilz meint
Der Effecten Spiegel schreibt, bis Weihnachten sollen die Gutachter noch Fragen beantworten, für den 8.4.22 ist in München ein Verkündungstermin angesetzt. VG Svenglückspilz
Niewiederreiter meint
Mit welchem Nachschlags-Betrag ist denn dann im April in etwa zu rechnen? Dazu kommen doch 6,5% Zinsen p.a. Und würde die bayerisch-italienische Top-Bank dann nochmal vor ein Gericht ziehen können? Halte halt nix von diesem Laden.
Warten0504 meint
Hallo, ja, würde mich auch interessieren. Ich warte schon seit 13 Jahren auf Neuigkeiten. Kann man da noch von Rechtsstaat sprechen? Da geht ja überhaupt nichts weiter. UniCredito soll nicht nur den grossen Hedge Fonds zahlen und hoffen, dass die anderen dann eh nix mehr kriegen.
Svenglückspilz meint
Moin moin,
die Ergebnisse sind noch schwer zu bewerten, gibt es den schon Folgetermine vom Gericht?
VG
Svenglückspilz meint
Moin moin, gibt es schon Ergebnisse vom Gerichtstermin 10/11.11.21 in München oder wurde wieder verschoben?
VG